Dienstag, 26. November 2013

Frame, Janet: Wenn Eulen schrein


Die Familie des Eisenbahners Bob Withers in der Kleinstadt Waimaru wird von Unglück und Krankheit geplagt: Eine Tochter, Francie, stirbt durch einen tragischen Unfall, eine andere, Daphne, erkrankt psychisch so schwer, dass sie in eine Heilanstalt eingewiesen werden muss, ihr Bruder Toby hat epileptische Anfälle. Hinter dem Drama der Familie werden aber auch gesellschaftliche Konflikte sichtbar: Kann man im ganz anders gearteten Kosmos Neuseelands einfach die Werte und Bildungsstandards des weißen Europa vermitteln, ohne Rücksicht auf die angestammte Kultur? Vor allem die grandiose, poetische Sprache dieses Romans, seine Fähigkeit, besonders in die Gedanken- und Wahnwelt Daphnes einzudringen, seine menschliche Feinfühligkeit und erzählerische Objektivität machen ihn zu einem Meisterwerk der Literatur des 20. Jahrhunderts. 




So hoffnungslos einsam und trostlos...

(auch veröffentlicht von parden auf Buchgesichter.de am 25.11.2013

 
Waimaru, eine Stadt in Neuseeland, zwischen Südpol und Äquator, 45. Längengrad


Erzählt wird die Geschichte einer armen Eisenbahnerfamilie aus Neuseeland. Bob Withers verdient als Eisenbahner gerade so viel, dass die Familie das Nötigste zum Leben hat, oft genug müssen sie im Laden anschreiben lassen, und neue Dinge sind ein nicht zu leistender Luxus. Vier Kinder leben in dem kleinen Haus in ärmlichen und dreckigen Verhältnissen, sind oft genug aufeinander angewiesen, weil sie überall sonst eher Außenseiter sind.
Hinzu kommt, dass die Familie von Unglück und Krankheit verfolgt wird. Francie,
Armut kennzeichnet die Familie
die älteste Tochter, hat mit 13 gerade die Schule verlassen und ihre erste Arbeitsstelle angetreten, als sie tödlich verunglückt. Daphne, die Zweitälteste, entwickelt eine psychische Erkrankung, die die Eltern schließlich veranlasst, ihre Tochter in eine Heilanstalt zu geben, wo sie jahrelang verbleibt. Der Sohn Toby erleidet epileptische Anfälle und bleibt in der Schule hinter seinen Altersgenossen zurück. Einzig die jüngste Tochter, Teresa, scheint ohne große Narben aufzuwachsen, heiratet dann aber früh und zieht weg aus der Kleinstadt.

 

In zwei Teilen wird das Buch erzählt - einmal über die Geschehnisse rund um den tödlichen Unfall von Francie, das Leben der Kinder und der Familie, die Ärmlichkeit, der Dreck, die Suche nach Schätzen auf der Müllhalde - und einmal 20 Jahre später über das Erleben einzelner Familienmitglieder, ihre Tätigkeit, ihre Ziele, ihr Denken, ihre Gefühle, ihre Pläne für die Zukunft.
Dabei ereignet sich nichts von wirklicher Bedeutung, jeder scheint gefangen in seiner Welt, tagein tagaus derselbe Ablauf, alles vorhersagbar, so wie es war von Anbeginn aller Zeiten. Vieles wird nur angedeutet, angerissen, alles verharrt stumpf in einer resignierten Verzweiflung - es wird sich doch nichts ändern. Die Bemühungen, dem Leben einen Sinn zu geben, eine andere Bahn, wirken hilflos und traurig. Geld anzuhäufen und dabei nach wie vor vom Müll zu leben versucht der eine, ein krampfhaftes Buhlen um gesellschaftliche Anerkennung die andere: "Was kann ich mehr vom Leben verlangen, als gern gesehen und beliebt zu sein." Die einzige, die die Verlogenheit und Vergeblichkeit der Bemühungen zu durchschauen scheint, ist ausgerechnet Daphne, die, sprachlos zwar und seit Jahren weggesperrt, dafür aber ungeheuer klarsichtig hinter die Dinge zu schauen vermag.

 

Unterstrichen wird die hoffnungslose Einsamkeit jedes einzelnen Familienmitglieds durch die besondere Sprache Janet Frames. Poetisch aber nicht lieblich, dafür voller Metaphern und meist düsterer Bildhaftigkeit. Selbst sonst oft positiv besetzte Dinge wie die Sonne oder das Meer bekommen hier eine düstere Ausstrahlung bis hin zur Bedrohlichkeit.
Manche Kapitel, meist dann wenn von Daphne die Rede war, gerieten sprachlich nahezu ins Surreale, weil die Autorin dort dem Mädchen in die psychische Erkrankung folgt. Das waren Momente äußerster Bedrückung für mich, sowohl was die angedeuteten Erlebnisse anbelangt (Elektroschocks, Isolierung) als auch die wirre und gleichzeitig real wirkende Gedankenwelt Daphnes. Aber stellenweise war der Text für mich auch einfach unverständlich, selbst nach mehrfachem Lesen der Passagen erschloss sich mir deren Sinn nicht wirklich.

 

Nachhaltig bedrückend wird der Text mit dem Hintergrundwissen, dass die Autorin viele autobiographische Bezüge in den Roman eingearbeitet hat. Auch Janet Frame stammte aus einer armen Eisenbahnerfamilie in Neuseeland und verbrachte viele Jahre in der Psychiatrie. Sie galt zu Unrecht als schizophren.  
Hier gibt es mehr Informationen zu ihrem Leben...
 


Insgesamt hat mich der Roman eher beeindruckt als bezaubert. Die Sprache ist beachtlich - nicht umsonst wurde Janet Frame seinerzeit auch für den Nobelpreis nominiert.
Doch diese hoffnungs- und trostlose Einsamkeit eines jeden Einzelnen will auch erst einmal ertragen werden. Mir fiel es manchesmal recht schwer...


 

© Parden












Janet Frame wurde 1924 in Neuseeland als drittes von fünf Kindern eines Eisenbahnarbeiters geboren. In ihrer Familie häuften sich tragische Ereignisse. George, ihr Bruder, litt an einer schweren Epilepsie, zwei ihrer Schwestern, Myrtle und Isabelle, ertranken. Bei ihr selbst wurde fälschlicherweise Schizophrenie diagnostiziert, weshalb sie acht Jahre, von 1947 bis 1954, in Nervenheilanstalten verbrachte, wo sie mit 200 qualvollen Elektroschocks "therapiert" wurde. Die Erinnerungen an diese Zeit verarbeitet sie 1961 in ihrem Roman "Gesichter im Wasser" (Faces in the Water).
Sie schrieb insgesamt elf Romane, wie „Wenn Eulen schrein“ (Owls do cry), einige Kurzgeschichtensammlungen, eine Poesiesammlung und ihre Autobiographie "Ein Engel an meienr Tafel" (An Angel at my Table), die von Jane Campion 1990 verfilmt wurde. Im Jahr 2003 galt sie als eine Anwärterin auf den Literaturnobelpreis. Am 29. Januar 2004 starb sie im Alter von 79 Jahren an Leukämie.




 

Trailer zu "An Angle at my Table" von Jane Campion







Samstag, 23. November 2013

Findeisen, K.A.: Flügel der Morgenröte



Vierzig Jahre Dresden im 18. Jahrhundert
Von den Befreiungskriegen bis zur Revolution 1848.
► auch unter Dresdner Bücherjunge 

Es ist schon viele Jahre her, dass ich auf eine besondere Empfehlung hin, ein Buch dieses ► Kurt Arnold Findeisen las. Über Der Goldene Reiter und sein Verhängnis" wird aber an anderer Stelle noch die Rede sein. Vorerst genügt der Link zur ► Buchgeschichte.

Hier nun ein weiterer Dresden-Roman dieses Schriftstellers. Er lebte von 1883 bis 1963 und wurde in Zwickau geboren.  Er war Lehrer und Krankenpfleger, Leiter der Schulfunkabteilung des Mitteldeutschen Rundfunks (1931) bis zu seiner Entlassung 1933.  Er schrieb über ► Karl Stülpner, ► Robert Schumann, ► Franz Schubert, ► Brahms, ► Bach, ► Händel und ► Johann Strauß. Texte von Findeisen wurden von ► Rudolf Mauersberger im ► Weihnachtszyklus der Kruzianer vertont. Spätestens hier wird nun klar, der hat mit Dresden unmittelbar zu tun.[1] Großartig bekannt ist er wohl nicht. Ums so mehr ist dies ein Grund, sich mit Findeisen näher zu beschäftigen.

Doch kommen wir erst einmal zu den Flügeln der Morgenröte. Nein, auf den Psalm 139 möchte ich nicht eingehen, vielleicht muss ich auch das Buch noch einmal lesen, denn mir will schier nicht einfallen, ob ich diesen Bezug gefunden hatte…

Zur Geschichte:
Wir schreiben das Jahr 1812. Über die Augustus - Brücke schlendert ein kleiner pfeifender Junge. Er zieht ein Holzpferdchen auf Rädern hinter sich her. Doch plötzlich, oh Schreck: Ein älterer Herr mit sonderbarem Regenschirm, der Schirm besitzt Fenster, stolpert über das Spielding. Sein Diener tritt es erbost mit großem Stiefel mitten entzwei. Da steht der Roßbändiger[2] nun und betrachtet den Schaden. Doch kurz entschlossen nimmt er die nun nutzlosen Teile und schwupps, dürfen sie gen Hamburg schwimmen. Meinetwegen auch erst mal bis Meißen. Das gefällt dem alten Herrn, er kauft im Laden des Antiquitätenhändlers Bogenhardt dem Knaben einen schneeweißen Schimmel aus Meißner Porzellan.
"Herr Bogenhardt ringt die Hände: 'Aber Durchlaucht, vieux saxe, erste Wahl, ohne den kleinsten Makel, als Spielzeug für Kinder!'…"[3]
Eine solche Tat, wie auch den Parapluie mit Fensterchen nennt man in Dresden einfach nur "Stil Putjatin"! Punkt!

Quelle
Wer der Alte ist? Angeredet wird er mit "Eure Durchlaucht" womit klar ist, das ist ein Fürst. Ein russischer, steinreicher, es ist  Fürst  Николай Абрамович Путятин aus der Dynastie der Rurikiden, geboren 1749 in Kiew und gestorben in, nein, so weit sind wir noch nicht. (Wenn ich so weitermache, dann kommt dieser Post nie zu seinem glücklichen Ende). Dass der Fürst nicht nur für den Gustel Sinngrün, so heißt der Kleine, von gewisser Bedeutung war, sieht man daran, dass es in ► Kleinzschachwitz das ► Putjatinhaus gibt.


1812: In Dresden trifft L`Empereur ein. Er zeigt sich mit seiner königlichen Hoheit von Gottes, nein von seiner französisch-kaiserlichen selbst Gnaden und Hand, dem ► König Friedrich August I.  und beabsichtigt, mit Hessen, Sachsen, Polen… und hinterdrein mit seinen Franzosen gen Rußland zu ziehen. Dass er sich dort binnen Jahresfrist kalte Füße holen wird, ahnt der Kaiser der Franzosen noch nicht. Unser Gustel darf den Einzug über die bereits genannte Brücke auf Einladung von Fürst Putjatin von der Brühlschen Terrasse aus bewundern.

Statt der Schlacht von Dresden im Jahr darauf, sehen wir Gustel die Rutschbahn in des Fürsten Domizil ausprobieren überhaupt hat der Kleine illustre Freunde. Seine Mutter? Das ist Philine, eine kleine zarte Näherin, die einst einem draufgängerischen Wachtmeister der Kürassiere in die Quere kam, der ließ den Gustel zurück. Ach ja, Sinngrün hieß er…
Philine liebt den Sohn des bereits genannten Antiquitätenhändlers, Julius, der dann zu den Lützowern geht.

Im Jahr 1815 sieht unser inzwischen zehnjähriger Junge die Rückkehr des Königs, der ja verbannt gewesen. Die Sachsen jauchzen ihm zu. Ausgenommen Julius, der merkt bereits, dass die Fürsten den Krieg gewonnen haben und nicht die Völker. Doch das ahnen auch zwei bekanntere Herren. Die stehen vor einer Staffelei und betrachten ein Gemälde welches "Gräber gefallener Freiheitskrieger" heißt.



Carus
C.D. Friedrich

Wie bezeichnend. Und der Maler fragt den Arzt: "Ist Ihnen in den letzten Jahren nicht auch manchmal der Gedanke aufgestiegen, die Helden der sogenannten Freiheitskriege wären umsonst gefallen?"[4]CasparDavid Friedrich fragt dies den Doktor der Medizin ► Carl Gustav Carus[5], während unser Gustel ein paar Seiten weiter mit Johann Karl Gottfried Reichard[6], dem deutschen Chemiker und Luftschiffer in einem Ballon davon schwebt.

Als nächster tritt ein bekannter Musiker, der Herr Hofkapellmeister ► Carl Maria von Weber, in unsere Geschichte. Der übt in seinem Garten an der Bautzner Landstraße das Schießen. Denn vor kurzem hat ein entlaufener Soldat den Porträt- und Historienmaler ► Gerhard von Kügelgen ermordet. Droben an der Mordgrundbrücke. Es ist die Zeit, in die die Premiere der deutschesten aller deutschen Opern fällt: "Durch die Wälder, durch die Augen, zog ich leichten Sinns dahin..."   
Dieses Werk "… hatte beim Publikum jubelnden Beifall gefunden, dem der der Presse sich anschloß. Seit Mozart und Beethovens 'Fidelio' sei für die deutsche Oper nichts Bedeutenderes geschaffen worden, begeisterte sie sich und meinte damit in erster Linie die volkstümliche, aus Waldgeheimnis und Märchenzauber gewobene Musik, mochte aber auch dem aus überlieferter Volkspoesie vom Dresdner Advokaten Kind vortrefflich zusammengebrauten Text ein Sonderlob nicht vorenthalten. als im Januar des darauffolgenden Jahres auch die Intendanz des Dresdner königlichen Theaters nicht umhin gekonnt hatte, das Opus des heimischen Kapellmeisters in würdiger Besetzung aufzuführen, kam auch hier ein außergewöhnlicher Erfolg zustande, auf den sich besonders der stark von sich eingenommene Textdichter viel zugute tat."[7]

Schon sehen wir in das Jahr 1830. Der russische Fürst und Kinderfreund, der Gute, hat das Zeitliche gesegnet. Mit ihm geht wohl eine Epoche zu Ende:

Putjatin
"Die Gedanken vieler ernster Menschen, die sich von seinen Absonderlichkeiten nicht beirren ließen, die ihm aber in Dankbarkeit und Verehrung unlösbar verbunden waren, haben ihm auf dieser seiner letzten Reise das Geleit gegeben. Es ist ihnen gewesen, als gleite mit dem schwarzen Schlitten über endlose Schneewüsten der letzte Vertreter einer Epoche aus der Welt, die in den Angeln einer launischen Willkür hing und die sich ebenso barock in ihren Tugenden wie in ihren Lastern gezeigt hatte. Aber auch diese Epoche, befähigt, das irdische Leben aufzufassen nicht als Last, nicht als Pflicht, nicht als Forderung, sondern lediglich als spiel von tausend Bevorzugten auf den gewalttätig gestauchten Rücken von Millionen Benachteiligten, auch dieses Gaukelspiel mit seinen Fratzen, Larven und Verzerrungen war ja wohl nötig gewesen, um Kommendem, Gerechterem, Menschenwürdigerem als Stufe zu dienen und neue Morgenröten ahnen zu lassen."[8]

(Na? Haben die Romanschreiber vor nunmehr siebenundfünfzig Jahren nicht unglaubliches feines Deutsch geschrieben?)

Nun beginnt des Buches dritter Teil.  

Schubert
Gustav ist ein junger Mann geworden. Er hegt revolutionäre Gedanken, geprägt von Onkel Julius. Vorerst aber studiert er bei keinem geringeren als dem Professor ► Andreas Schubert.[9] Mit dem wird er Großes erleben. Mit 24 Jahren wird Schubert zu Professor gemacht, als der er z.B. Maschinenkunde und Brückenbau unterrichtet. Gemeinsam bauen Sie nicht nur einen Dampfer für die Elbe und begründen so die Weiße Flotte, "Königin Maria" heißt das erste Schiff.  Schubert konstruiert die ► Saxonia,  die erste deutsche Dampflock. Zugegeben, Schubert und Sinngrün fahren dem ersten Zug von Leipzig nach Dresden, der von zwei englischen Lokomotiven gezogen wird hinterher. Dabei zertrümmern sie eine Bahnschranke. Wieso das, wird der Leser fragen? Tja, die Schranken standen damals quer zum Schienenstrang. Und auf eine andere Lokomotive fahren sie auch noch auf und produzieren so vermutlich den ersten deutschen Bahnbetriebsunfall.

Saxonia

Ihr Meisterstück wird aber die ► Göltzschtalbrücke, ein Riesenziegelbau für die Eisenbahnstrecke in Richtung Süden. Doch fertig wird sie erst viel später, da ist der Gustel schon im Exil in der Schweiz.


Göltzschtalbrücke

Wen lernen wir noch so kennen? Da ist zum Beispiel der Dichter der Romantik ► Ludwig Tiek, der Leserunden veranstaltet. Da finden wir auch den Carus wieder, welcher den Goethe selber kannte, dessen Faust kommt in einer solchen Runde zu Wort: "Ein Sumpf zieht am Gebirge hin..."

Richard Wagner in Dresden. Begeisterungsstürme für seine Oper ► "Rienzi". Die passt in eine solche stürmische Zeit, Ende der vierziger Jahre in Deutschland. Wir lernen auch ► Bakunin und ► August Röckel kennen.
Gustav versucht das Vermächtnis seines Onkels Julius zu erfüllen: Zu kämpfen für das 1815 verratene Volk. Immer noch besteht der Deutsche Bund aus lauter Fetzen deutscher Länder. ► Robert Blum!Weberaufstand!
Gustav mit Wagner auf dem Turm der Kreuzkirche. Unter ihnen Barrikaden. Aber sie müssen fliehen. Die Fürsten restaurieren ihre Macht. Aber auch die Arbeiterbewegung entsteht. (► Revolution in Dresden)


Barrikadenkampf auf dem Neumarkt Quelle

Das Buch schließt mit Briefen zwischen dem Professor und seinem Ingenieur in den Jahren 1851. Gustav Sinngrün lebt nun mit Frau und Kindern in der Schweiz. Viele Zeilen in den Briefen lassen Gelesenes noch mal aufleben. Die Göltzschtalbrücke, die Saxonia und natürlich  Николай Абрамович Путятин.

"Jener wunderliche alte Russe, der Einfluß auf meine Entwicklung gehabt hat, offenbarte den Reichtum seines Herzens nicht zuletzt dadurch, daß er sich bei allen Gelegenheiten als hemmungsloser Freund der Jugend, vor allem der Kinder, betätigte und so bereits bei Lebzeiten einen Ruf genoß, der ans Sagenhafte grenzte."
(Brief von Ing. Gustav Sinngrün an Prof. Schubert am 15.08.1851)

* * *

Es ist natürlich ein Geschichtsbuch, dass der Findeisen hier geschrieben hat. eins der kurzweiligen Art. Er verbindet eine fiktive Hauptperson mit Personen der Zeitgeschichte. durch diesen Kniff erscheinen dem Leser, der Leserin die langen Ausführungen zu politischen Gegebenheiten der Zeit alles andere als langweilig, werde diese doch oft durch eben diese Personen wiedergegeben, von denen ich  eine ganze Menge nicht aufgezählt habe. Weggelassen habe ich auch die Familie unseres Gustel und auch, dass er natürlich, wenn auch spät, seine große Liebe findet. Erster Gratulant bei der Geburt des Sohnes? Richard Wagner.

* * *

Uns begegnen zumeist liebenswerte Figuren. Selbst die skurilen Typen, die sich da um einen Schnupftabakstammtisch versammeln und wie heute am Biertisch die aktuelle Politik "besprechen", sind gut vorstellbar. Man kann sie gestickulieren sehen, wie sie über den verbannten König und dann über seine rückkehr disputieren. Oder über die aufrührerischen Zustände im Vormärz. Wie dem Gustel Sinngrün begegnen wir vielen über viele Jahre hinweg. Vielleicht ist hier und da sogar einer als historische Person nicht erkennbar. Wer weiß schon, welche Dokumente der Autor so alle gewälzt hat. Die Figuren entstammen allen möglichen Schichten, alte Handwerker, Beamte, ehemalige sodaten, Händler, allen voran die Wirtin aus dem Bienenstock in der Frauengasse Tante Ludowika - Beschützerin der Philine und ihres Söhnchens. 

* * *

Die Sprache ist für den heutigen Leser vielleicht sogar gewöhnungsbedürftig. So etwas findet man heute kaum noch. eine solche Lust am Schreiben spürt man heute selten. Wenn ich überhaupt einen Vergleich wage, dann fällt mir hierzu ► Patrick Süskind und ► Das Parfum ein. Der beschreibt die Düfte, dass man förmlich einatmet und schnüffelt. Oder um bei Dresden zu bleiben: ► UweTellkamp mit den Beschreibungen der Gegend um den Weißen Hirsch in seinem Roman ► Der Turm.

Findeisen spielt mit den Adjektiven, zum Beispiel als er erzählt, wie Carus sich über die Augustusbrücke kämpft um bei der schlimmen Flut zu einer königlichen Prinzessin zu gelangen, welche gerade entbunden hat.

Dazu hier mal eine Kostprobe:
GROSSE FLUTEN

Tagelang anhaltende Regengüsse, durch die erfahrungsgemäß im Frühjahr die Landstraßen in Moräste verwandelt wurden, hatten den Medizinalrat Carus bewogen, seine Reise in die Lausitz, wohin ihn seine weitverbreitete Praxis beordert hatte, nicht mit eigenem Pferd und Wagen auszuführen. Er hatte sich zum Besuch einer schwer erkrankten adligen Patientin, die ein Schloß bei Bautzen bewohnte, von einem Fuhrwerksbesitzer der Neustadt fahren las­sen. Auf dieselbe Weise zurückkehrend, waren bereits hier und da stark angeschwollene Wasserläufe zu überwinden gewesen. Als er, bei den Stallungen seines Rosselenkers hinter der Dreikönigskirche angekommen, seinen Weg nach der Brücke einschlug, bemerkte er an der Aufgeregtheit der Leute, daß etwas Außergewöhnliches im Gange war. Daß die Elbe alljährlich nach Eisbruch und Schnee­schmelze und nach reichlichen Märzniederschlägen mächtig anzu­schwellen pflegte, war man gewöhnt. Auf die ungestüme Art aber, mit der sie diesmal ihre Hochflut herangewälzt hatte, und die hem­mungslose Gewalt, mit der sie auf beiden Seiten über die Ufer trat, konnten sich die ältesten Einwohner nicht besinnen. Als Carus sich dem steinernen Blockhaus zur Rechten der Brücken­auffahrt näherte, mußte er bemerken, daß bereits ein Teil des Brückenkopfes überschwemmt war. In den benachbarten Gebäuden, dem Narrenhäusel und den dahinterliegenden Baulichkeiten, so zum Beispiel in dem Saturnhaus, wo sich ehedem Bogenhardts Antiquitätenladen und Uhrengeschäft befunden hatten, standen Keller und Erdgeschoßräume schon unter Wasser. Eine unüberseh­bare Masse Menschen staute sich hier, wo überall schnell errichtete Notübergänge und Plankenstege von eiligen Wellen unterspült wurden. Der Zugang zur Brücke, die nur noch mit ihrem gebogenen Rücken der Flut entragte, war durch Militär abgesperrt. Dem Arzt fiel es aufs Herz, daß seine Angehörigen drüben in der Altstadt sich um ihn ängstigen würden. Auch hatte ein Besuch im Schloß bei der Prinzessin Johann, die vor drei Tagen von einer Tochter schwer entbunden worden war, in der Absicht seiner leib-iirztlichen  Verpflichtung  gelegen.  Wie  aber  sollte  er  hinüber­kommen? Da entdeckte er mitten in der Menge einen weißhaarigen, ihm gut bekannten Oberbibliothekar. Mit dem besprach er sich, worauf der alte Herr sich erbot, ihn ins Blockhaus zu geleiten, wo der ihm be­freundete Kriegsminister seine Amtszimmer hatte.  Glücklicher­weise war dieser, dem der hochangesehene königliche Leibarzt kein unbekannter, persönlich anwesend. Kaum hatte Carus die Absicht von fern angedeutet, der Prinzessin einen Krankenbesuch abzustatten, als der Minister ihn selber zur Sperrkette brachte und, mit auf Brettern und Planken balancierend, die äußersten Wachtposten instruierte. Ob er dem Herrn Medizinalrat einen Pionier zur Be­gleitung mitschicken solle, fragte er nach einem bedenklichen Blick auf das Wasserwesen da draußen. Als das Angebot dankend ab­gelehnt worden war, entließ er den unerschrockenen Zivilisten mit einem   anerkennenden  Händedruck:   „Mögen  Sie  gut  hinüber­kommen!"


"Die Woge" von tobias Stengel auf einem Pfeiler der Augustusbrücke

Der Arzt, als einziger Mensch auf die umtoste Brücke hinaustre­tend, sah nun wohl, daß ihm ein Abenteuer zubereitet war, das von der gelehrten Ordnung und dem vornehmen Behütetsein seines bis­herigen Lebens unheimlich abstach. Vor ihm wirtschaftete unab­sehbar eine einzige, den weiten Raum bis zu den verschwommenen Umrissen der Altstadt füllende und beherrschende gelbe Flut, die gegen die Kanzeln der steinernen Pfeiler wühlte und die runden Ausbuchtungen hier und da mit Schaum überspritzte. Sollte er zu­rück? Nein, das ging ja wohl gegen seine Mannesehre! Es war ihm, wie er nun in der Mittellinie der Brücke dahinschritt, als bewege sich die ganze, leicht ansteigende Fahrbahn mit ihm gleich einem grauen magischen Schiffskörper vorwärts, indes unweit zur Linken und zur Rechten eine Ungewisse, rauschende, feuchtglänzende Masse .sich als zweigeteilte Fläche in geheimnisvollen Strudeln auf der Stelle zu drehen schien. Nicht er schritt auf die Altstadt zu, sondern die Altstadt kam ihm mit schwankenden Konturen entgegen, je mehr er sich der Höhe der Brücke näherte. Hier aber spürte er deutlich - die Strömung schmetterte gerade die Dachbalken eines mitgerissenen Hauses gegen die Brustwehr -, daß das steinerne Gefüge unter seinen Füßen verhalten zitterte. Die Gefahr, mit der er als einziges menschliches Wesen im weiten, farblosen Raum töd­lich allein war, wurde ihm derart jäh bewußt, daß schrittelang sein Herzschlag stocken wollte. Eine Flut unterschiedlichster Gedanken schien ihm das Hirn zu überspülen.
Neben Lebensgefahr und Tod in zerwühlten Bettlaken hatte er oft gestanden und hatte sich berufen gefühlt, dem Fieber unholder Mächte Einhalt zu gebieten. Nun langten die unholden Mächte gleichsam nach seinem Puls. Mit den verborgenen Kräften und In­gredienzien der Erde, des Feuers, des Wassers hatte er sich oft verbündet in der Überheblichkeit seines medizinischen Berufs; nun| ließ zum mindesten eins dieser Elemente ihn mitleidlos seine ele­mentare Überlegenheit spüren. Das Zwischenreich von Leiblichem und Seelischem hatte sein gelehrter Dünkel derart durchforscht zu haben geglaubt, daß es für ihn keinen Zweifel an einer engsten Einheit von beidem mehr gegeben hatte; nun mußte er den bru­talen Panthersprung der vitalen Mächte hinein in die geistigen Regionen als machtloser Zeuge stumm verwinden. Von den „Fortifikationslinien unsres besonderen Daseins" hatte er in Nachfolge seines Meisters Goethe oft gesprochen; die Fortifikationslinien unse­res Daseins, wo vermochte er sich nun ihrer zu versichern? Übri­gens, wer gab sein Buch über die einmalige Erscheinung Goethes in neuer Auflage mit Verbesserungen heraus, wenn die Fundamente eines der achtzehn Pfeiler dieser Brücke zu wanken begannen? Wer setzte seine Studien auf dem Gebiet der Kranioskopie, der Schädelforschung, fort, wer ließ sein als notwendige Ergänzung seines Buches von der Entwicklungsgeschichte der Seele gedachtes | Manuskript „Physis" drucken, „Versuche zur Geschichte des leiblichen Lebens", wenn dieses leibliche Leben etwa aufhörte zu exi­stieren? Wer malte weiterhin Erdlebenbilder, wie er sie sah, wer zum Beispiel verstand es noch außer ihm, das transparente Licht aufgehäufter Eisschollen in Ölfarben glaubhaft zu machen, wenn -

Er hatte die Höhe der Brücke hinter sich. Bedenklicherweise wurde die Fahrbahn jetzt häufiger als vorher von der Flut überstrichen. Zeitweilig schritt er auf überrieselten Steinen. Zur Beruhigung kamen die Konturen der Altstadt immer deutlicher auf ihn zu, die Brühlsche Terrasse, das Schloß, die katholische Hofkirche. Der ekstatische steinerne Anachoret da oben auf der Balustrade der Kirche, fuhr es ihm durch den Sinn, gestikuliert er nicht, als predige er der grauen Wasserwüste? Predigte er etwa gar wie der heilige Antonius den Fischen? Und da, viel näher, rechter Hand vor ihm: das große, vergoldete Kruzifix des fünften Strompfeilers, an dem der überlebensgroße Christus hängt, das fromme Brückenwahr­zeichen! Ragt es nicht wie etwas Unumstößliches aus dem Schwall, ragt es nicht wie ein Prinzip der Unverwüstlichkeit, ragt es nicht wie ein Trost?



Einem Kirchengläubigen in meiner Lage wäre geholfen, mußte er denken, ein solcher würde jetzt mit der Inbrunst seiner Wünsche das Kreuz umklammern, und schon wäre er halb aus der Gefahr. Unsereiner, mußte er denken - und fast war dieser Vorstellung eine winzige Dosis Selbstironie beigemischt -, unsereiner muß sich an den Weltgeist klammern und weiter Schritt vor Schritt setzen, wenn auch immer eiliger, unsereiner muß sich mit dem Prinzip des Meisters behelfen, daß nichts in der Welt ins Nichts zerfallen kann, unsereiner -



In der Mitte das goldene Kreuz (Quelle wiki)

Großer Gott, wankte da nicht das goldene Kreuz, mit dem er sich im Augenblick auf einer Höhe befand? Unwillkürlich machte er ein paar Sätze vorwärts, daß die Pfützen unter seinen Füßen aufspritz­ten. Großer Gott, wurde nicht rechts hinter ihm das allgemeine Rauschen, an das sein Ohr sich wohl oder übel gewöhnt hatte, durch ein dumpfes Gurgeln unterbrochen, das aus gefährlichster Tiefe kam? Verschwand hinter ihm nicht das Kruzifix in der Wasserflut, während ganz deutlich, viel spürbarer als vorhin, das steinerne Gefüge unter seinen Füßen erbebte? Zugleich aber vernahm er einen neuen Lärm, einen Lärm aus der Atmosphäre, einen vom Altstädter Brückenkopf auf ihn eindringenden Stimmenschwall. Die Brühlsche Terrasse, die obersten der Terrassenstufen, die Gangbahn, die rechts bei den Häusern des Italienischen Dörfchens /um Zwingerwall anstieg, war schwarz von Menschen, von Tau­senden von Menschen mit offenen Mündern, wie er immer deut­licher erkannte. Diese tausend Münder schrien ihm entgegen, diese tausend Münder vereinigten sich zu dem Stimmenschwall, der nun aus einer beruhigteren Atmosphäre auf ihn eindrang, indes das Tosen der Wasserwüste hinter ihm mehr und mehr verebbte. Sei­nen letzten Sätzen streckten sich Hände entgegen, Hände, die von Planken her nach ihm faßten, Hände, die aus wankenden Booten kamen. Er erfaßte einige dieser Hände, er wurde von einem Bretter­steg mehr herabgerissen als gezogen, er schwankte in einem Boot, das ihn der Terrassentreppe zusteuerte, er stand, von erregten Menschen umstaunt, umdrängt, umjubelt, auf einer der Terrassenstufen, er atmete tief auf, er war gerettet.



Quelle DNN
Mit wild durcheinanderwirbelndem Gefühl blickte er zurück auf die durchmessene Strecke. Ja, aber wie war das? Die Brücke stand ja noch! Freilich suchte die tobende Flut gierig genug, vielleicht noch gieriger als vorhin, die Brüstungen zu überschäumen und zu überklettern. Noch immer stemmte sich die Bahn der Brücke wie ein Stauwehr dem Vernichtungswillen des Elements entgegen. Je­doch das Kruzifix? Das blieb verschwunden, das hatte die Flut tatsächlich verschluckt und mit ihm die steinerne Ausbuchtung des fünften Pfeilers samt Geländer und Schilderhäuschen der Wache. Das wurde ihm jetzt, von tausend Stimmen bestätigt, klar. Sonderbarerweise handelte es sich dabei um die Ausbuchtung eines Pfei­lers, welcher der dem Anprall des Wassers abgewandten Brücken­seite zugehörte.

Jetzt erst wurde sich Carus bewußt, daß ihm Schweiß aus allen Poren drang und daß ihm eiskalte Schauer den Rücken hinabrieselten. Er zog seinen Mantel auf der Brust zusammen und bahnte sich einen Weg die letzten Stufen empor. Er gedachte, zunächst einmal seinem in der Borngasse gelegenen Hause zuzueilen, das über die Terrasse mutmaßlich trockenen Fußes zu erreichen war. Nachdem er sich den Seinigen als Lebender präsentiert, würde er von der Stadtseite her ins Schloß zu gelangen suchen. Man hatte ihm be­richtet, daß sogar der Neumarkt überschwemmt sei, daß man aber im Stadtinnern den Verkehr mit Booten notdürftig aufrecht erhalte. So stand dem also nichts im Weg. Der Plan wurde entsprechend ausgeführt."[10]


So schreibt heute (fast) keiner mehr. Langsam lesen ist hier angesagt. Den Text hab ich zweimal gelesen (und jetzt natürlich noch einmal nach dem scannen), dabei hab ich Bilder der Flut 2002 im Kopf. Zwei Meter Platz noch unter den Brückenbögen. Hatte schon Napoleon den vierten Pfeiler am 19. März 1813 sprengen lassen, wobei die benachbarten Bögen einstürzten, stürzte nun der vierte Pfeiler, der mit dem Kruzifix in die Fluten. Der sechste Pfeiler wurde am 7. Mai 1945 gesprengt. Im Jahr 1949 war sie wieder ganz. Die Jahrhundertflut hat die ► Augustusbrücke, die zwischenzeitlich einmal Friedrich-August-Brücke und später Georgi-Dimitroff-Brücke hieß, im Jahr 2002 heil überstanden.[11] Wie damals für den Mediziner, Maler und Goethefreund Carus konnte nur medizinisches Personal die Brücke passieren. (Men verzeihe mir diese aus- und Abschweifungen, ich wollte was Aktuelles beitragen.)


© KaratekaDD

* * *
Kurt Arnold Findeisen hat dem Thema Deutsche Heimat, für ihn das Vogtland und natürlich Sachsen, sein Hauptaugenmerk geschenkt. Sein Wahlspruch war:
"Die Heimat ist das Herz der Welt!"[12]
Eine schöne Zusammenfassung  einiger seiner Bücher bietet diese Webseite hier ► Geschichte im Roman. Lest mal die Seite ► Warum diese Webseite? Auch wenn ich mich an meinen Geschichtsunterricht gern zurück erinnere, so kann ich das was die Herren Grebestein und Schulz hier vor einigen Jahren geschrieben haben, nur unterschreiben.
Allerdings kann kein Geschichtsunterricht über einen Zeitraum von ungefähr vierzig Jahren so erzählen wie ein Romanautor. Man verfällt in Erstaunen, ob der Recherchearbeit, so ohne Internet.
Ich kann nicht nur, ich muss das Buch empfehlen.

  •  Kurt Arnold Findeisen in der DNB
  •  DNB / Verlag der Nation / Berlin / 1-1956 / ISBN: ohne / 411 Seiten

 © Bücherjunge

[1] aus Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Arnold_Findeisen / 21.11.2013, 20:00 Uhr; Der Stülpner Roman bildete die vorlage für die Fernsehserie des DDR Fernsehens mit Manfred Krug in der Hauptrolle
[2] Nein, das ist kein Schreibfehler, im Jahr 1956 schrieb man noch Roß.
[3] Findeisen: Flügel der Morgenröte, Verlag der Nation, Berlin 1956 - 1. Auflage, Seite 18
[4] Findeisen, Flügel…, Seite 106
[5] Carl Gustav Carus: nach ihm ist die Medizinische Akademie Dresden benannt
[6] Johann Karl Gottfried Reichard (1786 - 1844): Von ihm gibt es noch keinen Wikipediabeitrag.
[7] Findeisen: Flügel…, Seite 139
[8] Ebenda, Seite 163/164
[9] Ein Gebäude der Technischen Universität heißt nach ihm Schubert - Bau.
[10] Findeisen: Flügel…, Seite 280 bis 284
[11] aus Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Augustusbrücke / 22.11.2013, 19:35 Uhr
[12] aus Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Arnold_Findeisen / 22.11.2013, 19:35 Uhr

Freitag, 22. November 2013

Nesbø, Jo: Koma


Der zehnte Fall um Harry Hole: 


Ein junges Mädchen wird tot im Wald gefunden. Sie wurde brutal vergewaltigt. Zehn Jahre später wird an derselben Stelle ein Polizist getötet, sein Gesicht ist grausam entstellt. Eine Sonderkommission ermittelt unter Hochdruck. Doch es geschehen weitere Morde. Die Polizei hat keine Spur, und ihr bester Ermittler Harry Hole fehlt. 
In einem Krankenhaus liegt ein schwerverletzter Mann im Koma. Das Zimmer wird von der Polizei bewacht. Niemand soll erfahren, wer der geheimnisvolle Patient ist. Denn er hat einen Feind. Und der ist überall. 


Spannung pur!









Ein absoluter Pageturner...

(auch veröffentlicht von parden auf Buchgesichter.de am 22.11.2013






Ein junges Mädchen wird tot im Wald gefunden. Sie wurde brutal vergewaltigt. Zehn Jahre später wird an derselben Stelle ein Polizist getötet, sein Gesicht ist grausam entstellt. Eine Sonderkommission ermittelt unter Hochdruck. Doch es geschehen weitere Morde. Die Polizei hat keine Spur, und ihr bester Ermittler Harry Hole fehlt.
In einem Krankenhaus liegt ein schwerverletzter Mann im Koma. Das Zimmer wird von der Polizei bewacht. Niemand soll erfahren, wer der geheimnisvolle Patient ist. Denn er hat einen Feind. Und der ist überall.

 

So schwer wie diesmal ist mir lange keine Rezension gefallen. Denn dieser Thriller ist derart verwoben und schließt so nahtlos an den Vorgänger dieser Reihe an, dass man zum Inhalt kaum etwas schreiben kann, ohne gleich zu viel zu verraten. Denn Band 9 "Die Larve" hörte mit einem solch heftigen Cliffhanger auf, dass es überhaupt fraglich schien, ob diese Reihe noch fortgesetzt werden konnte. Und als Band 10 angekündigt wurde, war die drängendste aller Fragen: lebt Harry Hole - und wenn ja: wie geht es ihm?!
In zahlreichen Rezensionen, die ich zu "Koma" bisher gelesen habe, wird diese Frage leider locker flockig beantwortet, was ich überaus ärgerlich finde. Vor allem, wenn man sie vor dem Thriller selbst liest. Denn das Buch selbst verrät es nicht. Lange jedenfalls. Und dann ist doch alles anders als man denkt... Also am besten vor der Lektüre KEINE REZENSION zu diesem Buch lesen!







Spannend ist der Thriller. Verwoben. Undurchsichtig. Mit zahlreichen Sackgassen, Irreführungen, Wendungen. Düster. Grausam. Manchmal bis zur Grenze des Erträglichen. Gekonnt und logisch konstruiert. Ein Strudel aus Bangen, Hoffen und dunkler Vorahnungen...
Ein Pageturner ist dieses Buch. Ständig lockt Nesbø den Leser auf eine falsche Fährte, oft genug hält man den Atem an und denkt: das gibt es jetzt doch nicht! An manchen Stellen will man gar nicht erst weiter lesen und weiß doch, man muss jetzt wissen, wie es weiter geht. So fliegen die Zeilen vorbei, und spätestens nach zwei Tagen sind die über 600 Seiten ausgelesen. Vergleichbar mit einer Achterbahnfahrt, wo man plötzlich merkt, dass man doch nicht aussteigen kann und die Loopings, die Übelkeit und Angst verursachen, im Fahrpreis inbegriffen sind.

 

In meinem Freundeskreis gibt es noch mehr Fans dieser Reihe, und zu einigen stand ich während des Lesens in Kontakt.

 

Freund: "Ist das nun mit oder oder Harry?"
Ich: "Wird nicht verraten. Selbst lesen macht schlau!" und weiter: "Und es lohnt sich, kann ich echt sagen. Momentan zieht sich echt immer wieder alles zusammen bei mir - Bauchschmerzen, weil Entscheidungen anstehen, von denen keine gut ist. Und Herzjagen weil wieder etwas unerträglich spannend ist, dann plötzlich wieder der freie Fall. Ich muss weiter lesen!"

 

Und als eine Freundin das Buch nach mir las, bekam ich plötzlich eine SMS: "(Name eines Charakters im Buch, wird hier natürich nicht verraten) uuuuuuuhhhhhschluchzuuuuuuhhhh." und Sekunden später noch eine weitere: "...Doofer, doofer Nesbø!"

 

Dies muss an dieser Stelle reichen. Und hat hoffentlich deutlich machen können, dass dieses Buch nicht nur toll zu lesen ist. Es ist ein ERLEBNIS!

 

Wirklich ein Muss für jeden Thriller-Fan - allerdings mit der kleinen Einschränkung, dass man zumindest ein oder zwei direkte Vorgänger dieses Bandes gelesen haben sollte, um wirklich alle Zusammenhänge begreifen zu können.


 

© Parden




 









Und hier zur besseren Übersicht noch einmal alle Fälle Harry Holes in chronologischer Reihenfolge:
  1. Der Fledermausmann
  2. Kakerlaken
  3. Rotkehlchen
  4. Die Fährte
  5. Das fünfte Zeichen
  6. Der Erlöser
  7. Der Schneemann
  8. Der Leopard
  9. Die Larve
  10. Koma







Jo Nesbø

Jo Nesbø wurde am 23. März 1960 als Sohn einer Bibliothekarin in Oslo geboren. In seiner Jugend wollte er Profi-Fußballer werden, musste diesen Traum aber nach einigen Kreuzbandrisse aufgeben. Nach der Schule begann er eine Ausbildung als Diplom-Kaufmann nd Finanzanalyst an der Norwegischen Handelshochschule Bergen. Anschließend war er als Makler und Journalist tätig und konzentrierte sich auf seine musikalische Karriere als Sänger und Komponist der Popgruppe »Di Derre«, die er schon 1992 gemeinsam mit seinem Bruder Knut, sowie Magnus Larsen jr. und Espen Stenhammer gründete. Bereits 1999 brachte Ullstein sein erstes Buch, »der Fledermausmann«, in deutscher Übersetzung heraus, wofür er u.a. den »Riverton-Preis« erhielt. Für das Hörbuch seines Buches »Leopard« erhielt er 2010 den »Corine«. Hauptperson seiner bisherigen Kriminalromane ist der alleinstehende, alkoholkranke Hauptkommissar Harry Hole, um den bis 2013 bereits zehn Fälle erschienen sind, zuletzt "Koma". Seine Werke wurden unter anderem ins Schwedische, Finnische, Dänische, Englische, Niederländische, Französische, Polnische und Deutsche übersetzt.


Von Lesern nominiert, von Lesern prämiert! 5 Jahre Leserpreis bei Lovelybooks.de...




Aus dem Text von Lovelybooks.de:

Es ist soweit - hier sind alle 35 von Euch nominierten Bücher und Autoren in 15 Kategorien! Stimmt jetzt ab für Eure Lieblingsbücher 2013 und entscheidet, wer den größten deutschsprachigen Literaturpreis erhält.

Nach der Nominierungsphase darf nun endlich abgestimmt werden! Vielen Dank für die große Teilnahme – mehr als 15.000 Leser haben über 4.000 verschiedene Bücher und Autoren beim *Leserpreis 2013* nominiert. Deine Stimme als Leser ist wichtig und hilft anderen Lesern, tolle Bücher für sich zu entdecken.

Jetzt startet aber endlich die heiße Phase: Du stimmst darüber ab, wer den Leserpreis bekommt! Bis zum 28. November kann in jeder Kategorie einmal abgestimmt werden und am 29. November verkünden wir die offiziellen Preisträger. Hier findest du die Seite für die Stimmabgabe:












Auch ich habe bereits abgestimmt - zumindest in den Kategorien, in denen ich Bücher gelesen habe, die zur Abstimmung bereit stehen. 

So z.B. in der Kategorie "Romane":



Oder in der Kategorie "Krimis und Thriller":



Sowie in der Kategorie "Bestes Buchcover":

"Buchland" von Markus Walther - ein Buch, das ich hier im Blog sicherlich noch vorstellen werde, und für das ich auch in der Kategorie "Fantasy" abgestimmt hätte, wenn es dort ebenfalls den Sprung auf die Shortliste geschafft hätte...


Ich bin gespannt, wofür Ihr stimmen werdet!  








Donnerstag, 21. November 2013

Poznanski, Ursula: Fünf


Rätselaufgaben, deren Lösung Koordinaten sind. In Plastikbehälter verpackte Leichenteile. Zeugen, die nach der Befragung sterben. Es ist eine blutige Version des Geocaching, eine grausige Jagd, auf die sich die Salzburger Ermittlerin Beatrice Kaspary einlassen muss. Der Fall scheint unlösbar. Und plötzlich wird sie selbst zur Beute ...














Schnitzeljagd mit GPS...

(auch veröffentlicht von parden auf Buchgesichter.de am 21.11.2013



Eine Frau liegt tot auf einer Kuhweide. Ermordet. Auf ihren Fußsohlen: eintätowierte Koordinaten. An der bezeichneten Stelle wartet ein grausiger Fund: eine Hand, in Plastikfolie eingeschweißt, und ein Rätsel, dessen Lösung zu einer Box mit einem weiteren abgetrennten Körperteil führt.
In einer besonders perfiden Form des Geocachings, der modernen Schnitzeljagd per GPS, jagt ein Mörder das Salzburger Ermittlerduo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger von einem Leichenteil zum nächsten. Jeder Zeuge, den sie vernehmen, wird kurz darauf getötet, und die Morde geschehen immer schneller. Den Ermittlern läuft die Zeit davon, sie ahnen, dass erst die letzte Station ihrer Rätselreise das entscheidende Puzzleteil zutage fördern wird ...

 
Welchen "Schatz" werden die nächsten Koordinaten zutage fördern?


In jedem Fall hat Ursula Poznanski hier eine originelle Idee in einem Thriller verarbeitet. Ich jedenfalls habe noch kein Buch dieses Genres gelesen, das sich mit der Thematik des Geocachings beschäftigt - und zwar durchgehend durch den gesamten Roman. Da jede Spurensuche ein wenig anders verläuft, wird dem Leser hier die ganze Bandbreite dieses beliebten Hobbies dargeboten.

 

Unter www.geocaching.de findet sich folgende Erläuterung zu der modernen Art der Schatzsuche:

"Geocaching lässt sich am besten als eine Art moderner Schatzsuche und Schnitzeljagd beschreiben.
Die Grundausrüstung des Geocachings
Kurz und generalisiert gefasst: Es gibt Leute, die verstecken irgendwo Dosen voller kleiner netter Dinge sowie einem Notizbüchlein, dem Logbuch. Und veröffentlichen das Versteck in Form von Koordinaten im Internet.  Dies lesen andere, merken sich die Koordinaten und nutzen ihr GPS-Gerät, um diese Schätze zu finden. Dann wird eine Kleinigkeit aus dem Inhalt der Dose ausgetauscht, der Besuch geloggt und die Dose wieder an derselben Stelle versteckt - für den Nächsten ...
So weit zu den Grundregeln. Natürlich steckt viel mehr dahinter. Beispielsweise gibt es unterschiedlichste Cache-Arten, vom einfachen Cache, bei dem man praktisch fast mit dem Auto vorfahren kann über Caches, die nur mit speziellem Equipment erreichbar sind (z. B. mit Bergsteiger- oder Schnorchelausrüstung) bis hin zu Rätselcaches, die vor Ort oder sogar schon im Vorfeld Recherche und Knobelei erfordern."
 





In diesem Thriller handelt es sich jedoch um blutige Inhalte der Schatzkisten, und schnell wird klar, dass es nicht bei einer Leiche bleiben wird. Die Polizei gerät sogar in eine Zwickmühle: mit jeder Identifizierung eines weiteren potentiellen Opfers scheint dieses erst recht in die Gefahr zu geraten, von dem Serienmörder umgebracht zu werden. Doch die Ermittlungen ruhen zu lassen oder einzustellen, kommt natürlich auch nicht in Frage...
Vor allem die Ermittlerin Beatrice Kaspary wird zunehmend auch persönlich in den Fall verstrickt. Nicht nur, dass ihr der Täter immer wieder eine SMS zuschickt, nein, er weiß auch um ein Geheimnis aus ihrer Jugend, das sie nun wieder einzuholen scheint. Woher weiß der Täter davon - und was hat das mit den aktuellen Morden zu tun?

 

Spannend ist der Thriller in jedem Fall, wenn auch phasenweise etwas langatmig durch die immerwährende Wiederholung der Abläufe (neue Hinweise, Ermittlung der Koordinaten, das Auffinden weiterer Leichen oder Teile davon). Lediglich das Motiv bleibt lange im Dunkeln, auch wenn man als geübter Leser dieses Genres frühzeitig zu ahnen beginnt, wer der Täter sein könnte.
Besonders gefallen hat mir vor allem die Verstrickung der Beatrice Kaspary in den Fall, die dadurch und in Verbindung mit privaten Problemen (alleinerziehend, Streit mit dem Exmann) phasenweise sehr unter Druck geriet. Dieser Charakter wirkte sehr authentisch und glaubwürdig ausgearbeitet, aber auch die Kollegen gewannen zunehmend an Konturen.

 

Insgesamt ein gefällig zu lesender Thriller, außergewöhnlich im Zusammenhang mit der Thematik des Geocachings. Und in jedem Fall so spannend, dass ich gerne mehr von dem Ermittlerduo Kaspary und Wenninger erfahren würde. Band 2 "Blinde Vögel" wird also sicherlich demnächst von mir gelesen werden!


© Parden  








Ursula Poznanski im Interview zu "Fünf":







Ursula Poznanski
Ursula Poznanski wurde 1968 in Wien geboren und begann nach einem abwechslungsreichen Schul- und Studienleben als Redakteurin bei einem medizinischen Fachverlag, für den sie immer noch tätig ist. Sie selbst sagt von sich, sie hätte sich schon immer gerne Geschichten ausgedacht, aber nie zu Papier gebracht. Wenn sie schrieb, dann nur Kurzgeschichten. Im Jahr 2000 nahm sie - leider erfolglos - an einem Drehbuchwettbewerb des ORF teil. Dadurch entdeckte sie, dass sie doch zu "längeren" Texten fähig war und fing Feuer. Sie sammelte Romanideen und schaffte es, mit "Buchstabendschungel" im Jahr 2003 ihr erstes Kinderbuch zu veröffentlichen. Es folgten Erstlesebücher, Kinderkrimis und ein Teenager-Liebesroman. Für ihre Werke wurde sie u.a. mit dem Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien ausgezeichnet und für den Österreichischen Kinder- und Jugendliteraturpreis nominiert. Bei Loewe legt sie im Frühjahr 2010 mit „Erebos” einen packenden Jugend-Thriller vor, der sich mit den Manipulationsmöglichkeiten virtueller Welten auseinandersetzt und gekonnt die reale mit der Welt des Online-Computerspiels verwebt. Ihr zweiter Thriller "Saeculum" für Jugendliche erschien im November 2011. Im Februar 2012 erschien ihr erster Thriller für erwachsene Leser mit dem Titel "Fünf" bei Rowohlt. Ursula Poznanski lebt mir ihrer Familie in Wien.