Dienstag, 1. Januar 2019

Goldammer, Frank: Roter Rabe


Vierzehn Tage ohne Karin Heller


Zum vierten Mal ermittelt Max Heller im Nachkriegs-Dresden. Es ist das Jahr 1951. Der Kalte Krieg entwickelt sich. Im Erzgebirge wird Uranerz abgebaut. Die Welt hat Angst vor der Atombombe. Eine Reihe von Morden beschäftigt den Kriminalisten und seine beiden Mitarbeiter. Doch die Geheimdienste, der sowjetische sowie das MfS, blockieren die Ermittlungen. Außerdem gibt es Gerüchte über einen amerikanischen Agenten, den „Amerikaner“, den die Russen „Roter Rabe“ nennen. Mit der Zeit entsteht der Eindruck, dass damit auch ein Überläufer gemeint sein könnte. Oder gar ein Doppelagent?

Soeben kommt Heller mit Frau Karin und Ziehtochter Annie vom Ostseeurlaub zurück, den er für seine Arbeit erhalten hat. Gleich anschließend darf Karin zu Erwin, ihrem jüngsten Sohn in den Westen fahren. (Das sollte 1951 an sich kein Problem gewesen sein, die Grenzen offen – aber als Frau eines Kriminalpolizisten brauchte sie vermutlich die Genehmigung). Vierzehn Tage soll sie fahren. In diese zwei Wochen fallen diese Ermittlungen.




Dresden 1951 - Quelle

Sie sind alles andere als einfach. Nicht nur wegen der Geheimdienste, auch Hellers Chef versucht den Ermittler immer wieder aufzuhalten. Sein Mitarbeiter Werner Oldenbusch wird eines Tages zur Vernehmung geholt...

Der Roman ist wirklich spannend aber äußerst undurchsichtig. Die Morde lassen kaum Zusammenhänge erkennen. Da sterben einige Zeugen Jehovas, zwei Ingenieure nach einem Anschlag auf das Kraftwerk Mitte in Dresden, ein Häftling in Bautzen... 
Da ist Alexej Saizev, den Lesern bereits bekannt seit der Angstmann den Dresdnern Sorgen bereitete. Alexej vom sowjetischen Geheimdienst, ist ein junger Mann von 25 Jahren, Max und er hegen füreinander Respekt, seit Max dem damals jungen hassenden Kommissar im Jahr 1945 offen und unnachgiebig gegenüber trat. Hat Saizev, inzwischen drogen- und alkoholabhängig, was mit der Suche nach dem „Amerikaner“ zu tun? Wer ist die junge Frau in seiner Wohnung, die meint, sie würde ein „richtiges Leben“ führen? Immer wieder läuft ihm der Russe über den Weg bis zum Schluss...
Wir fühlen das Ende nicht nur wegen abnehmender Seitenzahlen kommen und sind doch überrascht, wenn Max Heller und die Leser den roten Raben kennen lernen. Eine Figur, die man sich so kaum vorstellen kann. 

Es ist ein gelungener Kunstgriff, diese vierzehn Tage, in denen Max Heller neben den Ermittlungen einerseits mehr als Vater der kleinen Annie auftreten muss und trotzdem gelegentlich Zweifel hegt, ob Karin überhaupt wieder in die DDR zurückkehrt. Immer wieder kehrt das Bild zurück, als er ihr an der See nicht folgte... Dann kommt da noch diese Frau in den Haushalt... Ist sie eine Verwandte der alten Frau Marquardt?

Viele Dinge werden hervorragend wiedergegeben. Da treten die Zeugen Jehovas auf, denen die Administrative mit Misstrauen begegnet, die vielleicht anfällig für subversive  Machenschaften sind. Die Paranoia der Geheimdienste, die Angst vor einem kommenden Krieg, das Misstrauen untereinander. Ganz langsam, viel langsamer als in der Bundesrepublik, erholt sich das Land. Wiederholt sieht man bei Frank Goldammer, dass solcherart historische Romane gleichermaßen Geschichte * erzählen, Dinge, die der Schulunterricht kaum übernehmen kann.


Dresden 1951 - Quelle
Der Fall selber kann nicht vollständig aufgelöst werden. Es bleiben viele Fragen offen und die Lösung befriedigt mich als Leser nicht unbedingt. Das, was letztendlich Ziel des roten Raben ist, brauchte nicht mit dieser Menge an Morden einhergehen. Doch hat Goldammer es wohl beabsichtigt, eine solche „Nichtlösung“ dazustellen, dabei viele Dinge offen lassend. Einzig Max Heller scheint den Finger auf den Punkt zu haben, als er zuletzt Alexej aufzeigt, welche Rolle dieser gespielt haben könnte. KÖNNTE.  Hierin besteht meine Kritik im Gegensatz zu den vorherigen Romanen, dies schmälert meine Begeisterung für die Idee der Romanreihe keineswegs. 




Die "Lesung" des roten Raben hat zu einem umfangreichen Austausch mit einem Bloggerfreund geführt. Hier findet sich die Buchbesprechung von Arndt Stroscher von der kleinen literarischen Sternwarte Astro Librium und an dieser Stelle meine Entgegnung.


* * *


Frank Goldammer - Über den Autor
Geboren 1975, Maler- und Tapeziermeister. alleinerziehender Vater von Zwillingen, wohnt in Dresden.

Wir begegneten uns schon einige Male auf Büchermessen und das nicht erst seit Max Heller die Bücherbühne betrat. Jedenfalls sind diese hier genannten Bücher nicht die ersten Dresden-Krimis - aber mit ihnen betrat nun auch der Autor die große Bühne. Der Mann ist sympatisch, einnehmend und ein Vielschreiber. Vielen Dank dafür, dass du mir den Roman persönlich in die Hand gedrückt hast.



DNB / DTV / München 2019 / ISBN: 978-3-423-26209-5 / 382 Seiten
Autorenseite auf unserem Blog

© Bücherjunge (08.02.2020)


1 Kommentar:

  1. Eine aussagekräftige Rezension - irgendwann schnupper ich in diese Reihe sicher auch einmal rein!

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