Montag, 11. November 2013

Giordano, Paolo: Die Einsamkeit der Primzahlen

Buch - Film - Hörbuch
meine Gesamtrezension zu Paolo Giordanos  

DIE EINSAMKEIT DER PRIMZAHLEN
La solitudine dei numeri primi



Die Vorgeschichte:
Auf Buchgesichter.de habe ich dazu schon einmal etwas geschrieben. Nun, in diesem Falle möchte ich das nicht einfach widerholen. Doch zuvor die Geschichte, wie ich überhaupt auf dieses Buch kam.

Irgendwann fand ich im Briefkasten mal eine Leseprobe. so ein kleines Heftchen von Thalia. Damals hatte ich Thalia noch nicht so richtig für mich entdeckt. In diesem fand ich die ersten Zeilen eines jungen italienischen Autors. Wie das so üblich ist, nach ein paar Seiten hört eine Leseprobe an der spannendsten Stelle auf. Nun ja, erstmal vergaß ich das Ganze.

Es kam die Zeit, da brauchte ich einen neuen Microwellendrehteller, denn meiner hatte den  Geist aufgegeben. Heißt, er war mir vor die Füße gefallen. Also zum Mediamarkt. Daneben Thalia. 
Ich also da rein und raus wieder mit: DAS GEHEIMNIS VON MEISSEN, DER DRACHENLÄUFER und DER SCHNEEMANN. Ersteres fiel neben den Hebammenbüchern auf, das Zweite war ne Buchgesichterempfehlung und das Dritte war nach dem LEOPARDEN eher obligatorisch. Zum Glück alles Taschenbücher. Danach in den Mediamarkt, klar, der Teller muss vorbestellt werden… 

Auf dem Rückweg fällt mir die Leseprobe ein. Also gleich noch einmal in die Buchhandlung:
"Guten Tag,… Leseprobe… Mädchen wird zum Skifahren gezwungen, macht sich in die Hose… Unfall…"
Die Verkäuferinnen kümmerten sich rührend um mich. Die Zweite dann meinte, ihr fiele dazu was ein. Und schon hatte ich das Buch in der Hand. augenscheinlich eins mit Mathematik. Nicht so mein Fall. Aber da war ja die Leseprobe. Okay, hab ich das auch noch mitgenommen. Wie die nächsten Zeilen zeigen werden, habe ich das nicht bereut.
* * *
Zum Buch:
Alice, ein kleines ungefähr neunjähriges Mädchen wird von ihrem Vater angehalten, mal eine große Skifahrerin zu werden. Also ab auf die Piste und zwar möglichst oft. Die Kleine hat nicht viel Lust und dann die heiße Milch und der drängelnde Herr Papa.  Oben auf der Piste, es ist auch noch sehr neblig, passiert das erste Unglück, sie muss mal… Mit nassen Unterhosen fährt sie steifbeinig in den Nebel. Da passiert das Unglück, sie stürzt und kann sich nicht mehr bewegen, nur die Fingerspitzen…
Der Autor erzählt nichts von der Rettung, klar wird aber nach einigen Seiten mehr, dass dies das Trauma ihrer Kindheit ist.
Hinzu kommt dann der Junge Mattia, beide kennen sich nicht. Mattia sitzt in der Schule neben seiner geistig behinderten Schwester. (Eigentlich gar nicht vorstellbar) Eingeladen zu einer Geburtstagsfeier, beide sollen hin, lässt er zum ersten Mal seine Schwester im Park allein; Michela wird nicht mehr gefunden. Der Autor erzählt nur ansatzweise, wie die Eltern reagieren, aus dieser Begebenheit wird sein Kindheitstrauma.
In der Schule lernen sichAlice und Mattia später kennen und ziehen einander in ihrer Besonderheit an.

Die magersüchtige Alice und der sich immer wieder selbst verletzende Mattia, die autodidaktische Fotografin und der Mathematikprofessor, begleiten den Leser nun über viele "Buchjahre". Werden beide zueinander finden? Das Primzahlenpaar, welches Mattia für sie beide gefunden hat besteht aus unbegreiflich hohen Zahlen...

* * *

So manche traurige Stelle hat dieses Buch, die Beschreibung aber ist keineswegs irgendwie mitleidig und trotzdem einfühlsam. Ein beeindruckender Schreibstil, sicher auch die Übersetzung aus dem italienischem, lässt den Leser gebannt weiterlesen. Eigentlich habe ich die Angewohnheit, eher zu schnell zu lesen. Bei diesem Buch habe ich jedoch viel langsamer und bewusster Seite für Seite aufgenommen. Die kleinen und größeren Gemeinheiten von Mitschülern, das Verhalten der Eltern werden erzählt von einer gewissen Entfernung aus und trotzdem entsteht eine große Nähe. Das war mein Eindruck und so zähle ich dieses Buch, dessen Geschichte dieses Jahr in die Kinos kommen soll, mit zu den besten, die jemals in meine Hände gelangten.

* * *
Das Hörbuch:
Auf einer Autobahnraststätte fand ich dann Mitte 2012 das Hörbuch. Dazu zitiere ich mich mal selbst:

Diese vermutlich gekürzte Fassung, von der Kürzung hab ich allerdings nicht viel mitbekommen, wird gelesen von Daniel BRÜHL. Fans von GOOD BYE LENIN kennen ihn. Und seit zwei Jahren sogar die Fans von QUENTIN T. Wenn der, also der Daniel, das Buch nicht gelesen hätte, dann wäre dieses Exemplar wohl nicht von mir an die Kasse getragen wurden.

Nun muss ich sagen, dass ich jeweils zwei CDs durchweg gehört habe und nur dreimal insgesamt einen Track erneut von Anfang an hab laufen lassen. Ich finde, der Mann hat mich erneut gefesselt. Vielleicht sollte ich zukünftig Hörbücher bevorzugen, deren Inhalt ich bereits gelesen habe.

Dazu kommt, das Buch, welches ich 2010 las, ließ bei aller Begeisterung ein wenig Wehmut zurück ob des fehlenden Happy Ends. Verblüffenderweise kommt mir das Ende der Hörbuchfassung gar nicht so vor. Gehört scheint es, als würden ALICIA und MATTIA nicht bloß ihren Weg gefunden haben, sondern auch dem Glück auf diesem Weg entgegen gehen können. Wenn auch nicht in eine Richtung. Was ein Hörbuch so auslösen kann…
 
* * *
Der Film:
In einer Kooperation Deutschlands, Frankreichs und Italien wurde dieser überaus erfolgreiche Erstlingsroman auch ► verfilmt.

Quelle: moviepilot
Nun bin ich ja an sich der Auffassung, dass Filme mit den ihnen zu Grunde liegenden Büchern nicht verglichen werden sollten. Hier allerdings komme ich nicht umhin. Soeben ist der Film beendet, den ich heute als kostenlosen Stream im Internet fand. Als bewegte Illustration ist er ganz gut: Wenn man die Geschichte kennt. Die Bilder, stark in Szene gesetzt, zeigen Mattia und Alice so wie sie ausgesehen haben könnten. Als Kinder, als Teenager und Erwachsene. Berührend der kleine Junge, der seine behinderte Zwillingsschwester allein lässt. Ebenso die Schülerin, die sich freut eine tolle, wenn auch falsche Freundin zu bekommen. Viele Szenen aus dem Buch finden sich so wieder. Auch der Schluss passt hervorragend. Kennt man den Roman oder das Hörbuch aber nicht, dann wird es schwer. Der Titel erschließt sich einem gar nicht, die selten Zwillingsprimzahlen die der Mathematiker Mattia für sich und Alice gefunden hat kommen gar nicht zur Sprache. Einmal blitzt auf, dass der Junge ein mathematisches Talent besitzt.

Auch die wichtige Arbeit als Fotografin wird nur äußerst gering angedeutet. Dass das Mädchen an Bulemie leidet erkennt der Zuschauer schnell. Dass Mattia sich selbst verletzt weil er das Trauma der durch seine Schuld verloren gegangenen Schwester nicht bewältigen kann, ist für den Zusachauer ohne Roman nur schwer zu durchschauen. Das liegt auch daran, dass der Film ständig Zeitsprünge vor und zurück beinhaltet.  Schade, denn der Film (► Film Webseite) hätte ein guter werden können. Die Schauspieler boten das Potential dazu. Tröstlich ist es dann, wenn die Schlussszene auch als kleines Happy End gedeutet werden kann.


* * *

Der Autor, Paolo ► Giordano ist in Turin geboren und hat Physik studiert. "Die Einsamkeit der Primzahlen" ist sein erster Roman und war 2008 das meistverkaufte Buch in Italien. Er bekam den wichtigsten italienischen Literaturpreis. Er ist mit 27 Jahren der jüngste Preisträger. Der Roman wurde in zwei Dutzend Länder verkauft. Momentan allerdings schreibt er laut wikipedia an seiner Dissertation. (wiki)







  • Interview bei Spiegel-Online 
  • Paolo Giordano in der DNB
  • Hörbuch in der DNB
  • DNB /  Blessing Verlag / München / 2.2009 / ISBN: 978-3-89667-397-8 / 364 S.

* * *

PS: Die Thalia Fillialen in Dresden habe all ein gut sortiertes Dresden Regal. A diesem Satz kann man erkennen, dass ich diese inzwischen wohl ganz gut kenne. Als ich die PRIMZAHLEN erwarb, bestellte ich auch gleich noch zwei Exemplare von DER GOLDENE REITER UND SEIN VERHÄNGNIS. Von einem ► Kurt Arnold Findeisen. Doch dazu später einmal mehr. Diese Bücher verschenke ich nämlich öfter. Neben meinem habe ich noch eines. Das muss diese Woche auch noch auf den Weg und hätte es eigentlich schon sein sollen… 

© Bücherjunge


4 Kommentare:

  1. Eine schöne Zusammenfassung. Das Buch habe ich ja auch bereits gelesen und es hat mir ausgesprochen gut gefallen. Auf das Hörbuch hast Du mich hiermit allerdings mal wieder neugierig gemacht. Danach werde ich dann mal Ausschau halten...

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  2. Danke für deine Worte - ich habe jetzt auch mal bei dir gestöbert. Den Film muss ich auch mal unbedingt noch sehen.

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    1. Gestöbert habe ich gerade und hier Binea gefunden. Schön.

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