Sonntag, 31. Juli 2016

Wißmann, Ulrich: Tanz mit Schlangen


Indianerkrimi ??

Ja, ja, es ist schon ein Krimi, auch wenn man etwas zurückzuckt, liest man dieses Wort. Auf dem Buchdeckel steht „Ethno-Krimi“. Nun, ob es das trifft… Auf jeden Fall geht es mal nicht um Prärieindianer, die bisher im Fokus der von mir konsumierten Bücher standen.

Im Roman von Ulrich Wißmann stehen die HOPI im Vordergrund und deren Religion. TANZ MIT SCHLANGEN spiegelt dies gut wieder, denn der Tanz mit Klapperschlangen ist eine Zeremonie. Hopi sind Pueblo-Indianer. Sie leben heute inmitten eines großen Navajo-Reservats.

Das Buch erzählt davon, dass die Hopi daran glauben, dass der Mensch mit der Natur leben muss, andernfalls wird er diese Welt nicht überleben. Daraus erwächst bei Traditionalisten eine bestimmte Art von Armut und Verzicht. Natürlich gibt es auch Gegner dieser Anschauungen, davon handelt letztlich dieses Buch.

Beim Schlangentanz stirbt ein Ältester des Stammes der Hopi. Albert Tasajeswa, der sich mit den eigentlich behäbigen und vor allem keineswegs hungrigen Klapperschlangen auskannte wie kein Zweiter, wird von einer Schlange gebissen. Von einer Crotalus viridis. Die Schlange, zu dem Ergebnis kommt der S.A. Jackson Caldwalder (FBI) und der Navajo-Stammespolizist Frank Begay.[1] Albert Tasajeswa war so ein Traditionalist, der gegen die Kohleförderung auf dem heiligen Berg der Hopi protestierte. [2] Diese allerdings gibt besser bezahlte Arbeit, daher sind andere Stammesangehörige eher für die Ausbeutung der Minen.[3] Mordmotive sind also denkbar.
Die beiden Ermittler bilden mit dem Hopi Charles Quochytewa, ebenfalls ein Stammespolizist, alsbald ein Trio. Es dauert nicht lange bis zum nächsten Mord…

* * *

Bekannt ist vielleicht eher, dass die Hopi wie auch die Navajo für die Herstellung von Kunstgegenständen bekannt sind, die in den Reservationen und auch außerhalb verkauft werden. Verkauft werden auch, und hierbei geht es wirklich um Berührungen zur Religiosität der Hopi, sogenannte Katchina-Puppen. Auch in diesem Roman spielt eine solche Puppe, die als Kill-Priest-Katchina auf einen Jahrhunderte zurückliegenden Fall von Priestermord hinweist, eine Rolle. 

Bei Wikipedia kann man nachlesen, dass die Schlangen, die beim Schlangentanz-Kult der Hopi benutzt werden, gar keine Giftzähne mehr hatten. Aber darauf kommt es hier gar nicht an.



Quelle Verlag
Vielmehr hat der Autor, Ulrich Wißmann, einen Roman geschrieben, der auf unterhaltsame Art nun nicht gerade in die Spiritualität eines Indianerstammes einführt, aber auf die Besonderheiten neugierig macht. Das heißt, er lädt zum weiteren Schmökern ein. Zudem ist es ein Buch, dass auf die Probleme in den allermeisten Reservationen der verschiedensten Stämme hinweist: Armut, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit.

Nicht nur in Sachbüchern lassen sich interessante Aspekte verpacken, auch in Romanen ist dies sehr gut möglich. So weist Wißmann darauf hin, dass die amerikanische Verfassung durchaus bei den Irokesen Anleihen nahm und erzählt über die Sprachen der Indianer folgendes:

„… Indianische sprachen sind derart komplex, dass es schwierig ist, etwas genau zu bezeichnen, es dann auch noch auf völlig anderes zu beziehen, wie beim Fluchen, geht gar nicht! Die europäischen Sprachen funktionieren eben ganz anders. Indianer können zwar vieles ausdrücken, was Weiße gar nicht denken können, aber vieles, was für Weiße selbstverständlich ist, funktioniert in indianischen Sprachen nicht. Sie sind ungeheuer genau, deswegen kann man nicht etwas aus einem Bereich in den anderen übertragen. Das gesamte System der Weißen aber basiert auf diesen Übertragungen: Geld gegen Arbeit, Zeit für Geld, Miete, Zinsen, Löhne, das alles hätte sich Indianer gar nicht ausdenken können, weil sie es in ihrer Sprache auch nicht denken können… Unsere Sprachen kennen überhaupt keine Bilder. Wenn ein Indianer in seiner Sprache einen Gegenstand benennt, berührt er ihn auch, nimmt eine Verbindung auf, deshalb reden wir mit Pflanzen, Tieren und Bergen, für den Weißen ist es dagegen immer nur das Bild der Pflanzen, des Tieres oder Berges, das er ausdrückt.“ (Seite 135) 

War es früher die Exotik, das Bild des edlen Wilden, welches in die Welt gebracht wurde, so sind es für Menschen, die sich heute richtig für die indigenen Völker (nicht nur Nordamerikas) interessieren, eben solche Informationen, die, in einem Roman gut verpackt, weiteres Interesse hervorrufen. Jedenfalls geht es diesem Blogger hier so, der „seine Indianer“ als Erwachsener so wieder „neu“ entdeckte.

Auch wenn das Ende ein wenig voraussehbar war, vor uns liegt ein interessanter und kurzweiliger Roman, der auf nur 183 Seiten eine weitere indianische Welt ausbreitet, spannend verpackt.

* * *

Ulrich Wißmann hat schon mehrere Bücher im Traumfänger-Verlag herausgebracht. Er beschäftigt sich seit frühester Jugend mit den Indianern Nordamerikas. Der studierte Völkerkundler besuchte er verschiedene Stämme. Er schrieb auch über den indianischen Widerstand.

Dem Traumfängerverlag, namentlich Kerstin Groeper danke ich hier noch einmal für die interessanten Gespräche während der Buchmesse inLeipzig 2016 und für dieses Buch. 


DNB / Traumfänger-Verlag / Hohenthann 2015 / ISBN: 978-3-941485-47-1, 183 S.
© KaratekaDD


[1] Bei Kapitalverbrechen ermittelt laut gesetzt nicht die im jeweiligen Reservat zuständige Stammespolizei, sondern die Bundesbehörde FBI. Da die Hopis in Masse innerhalb des Navajo-Reservats leben, ist die Hinzuziehung des Navajo-Ermittlers verständlich. 
[2] Die Rohstoffe auf Reservationsgebieten sind seit deren Einrichtung Gegenstand von Verträgen und gebrochenen Verträgen und vor allem Streitgegenstand unter den jeweiligen indigenen Völkern selbst. 
[3] Der Transport der Kohle erfolgte durch Wasser. Daher senkte sich der Grundwasserspiegel, was für die ohnehin problematische Landwirtschaft Schwierigkeiten bei der Bewässerung erbrachte.

Samstag, 30. Juli 2016

Baronsky, Eva: Herr Mozart wacht auf


Der Mann, der sich nur daran erinnert, am Vorabend als Wolfgang Amadé Mozart auf dem Sterbebett gelegen zu haben, kann sich die bizarre Umgebung nicht erklären, in der er erwacht: Musik ohne Orchester, Fuhrwerke ohne Pferde, Licht ohne Kerzen. Ist er im Vorhof zur Hölle oder im Paradies angelangt, und vor allem: mit welchem Auftrag?

Ein göttlicher Spaß, verblüffend und tragikomisch, ein Spiel mit Zeiten und Identitäten.


(Klappentext Aufbau Verlag)

  • Taschenbuch: 320 Seiten
  • Verlag: Aufbau Taschenbuch; Auflage: 8 (28. Februar 2011)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 374662696X
  • ISBN-13: 978-3746626963













EIN BUCH WIE EINE UMARMUNG...





Am Vorabend noch hat er auf dem Sterbebett gelegen. Nun erwacht Wolfgang Amadé Mozart an einem unbekannten Ort und - wie ihm nach und nach klar wird - in einer fremden Zeit. Die Ungeheuerlichkeit seiner Zeitreise von seinem Todestag anno 1791 ins Jahr 2006 kann er sich nur mit einem göttlichen Auftrag erklären: Er soll endlich sein Requiem beenden.

Als wunderlicher Kauz und lebender Anachronismus irrt Wolfgang durch das moderne Wien, scheitert an U-Bahntüren und fehlenden Ausweisen. Einzig die Musik dient ihm als Kompass, um sich in der erschreckend veränderten Welt zu orientieren. Zur Seite stehen ihm ein polnischer Stehgeiger, das Mädchen Anju und seine Lust, hergebrachte Harmonien auf den Kopf zu stellen. Doch je länger sich Wolfgang in der fremden Zeit aufhält, desto drängender wird die Frage, was ihn erwartet, wenn er das Requiem vollendet hat.


"Nicht weit von seiner Bettstatt stand ein gläserner Tisch, darauf lag Papier, eine rechte Menge Papier, ein ganzer Stapel gar, weiß wie Jännerschnee und glatt wie feinste Seide. Er strich mit den Fingerspitzen darüber. Paradiesisch glatt, fürwahr, an diesem Ort war nicht zu zweifeln! Eine Feder fand er keine, doch ein Bleyweißstift aus lackiertem Holz und ein anderes Schreibgerät, dessen Beschaffenheit er nicht zu deuten wusste, lagen parat. Er nickte unwillkürlich. Wer auch immer ihn hierhergebracht haben mochte, zeigte überdeutlich, was er von ihm erwartete: dass er sein letztes Werk, sein Requiem, nun vollende, sei dieser Ort ein Schon, ein Noch oder ein Dazwischen." (S. 13/14)


W.A. Mozart
Ich habe ja schon manch ein erstaunliches Debüt gelesen - aber dieser Romanerstling von Eva Baronsky ist etwas ganz Besonderes. Obschon sie den berühmtesten Komponisten der Wiener Klassik in das 21. Jahrhundert versetzt und ihn damit zwangsläufig jeder Menge absurder und skurriler Situationen aussetzt ( Musik ohne Orchester, Fuhrwerke ohne Pferde, Licht ohne Kerzen), gelingt es der Autorin, sich dem Genie mit all seinen überlieferten Verschrobenheiten, seiner verdreht-gekünstelten Sprache, seinen spontanen Einfällen und der sprudelnden Atemlosigkeit seines genialen Geistes auf eine sehr liebevolle Art anzunähern. Bei Baronsky ist Mozart der liebenswerte, verspielte und manchmal lustvoll kindische Leichtfuß, dem Musik über alles geht, der mit dem Geld nicht hauszuhalten weiß, Verpflichtungen eher aus Übermut oder Liebeskummer verschludert denn aus Desinteresse und das Genie, dem Musik aus allem, was ihn umgibt, anzufliegen scheint.


"Wo kommt er eigentlich her?" - "Hat er mir nie gesagt. Weiß ich nur, dass ganze Familie ist tot. Muss passiert sein etwas Schlimmes, vielleicht irgendeine Krieg..." - "Dafür ist er aber reichlich albern." - "Ist psychologisch, glaube ich. Macht er immer Unsinn, wenn ich rede ernst mit ihm. Sagt er verrückte Sätze dann, oder tanzt er herum... Komische Vogel. Aber immer wenn ich höre Musik von Wolfgang, denke ich, ist er kleine Bruder von liebe Gott." (S. 178)


Die Musik zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman - und hier besonders das ominöse Requiem, das Mozart noch auf seinem Totenbett versucht hat zu vollenden - vergebens. Die einzelnen Abschnitte des Buches sind mit den verschiedenen Sätzen der Totenmesse überschrieben, gefolgt von jeweils einigen Zeilen des Gesangs. Besondere Ehrfurcht hatte Mozart seinerzeit bei der Komposition des Requiems vor dem 'Lacrimosa', was auch hier im Roman wieder aufgegriffen wird...


Aber Baronsky gelingt es auf ganz wundervolle Art, zu demonstrieren, wie im Grunde der ganze Mensch Mozart die Musik lebt. Im Roman hört er sich durch die Komponisten, die in den Jahrhunderten nach ihm von Bedeutung waren, stürzt sich aber auch mit großer Begeisterung in alle modernen Musikrichtungen wie den Jazz. Aber auch Gerüche, Eindrücke, Geräusche, Empfindungen übersetzt Mozart in immer unterschiedliche Musik - ein unerschöpflicher Quell immenser Schaffenskraft.


"Zu Hause. Das waren nicht einmal die Menschen, die man Freunde nannte, solange sie einer Welt angehörten, die einem selbst doch immer fremd und verwehrt bliebe. Zu Hause, das konnte nur ein kleiner Ort im eigenen Herzen sein, tief im Innern. Wolfgang atmete lange aus. Er brauchte nicht einmal in sich hineinzuhorchen. Tief in seinem Herzen, tief in seinem Innern war Musik, nichts als Musik, und würde nie etwas anderes sein." (S. 189)


Neben der liebevollen Zeichnung der Charaktere und einem leichtfüßigen, eingängigen Schreibstil ist es die gelungene Mischung aus Tragik und Komik, Melancholie und Humor, die das Buch zu einem wahren Lesevergnügen werden lassen. Ein Buch wie eine Umarmung - eine liebevolle Annäherung an ein Genie, tragikomisch, voller melancholischer Poesie und Musik... Für mich eine absolut bezaubernde Entdeckung!



© Parden










Der Aufbau Verlag schreibt über die Autorin:

Eva Baronsky, 1968 geboren, lebt im Taunus. Für ihren überraschenden und sehr erfolgreichen Debütroman „Herr Mozart wacht auf“ (2009) erhielt sie den Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe. Nach „Magnolienschlaf“ (2011) erschien 2015 ihr dritter Roman „Manchmal rot“.

übernommen vom Aufbau Verlag

Freitag, 29. Juli 2016

Baumm, Stefanie: Unsterblich wie der Tod


Ein Serienmörder treibt in Norddeutschland sein Unwesen. Auf den Leichen der ermordeten jungen Mädchen hinterlässt er die Botschaft: »Für Luisa, in Liebe.« Luisa, das ist die Fotojournalistin Luisa Miller, die sich nicht erklären kann, warum der Mörder gerade sie in sein perfides Treiben einbezieht. In dieser ohnehin schon verwirrenden Lebenslage steht eines Tages plötzlich ein Fremder vor ihrer Tür, der bei einer Autopanne um ihre Hilfe bittet. Sie fühlt sich sofort magisch zu ihm hingezogen – umso mehr, als sie herausfindet, dass es sich um den berühmten Dirigenten Morten Vanderberg handelt. Doch dann macht sie die verstörende Entdeckung, dass er ein altes Frauenporträt besitzt, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihr aufweist. Und Vanderberg gesteht Luisa, dass ihr Zusammentreffen keineswegs ein Zufall war…

(Klappentext Verlagsgruppe Droemer Knaur)

  • Taschenbuch: 384 Seiten
  • Verlag: Knaur TB (1. Mai 2008)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3426637308
  • ISBN-13: 978-3426637302
  • Reihe: Armin Stahl (Bd. 1)












FÜR LUISA, IN LIEBE...



Der Anfang des Krimis ist vielversprechend - eine Reihe von Mädchenmorden hält die Polizei in Atem - und die Fotojournalistin Luisa gleich mit. Einerseits erhält sie immer wieder ominöse, bedrohliche Anrufe eines Unbekannten, andererseits gerät sie  selbst zunehmend in den Fokus der polizeilichen Ermittlungen, denn klar ist: die Morde haben irgendwas mit ihr zu tun. Ist sie die Täterin? Ist sie ein Opfer? Im ersten Drittel des Buches entsteht die Spannung auch durch eine Vielzahl von Andeutungen, die die Fragezeichen im Kopf des Lesers nur so aufploppen lassen. Jeder scheint da seine Geheimnisse zu haben, deren Bedeutung sich einfach noch nicht erschließen will. Die Stimmung im Dorf wendet sich gegen Luisa, denn viele sehen in ihr den Grund für den Tod eines Mädchens und der Tragödie, die das für die Familie der Ermordeten bedeutet. Die düstere Stimmung, die Einsamkeit Luisas, die Verzweiflung - all das hat Stefanie Baumm gut transportieren können.

Doch dann... Doch dann taucht vor Luisas Haustür ein Mann auf, der wegen einer Autopanne um ihre Unterstützung bittet. Nach anfänglichem Zögern entschließt sich Luisa, ihm zu helfen - und rasch fühlt sie sich zu dem Fremden hingezogen. Durch Zufall erfährt sie kurz darauf, dass es sich bei dem Unbekannten um den berühmten Dirigenten Morten Vanderberg handelt. Und dass dieser keineswegs zufällig bei ihr aufgekreuzt ist. Was zunächst als zusätzlich spannende Komponente fungiert, entpuppt sich in meinen Augen jedoch rasch als störender Faktor. Eine Liebesgeschichte entspinnt sich hier, die die Spannung deutlich untergräbt - und ein gewaltiger mystischer Aspekt kommt noch hinzu, auf den ich hier nicht weiter eingehen möchte, der mich ehrlich gesagt jedoch mehr verwirrt denn überzeugt hat. Das ganze wirkte ein wenig, als habe die Autorin sich nicht so recht für ein Genre entscheiden können.

Luisa blieb als Charakter eher blass, und auch wenn ich mir vorstellen kann, dass die Situation, in die sie da geraten ist, bedrohlich und bedrückend ist, ging mir die ständige Heulerei zunehmend auf die Nerven. Ich kann gar nicht mehr sagen, wie oft ihr ein Papiertaschentuch gereicht wurde. Auch die anderen Charaktere, wie z.B. die Kommissare Armin Stahl und Birger Harms, wiesen kein ausgeprägtes Profil auf, sondern sind recht stereotyp und klischeehaft gezeichnet.

Der Schreibstil ist auffällig abgehackt, die Sätze meist kurz und oft unvollständig. Zu Beginn empfand ich das als sehr gelungen, denn dadurch entstand das Gefühl von Atemlosigkeit und rasch hintereinander geschnittenen Szenen, flashlightmäßig aneinandergereiht. Dies trug für mich eindeutig zum Spannungsaufbau bei. Später jedoch, als der Krimi zunehmend mit der Liebesgeschichte sowie mystischen Elementen verwoben wurde, wirkte dieser Schreibstil irgendwie deplatziert. Gestört hat mich in der eBook-Ausgabe außerdem, dass im Text laufend Wörter mit Trennstrichen auftauchten: 'Nä-her-kommen' oder 'Hain-buchen-hecke' sollten hier als Beispiel ausreichend sein.

Trotz der Versuche der Autorin, falsche Fährten zu legen und den Fokus auf wechselnde Verdächtige zu legen, hatte ich nach etwa einem Drittel des Buches zumindest eine Ahnung, wer hinter der Mordserie stecken könnte. Dass diese Ahnung sich letztlich bewahrheitete, war nicht weiter tragisch - aber das Motiv hinter der Tat wirkte auf mich wenig vorstellbar und recht konstruiert, die Auflösung überraschend unspektakulär.

Von Stefanie Baumm alias Alex Berg habe ich tatsächlich schon deutlich bessere Bücher gelesen ('Die Marionette', 'Machtlos', 'Dein totes Mädchen') und bin hier eher enttäuscht. Dennoch werde ich auch dem zweiten Band um die Kommissare Armin Stahl und Birger Harms eine Chance geben - denn ich weiß ja: eigentlich kann es die Autorin besser!


© Parden










Die Verlagsgruppe Droemer Knaur schreibt über die Autorin:

Stefanie Baumm arbeitete viele Jahre als freie Journalistin, bevor sie mit dem Schreiben von Romanen begann. Ihre politisch brisanten Thriller „Machtlos“ und „Die Marionette“ sowie die Romane „Dein totes Mädchen“ und „Tochter der Angst“ erschienen unter dem Pseudonym Alex Berg.

übernommen von der Verlagsgruppe Droemer Knaur

Donnerstag, 28. Juli 2016

Jansson, Tove: Das Sommerbuch


Sophia und ihre Großmutter verbringen den Sommer auf einer winzigen Insel im finnischen Meerbusen. Die beiden streifen umher, plaudern, streiten, stellen Fragen. Zusammen mit ihnen erleben wir eine Welt voller kleiner Wunder – und eine rundum glückliche (Lese-)Zeit.
Tove Jansson, die Autorin der MUMIN-Geschichten, lässt viele ihrer eigenen Erfahrungen in dieses Buch einfließen. Ein poetischer und heiterer Roman, der den finnischen Sommer atmet.

"Es ist fast magisch zu nennen, Tove Jansson schreibt in einfachen Sätzen, gleichzeitig mit viel Nachhall. Die Lektüre ist wie ein Blick in ein klares, reines Gewässer, bei dem man plötzlich in die Tiefe schaut." The Guardian

(Klappentext Bastei Lübbe Verlag)


  • Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
  • Verlag: Bastei Lübbe (Lübbe Hardcover); Auflage: 5. Aufl. 2015 (13. Juni 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Birgitta Kicherer
  • ISBN-10: 3785724985
  • ISBN-13: 978-3785724989
  • Originaltitel: Sommarboken











SOMMERLEBEN...


Tove Jansson - ihre Romane sind stark autobiografisch geprägt...

Tove Jansson ist wohl vor allem durch ihre MUMIN-Geschichten international bekannt. Doch sie schrieb auch zehn Romane für Erwachsene - einer davon ist 'Das Sommerbuch'.

Eine über achtzigjährige Großmutter und ihre sechsjährige Enkelin Sophia verbringen den Sommer auf einer winzigen Schäreninsel im finnischen Meerbusen. Viereinhalb Minuten dauert ein Rundgang um die Insel: Felsbrocken, Gestrüpp, Blumenwiese, Trockengraswiese, Kiefernhain, Moortümpel - das ist in den langen, langsamen Monaten zwischen Frühling und Herbst auf der kleinen Insel ihr eigenes karges und doch so lebendiges Paradies. Sophia und ihre Großmutter stellen Tierskulpturen her, schnitzen Boote aus Rinde, sie sammeln Beeren, Treibholz und Knochen. Sie zeichnen, schreiben, erzählen Geschichten, bauen eine Stadt auf Pfählen im Morast, rudern zu den anderen Inseln hinüber, schlafen und schwimmen und reden.


"Wann stirbst du?", fragte das Kind. Und die Großmutter antwortete: "Bald. Das geht dich aber überhaupt nichts an."



Eine Welt voller kleiner Wunder ist es, die der Leser da mit Sophia und ihrer Großmutter entdeckt. Viele eigene Erfahrungen ließ die Autorin in dieses Sommerbuch einfließen (hinter den beiden Charakteren verbergen sich Toves Mutter und ihre Nichte Sophia), und die Liebe zu diesen Erinnerungen und zu der kleinen Insel ist in jeder Zeile spürbar. Aber auch die Liebe zwischen Sophia und ihrer Großmutter, die sich nur noch mühsam mit Hilfe eines Stockes über die Insel bewegen kann. Oftmals herrscht zwischen den beiden eher ein ruppiger und rauer Ton, aber es ist zu spüren, wie ernst die alte Frau ihre Enkelin nimmt, wie sie sich zu keinem Moment über sie lustig macht oder über sie hinwegsetzt, sondern immer zur rechten Zeit das Richtige zu sagen vermag, sei es auch noch so merkwürdig.


"...und nur noch das Schweigen war da. Schließlich sagte Sophias Großmutter: 'Ich kann ein Lied, das kannst du nicht.' Sie wartete eine Weile, dann sang sie, sehr falsch, weil ihre Stimmbänder verrostet waren: 'Trallali, schmeiß nie mit Kuhscheiß, trallalabumm. Trallalala, weil ich dann zurückschmeiß. Trallalawumm.' 'Was hast du da gesagt?', flüsterte Sophia, weil sie gar nicht glauben konnte, was sie gehört hatte..."


Die beiden Figuren haben mir sehr gut gefallen. Sophia und ihre Großmutter sind zwei unanbhängige, starke Charaktere, die zahllose Diskussionen miteinander führen und sich durchaus auch einmal streiten, doch wenn es darauf ankommt, sind sie füreinander da. Jede der beiden macht sich seine Gedanken, oft über Kleinigkeiten, und als Leser nimmt man so noch einmal wahr, wie sehr Kinder in Staunen verfallen können - und dass das im Alter nicht enden muss. Philosophisches vermischt sich hier mit viel subtilem Humor, der Ton ist meist heiter, die Sprache klar und poetisch.


"Mitten in den Kieswall hatte der Direktor ein großes Schild mit schwarzen Buchstaben gestellt: ~Privat. Betreten verboten.~ 'Wir gehen an Land', sagte die Großmutter, sie war sehr verärgert. Sophia sah sie ängstlich an. 'Das hier ist was ganz anderes', erklärte ihre Großmutter. 'Kein einigermaßen wohlerzogener Mensch geht auf einer Insel an Land, die einem anderen gehört, auch nicht, wenn niemand dort ist. Aber wenn sie ein Schild aufstellen, tut man das, denn das ist eine Herausforderung.' 'Natürlich', sagte Sophia und erweiterte ihre Lebenserfahrung."



Ein Roman, der entschleunigt, der einen tief eintauchen lässt in den langen finnischen Sommer, und der vor Augen führt, dass man auf angenehme Weise auch gemeinsam einsam sein kann. Für mich war das Buch eine wundervolle Entdeckung.


© Parden













Der Bastei Lübbe Verlag schreibt über die Autorin:

Die Autorin und die Künstlerin TOVE JANSSON (1914-2001) ist berühmt geworden mit ihren Mumin-Büchern, die in 35 Länder veröffentlicht werden. Das Sommerbuch ist einer von zehn Romanen, die sie für Erwachsene geschrieben hat. Das Sommerbuch ist ein sehr beliebter Klassiker in ganz Skandinavien, fängt es doch auf so wunderbare Weise den Sommer dort ein.
Tove Jansson wurde für ihre Werke vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis, der höchsten internationalen Auszeichnung für Jugend- und Kinderliteratur der Schwedischen Akademie und zweimal mit dem Finnischen Staatspreis.

übernommen vom Bastei Lübbe Verlag

Mittwoch, 27. Juli 2016

Funke, Cornelia: Tintenherz (1)


 In einer stürmischen Nacht taucht ein unheimlicher Gast bei Meggie und ihrem Vater Mo auf. Er warnt Mo vor einem Mann namens Capricorn. Am nächsten Morgen reist Mo überstürzt mit Meggie zu ihrer Tante Elinor. Elinor verfügt über die kostbarste Bibliothek, die Meggie je gesehen hat. Hier versteckt Mo das Buch, um das sich alles dreht. Ein Buch, das Mo vor vielen Jahren zum letzten Mal gelesen hat und das jetzt in den Mittelpunkt eines unglaublichen, magischen und atemberaubenden Abenteuers rückt, eines Abenteuers, in dessen Verlauf Meggie nicht nur das Geheimnis um Zauberzunge und Capricorn löst, sondern auch selbst in große Gefahr gerät.

Der erste Band der Weltbestseller-Trilogie aus der "Tintenwelt" - ein magisches, zauberhaftes Abenteuer!





  • Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
  • Verlag: Dressler; Auflage: 23 (1. August 2003)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3791504657
  • ISBN-13: 978-3791504650
  • Vom Hersteller empfohlenes Alter: 11 - 13 Jahre
  • Reihe: Tintenwelt-Trilogie Bd. 1





 







 WENN BÜCHER ZUM LEBEN ERWACHEN...






 Die zwölfjährige Meggie wohnt mit ihrem Vater Mo etwas abgeschieden in einem alten Haus. Dort leben sie ihre große Liebe zu den Büchern, und Meggies Vater hat seine Liebe sogar zum Beruf gemacht: er restauriert alte Bücher und gib ihnen ein neues Kleid. Doch eines Nachts steht ein fremder Mann vor der Tür, und Meggie beschleicht schnell eine ungute Ahnung. Mo scheint diesen Mann zu kennen und lässt ihn hinein, doch auch er ist blass geworden. Ohne dass Meggie den Grund dafür erfährt, fliehen sie und Mo am nächsten Morgen Hals über Kopf mit ihrem alten Bus und nur dem notwendigsten Gepäck.


"Die Dunkelheit war blass vom Regen und der Fremde war kaum mehr als ein Schatten. Nur sein Gesicht leuchtete zu Meggie herüber. Das Haar klebte ihm auf der nassen Stirn. Der Regen triefte auf ihn herab, aber er beachtete ihn nicht. Reglos stand er da, die Arme um die Brust geschlungen, als wollte er sich wenigstens auf diese Weise etwas wärmen. So starrte er zu ihrem Haus herüber." (S. 10)



Ziel der Flucht ist das Haus von Meggies Tante Elinor - falls sich bei ihr denn noch ein Plätzchen finden sollte. Denn Elinor ist eine noch größere Büchernärrin als Maggie und ihr Vater: das ganze Haus quillt über vor Büchern. Elinor ist alles andere als begeistert, als die beiden auftauchen, denn sie befürchtet, dass Meggie noch zu sehr Kind ist, um Bücher wirklich zu achten. Aber Mo's Dienste nimmt sie gerne in Anspruch, denn einige ihrer alten Schätzchen können eine Restaurierung gut vertragen. Doch die Reise ist bei Elinor noch nicht zu Ende. Meggie beginnt zu erahnen, dass ihr Vater mehr als ein Geheimnis vor ihr hat, und bald gerät ihre ganze Welt aus den Fugen...


"'Du stehst ja immer noch da', sagte Mo. 'Geh ins Bett, Meggie. Los.' Er hatte diese kleine Falte über der Nase, die nur erschien, wenn ihm etwas wirklich Sorgen machte, und blickte durch sie hindurch, als wäre er mit den Gedanken ganz woanders. Die Ahnung in Meggies Herzen wuchs und spreizte schwarze Flügel." (S. 15)

Ein geheimnisvolles Buch namens 'Tintenherz' spielt hier eine große Rolle sowie ein skrupelloser Schurke namens Capricorn und seine bösen Gesellen. Capricorn, dessen Herz selbst so schwarz wie Tinte ist, versucht mit allen Mitteln, dieses Buch in seine Hände zu bekommen - und Mo gleich dazu. Aber warum? Angeblich besitzt Meggies Vater das letzte Exemplar dieses Buches, und allein deshalb ist es schon eine ungeheure Kostbarkeit. Doch das scheint nicht der wahre Grund für Capricorns Jagd nach 'Tintenherz' zu sein. Als sie von Capricorn schließlich gefangen genommen werden, kommt Meggie allmählich dahinter, was eigentlich los ist - und zweifelt an ihrem Verstand. In die Geschichte eines Buche einzutauchen ist eine Sache. Aber dass Figuren der Geschichte in der Realität auftauchen, ist eine ganz andere. Und doch scheint es hier so zu sein. Und das bringt alle in höchste Gefahr...


"'Es ist ein Traum!', flüsterte er wieder. 'Nur ein Traum. Die Sonne wird aufgehen und alles wird verschwinden. Ja.' Mo musterste ihn, unglücklich und ratlos, wie jemand, der ein Vogeljunges angefasst hat und nun zusehen muss, wie die Eltern es dafür verstoßen." (S. 223)

Eine schöne Geschichte hat Cornelia Funke hier gesponnen. Die Verwebung von Realität und Fiktion erscheint lückenlos und überaus gelungen, die Erzählung in gleichem Maße fantastisch und vorstellbar. Die Autorin lässt dem Leser Zeit, sich in die Geschichte einzufinden und die verschiedenen Charaktere kennenzulernen: Meggie und ihren Vater Mo, die Tante Elinor, den feuerspuckenden Staubfinger und den Jungen Farid, Capricorn und seine Gesellen und noch so manch andere interessante Figur... Gemeinsam mit Meggie kommt der Leser allmählich hinter die bis dahin wohlgehüteten Geheimnisse und fragt sich mit ihr, wie sie aus dem Dilemma wieder herauskommen soll.

Empfohlen wird dieses Buch für Kinder zwischen 11 und 13 Jahren, und doch habe ich mich gefreut, den Beginn der Tintenwelt-Trilogie nun endlich auch gelesen zu haben. Trotz der kindgemäß einfachen und veständlichen Schreibweise ist die Sprache oft bezaubernd und zieht einen in die fantastische Geschichte hinein. Auch wenn die Bösewichte rund um den Erzschurken Capricorn mich gelegentlich in ihrer Naivität an den guten alten Räuber Hotzenplotz erinnerten, geht das Böse hier doch deutlich darüber hinaus. Doch vieles wird nur angedeutet oder berichtet, so dass die Schrecken selbst sich in Grenzen halten, der Leser aber dennoch von einer düsteren Aura ergriffen wird. Dies erscheint mir sehr gelungen.

Trotz einiger Passagen, die sich für mich ein wenig zu sehr in die Länge zogen, konnte mich der erste Band der inzwischen so bekannten Trilogie überzeugen. Das Ende der Geschichte ist natürlich nur ein vorläufiges - und so freue ich mich auf mehr aus der Tintenwelt und bin schon sehr gespannt, ob ich dort auch wieder auf alle bekannten Charaktere treffen werde. 'Tintenblut' heißt Band 2, und sicher werde ich bald wieder eintauchen in diese fantastische Welt...


© Parden





Lesung des Buches mit Cornelia Funke


Über die Verfilmung von 'Tintenherz'








Der Dressler Verlag schreibt (auf Englisch!) über die Autoin: 

Cornelia FunkeCornelia Funke is one of the most internationally acclaimed and best-known German authors of children's books; she holds third place on the list of favourite authors published every year by the German Publishers and Booksellers Association, based on the results of a schoolchildren’s survey. Born in Dorsten, Westphalia in 1958, Cornelia Funke successfully completed grammar school and then moved to Hamburg, where she obtained her MA in education. She then worked for three years as a group leader on an activity playground, while at the same time studying book illustration at the Academy of Art and Design in Hamburg (Fachhochschule für Gestaltung).
On completing her studies, Cornelia Funke initially worked exclusively as an illustrator of children’s books – work which inspired her to start writing her own stories for young readers. At 28, then, she became a free-lance author and illustrator. She has meanwhile written over 40 books. Her spectrum spans picture books and first reading and children’s books to her full-scale novels for older readers. As the author has a special gift for reading aloud, she also records many of her own books as “audio books”.
Cornelia Funke lives with her family in Los Angeles.
Cornelia Funke made her international breakthrough with the novel The Thief Lord, which takes readers to Venice in winter and became a sensational success in the USA and Great Britain. The British newspaper The Guardian celebrated The Thief Lord as a “German gem, comparison with which English children’s authors ought to fear.” Her hit novels Dragon Rider and The Thief Lord have now been made into international films.                    

Dienstag, 26. Juli 2016

Vossius, Corinna: Seh' ich aus, als hätt' ich sonst nichts zu tun?


Als Helga ihre verwitwete Tante Beate »erbt«, die ­niemand sonst aus der Familie haben will, bleibt auf der norwegischen Insel Setersholm nichts, wie es war. Denn Beate hat ihren eigenen Kopf. In dem geht es manchmal etwas durcheinander, und sie ist partout nicht davon abzubringen, Hühner aus einer Hühnerfarm retten zu wollen und mit selbstgestrickten Mützen und Schals zu beglücken. Doch als es darauf ankommt, ist es Tante Beate, die Helga zeigt, was im Leben wirklich zählt und wann es sich zu kämpfen lohnt.

(Klappentext Verlagsgruppe Droemer Knaur)

  • Broschiert: 288 Seiten
  • Verlag: Knaur TB (3. August 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3426517434
  • ISBN-13: 978-3426517437
















LEBENSTRÄUME?




Helga wächst in einem kleinen Kaff an der ehemaligen ostdeutschen Grenze auf - der Vater betreibt eine KfZ-Werkstatt, in der Helga gelegentlich aushilft, die Mutter arbeitet in einer Kantine und hat danach keine Lust mehr aufs Kochen, und Helgas Schwester, etwas älter als sie und hübscher obendrein, angelt sich einen Mann nach dem anderen, während Helga ein einsames, sehnsuchtsvolles Dasein fristet. Doch dann taucht plötzlich Trond auf - ein durchreisender Norweger, der mit seinem verrosteten R4 eine Zwangspause in der Werkstatt von Helgas Vater einlegen muss, und da die Ersatzteile für den Wagen erst bestellt werden müssen, logiert Trond für einige Tage in dem kleinen staubigen Zimmer über der Werkstatt. Helga und der Norweger kommen sich näher, heimlich, und in dem jungen Mädchen explodieren die Gefühle.

Eigentlich ist Trond auf dem Weg nach Polen, auf der Suche nach einer Ehefrau - denn auf der einsamen kleinen Insel vor der norwegischen Küste gibt es keine Einheimische, die es mit ihm aushalten würde. Doch als sich Helga nach erfolgreicher Reparatur des R4 mit gepackter Tasche kurzentschlossen auf den Beifahrersitz setzt, als Trond weiterreisen will, zuckt dieser ergeben mit den Schultern und wendet. Helgas Leben bekommt eine neue Richtung - weg aus dem kleinen Kaff, in dem das Leben vorgezeichnet scheint und hin zu ihrer großen Liebe nach Norwegen.

Doch das Leben hält oft nicht, was man sich davon verspricht. Die kleine (fiktive) Insel Setersholm bietet ein hartes, tristes Dasein, geprägt von rauem Klima und noch raueren und kleingeistigen Bewohnern - und das raue Klima herrscht bald auch im winzigen Häuschen von Helga und Trond. Der Mann lieblos und egoistisch, ein tagträumender Nichtsnutz, der die Enttäuschungen des Daseins mit viel Alkohol herunterspült - die ganze Arbeit seiner immer neuen Projekte dagegen bleibt an Helga hängen. Als sich selbst der Kinderwunsch nicht erfüllt, hört Helga auf, an Träume zu glauben, sondern funktioniert nur noch, tagein, tagaus. Dreimal fährt sie noch in ihr Heimatdorf: einmal zur Beerdigung ihres Vaters, dann zu der ihrer Mutter und schießlich zu der ihres Onkels Karl, der früher immer dafür gesorgt hatte, dass es auch Lösungen zu den Problemen gab, die das Leben bereithielt. Doch nun stellt sich heraus, dass er Helga selbst ein Problem hinterlässt: seine Frau, Tante Beate.

Tante Beate kann nämlich aufgrund einer fortschreitenden Demenz nicht mehr alleine leben, und für ein gutes Heim fehlt einfach das Geld. Notgedrungen nimmt Helga ihre Tante mit nach Setersholm und sorgt damit dafür, dass das Leben dort gehörig auf den Kopf gestellt wird. Denn Tante Beate hat ihren eigenen Kopf, und von ihren oftmals recht skurrilen Ideen lässt sie sich einfach nicht abbringen. Hühner aus einer Hühnerfarm zu retten, Schals und Mützen für das Federvieh zu stricken und frühmorgens in dem eisigen Meer ein paar Bahnen zu schwimmen sind nur einige der Einfälle, die Helga das Leben zusätzlich erschweren. Doch ganz allmählich bringt die Tante die junge Frau dazu, über ihr eigenes Leben nachzudenken. Und sie begreift allmählich, wofür es sich zu kämpfen lohnt...

Kein Glanzbild Norwegens erwartet den Leser hier, und ebenso kein heiterer Urlaubsroman. Doch ein angenehm zu lesender, von Humor geprägter und gleichzeitig nachdenklicher Roman, der eigensinnige und doch sympathische Charaktere bereithält - Alltagsheldinnen, die dem Leben Möglichkeiten abtrotzen, wo es eigentlich keine gibt. Die Geschichte ist amüsant und interessant aufgebaut, der Schreibstil eingängig und flüssig zu lesen - ein Buch für einen ruhigen Nachmittag.

In ihrem Debüt lässt Corinna Vossius, die als Deutsche seit 1999 in Norwegen lebt, eigene Erfahrungen einfließen - nicht nur die als Auswanderin in Norwegen, sondern auch die, die sie als leitende Ärztin im Umgang mit alten Menschen mit Demenzerkrankungen gemacht hat. Dies trägt sicher dazu bei, dass das Geschehen im Roman bei aller gelegentlichen Skurrilität glaubhaft und authentisch wirkt.

Obwohl ich aufgrund von Cover und Klappentext etwas Heitereres etwa im Stile der Bücher von Dora Heldt erwartet hatte, hat mich das Buch nicht enttäuscht. Die oftmals etwas düstere Note, die hier mitschwingt, verleiht der Erzählung in meinen Augen mehr Tiefe ohne zu dramatisieren - eine Mischung, die mir zugesagt hat.

Insgesamt sehr angenehm zu lesen und einmal mehr eine Ermutigung, dass es auch auf der Schattenseite des Lebens lohnt, für seine Träume zu kämpfen...



© Parden












Die Verlagsgruppe Droemer Knaur schreibt über die Autorin:

Corinna Vossius, 1963 in Darmstadt geboren, lebt seit 1999 mit ihrem Mann und den zwei Töchtern in Norwegen. Zurzeit arbeitet sie als leitende Ärztin des städtischen Gesundheitswesens in Stavanger und hat eine Forschungsstelle zum Thema Demenzerkrankungen. Ihr Debütroman "Seh‘ ich aus, als hätt‘ ich sonst nichts zu tun" basiert auf ihren eigenen Erfahrungen als Auswanderin in Norwegen und im Umgang mit alten Menschen.

übernommen von der Verlagsgruppe Droemer Knaur