Mittwoch, 28. Oktober 2015

Poznanski, Ursula: Layers (Hörbuch)



Dorian lebt auf der Straße und steckt so richtig in der Klemme: Er fühlt sich von der Polizei verfolgt. Unverhofft hilft ihm ein Fremder und versteckt ihn in einer Villa, wo Dorian Kleidung, Essen und sogar Schulunterricht erhält. Doch umsonst ist nichts im Leben. Als Gegenleistung soll er geheimnisvolle, versiegelte Werbegeschenke verteilen. Als Dorian eines der Geschenke für sich behält, gerät sein Leben in Gefahr.

Aufwändige Ausstattung mit gestanztem Cover.


(1 mp3-CD, Laufzeit: ca. 12h 45)

(Klappentext Der Hörverlag)


  • MP3 CD
  • Verlag: der Hörverlag; Auflage: Ungekürzte Lesung (17. August 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3844519351
  • ISBN-13: 978-3844519358
  • Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 17 Jahre














Ich danke dem Hörverlag ganz herzlich für die Möglichkeit, dieses Hörbuch als Rezensionsexemplar hören zu dürfen!
Bildergebnis für der hörverlag












DIE WAHRHEIT IST VIELSCHICHTIG...


Der 17jährige Dorian ist vor seinem gewalttätigen Vater auf die Straße geflüchtet. Dort lebt er mehr schlecht als recht und versucht nach Möglichkeit, allen Konflikten aus dem Weg zu gehen. Doch nachdem er eines Abends mit einem anderen Obdachlosen aneinandergeraten ist, erwacht er plötzlich mitten in der Nacht - und das Leben ist Grauen. Die Leiche des streitbaren Obdachlosen liegt blutüberströmt neben ihm, Dorians Taschenmesser scheint die Tatwaffe zu sein. Was ist nur geschehen? Hat er zugestochen und kann sich nicht mehr daran erinnern? Bevor er seiner Panik Herr werden kann, ist schon jemand neben ihm. Und hilft ihm. Warum?

Er bring ihn zu einer versteckt gelegenen Villa, wo Dorian Kleidung und Essen erhält und Bornheim kennenlernt. Diesem gehört die Villa, und er scheint Jugendliche in Not aufzunehmen und ihnen ein Heim zu geben. Einfach so? Selbst Schulunterricht erhalten die Jugendlichen, und Dorian macht dort die Bekanntschaft von Stella, zu der er sich gleich hingezogen fühlt. Nach anfänglichem Misstrauen beginnt Dorian sich wohlzufühlen, und wäre da nicht die offene Frage nach der Ermordung des Obdachlosen, würde sich Dorian fast unbeschwert fühlen.

Nach einer Zeit der Eingewöhnung wird Dorian an einigen Tagen in der Woche wie die anderen Jugendlichen auch zu einfachen Diensten eingeteilt: sie sollen in der Fußgängerzone Flyer für gute Zwecke verteilen. Keine schwere Aufgabe und nicht sonderlich aufregend - wären da nicht immer wieder Menschen, die plötzlich stehenbleiben und Dorian aufmerksam und interessiert mustern. Und nicht nur das: sie fragen ihn manchmal auch etwas - nach dem toten Obdachlosen oder nach seinem Taschenmesser. Was läuft da nur? Als Dorian um eine andere Aufgabe bittet, weil er diese Begegnungen verstörend findet, muss er versiegelte Werbegeschenke verteilen - doch die Reaktion der Empfänger ist nicht weniger verstörend. Um dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, behält Dorian eines der Päckchen für sich. Ab dem Zeitpunkt beginnt eine gnadenlose Jagd auf ihn...


,,Konnte ja sein, dass Bornheim ganz gezielt obdachlose Jugendliche von der Straße holte. Weil niemand sie vermisste, wenn sie vollends verschwanden. Es war so einfach zu behaupten, sie hätten sich wieder für ihr altes Leben entschlossen. Keiner, wirklich keiner, konnte das nachprüfen." 


Dorian als Hauptcharakter ist vielschichtig und authentisch gezeichnet. Seine Gedanken und Gefühle sind zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar, ebenso wie seine Handlungen. Seine Ratlosigkeit entspricht der des Hörers, so dass man sich hier gut identifizieren und mitfiebern kann. Diese Ratlosigkeit ist es auch, die die Spannung über den gesamten Zeitraum aufrecht erhält.
Die übrigen Charaktere sind eher oberflächlich gezeichnet, was in diesem Fall aber nicht stört, weil die Begegnungen auch meist flüchtig bzw. von kurzer Dauer sind. Und oft genug stellt sich heraus, dass das erste Bild einer Person nicht standhalten kann, sondern sich als etwas ganz anderes entpuppt. Überhaupt ist es das Spiel mit Misstrauen und Vertrauen, das U. Poznanski hier bis zur Perfektion ausreizt. Bis zum Schluss ergeben sich hier ungeahnte Wendungen und Überraschungen, die die Verzweiflung Dorians fast spürbar werden lassen und auch den Hörer ratlos machen hinsichtlich dessen, was er nun glauben soll oder nicht. Das anfangs diffuse ungute Gefühl verdichtet sich im Laufe der Geschichte, und die Spannung wächst - bis zum überraschenden Ende.

Ein wenig langatmig empfand ich die Aneinanderreihung ähnlicher Szenen im Mittelteil, auch wenn dies für die Entwicklung der Geschichte sicher notwendig war. Die Technik, mit der dieser Jugendthriller sich auch beschäftigt, entspricht zwar nicht dem heutigen Stand und ist insofern als zukünftig zu bennennen, jedoch erscheint das ganze durchaus im Bereich des Vorstellbaren. Und das ist faszinierend und beängstigend zugleich, was das Unbehagen beim Lesen noch steigert.

Der Sprecher Jens Wawrczeck trägt das Hörbuch gelungen und gekonnt vor, passt auch zur Person des Dorian. Allerdings musste ich mich anfangs trotzdem an den Sprecher gewöhnen, denn die Stimme ist für mich unlösbar mit den Hörbüchern von 'Die drei ???' verbunden, was für mich zunächst irritierend war. Dann aber konnte ich die Stimme zunehmend neutral wahrnehmen und mich auf das eigentliche Geschehen konzentrieren.

Insgesamt hat Poznanski hier in meinen Augen einen spannenden Jugendthriller vorgelegt, der mit der Vielschichtigkeit von Wahrheiten spielt und durch viel psychologische Spannung punktet. Empfehlenswert!


© Parden























Der Hörverlag schreibt zu Autorin und Sprecher:



Zur Homepage von Ursula Poznanski Ursula Poznanski (Autorin)

Ursula Poznanski, 1968 in Wien geboren, arbeitet als Journalistin für eine Reihe medizinischer Fachzeitschriften. Seit 2003 veröffentlicht sie auch Kinderbücher. Für Die allerbeste Prinzessin erhielt sie den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien 2005 und stand auf der Auswahlliste für den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien. Ihr Cyberthrille Erebos wurde von der Jugendjury mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2011 ausgezeichnet. Ende 2011 erschien ihr zweiter Jugendroman, der Thriller Saeculum.




 Jens Wawrczeck (Sprecher)

Jens Wawrczeck, in Dänemark geboren, erhielt seine Schauspielausbildung in Hamburg, Wien und New York. Seit seinen Anfängen beim NDR Schulfunk hat er in unzähligen Hörspielen mitgewirkt und war in den unterschiedlichsten Rollen zu hören. Außerdem arbeitet er sehr erfolgreich als Hörbuchsprecher. Seine eigene Hörbuchedition EDITION AUDOBA hat sich auf Literatur spezialisiert, die in Vergessenheit geraten ist. Jens Wawrczeck ist zudem regelmäßig auf der Bühne zu sehen. Er ist Mitbegründer der "Film-AusleseR", Teil des Duos "2stimmig", arbeitet sporadisch als Synchronregisseur und -autor und ist Teil des Kult-Trios "Die drei Fragezeichen".

 (übernommen vom Hörverlag)

Montag, 26. Oktober 2015

BG: Ein Interview mit Umberto Eco

Ein fiktives Interview mit Professor Umberto Eco
Das Interview gehört zu dem Buch Nachschrift zu DER NAME DER ROSE und wurde dazumal bei buchgesichter.de veröffentlicht:

* * *

KaratekaDD: „Herr Eco, wieso heißt der Roman eigentlich DER NAME DER ROSE?“
ECO: „Ich wollte die Leser in die Irre führen!“ 

 KaratekaDD: „Aber, Herr Eco, wie kam ihnen denn überhaupt die Idee zu diesem Roman?“
ECO: „Nun, ich wollte schon immer mal einen Mönch umbringen, mindestens aber literarisch.“ 

 KaratekaDD: „Das Kontaktgift im verschollenen Buch der Poetik von Aristoteles, wer hat ihnen das Rezept verraten, Herr Eco?“
ECO: „Ich hab alle bekannten Apotheker gefragt, ob sie ein Pharmakon empfehlen können, dass über die Haut bei Berührung von zweckmäßig präparierten Gegenständen absorbiert werden kann. Ich hab die Antworten begreiflicherweise vernichtet.“ 


 KaratekaDD: „Aber immer das Mittelalter, Herr Eco, immer das Mittelalter! Warum?“
ECO: „Alles was wir heute so denken, hat seinen Ursprung im Mittelalter. Ja selbst das was noch älter ist. Schließlich haben das ja mittelalterliche Mönche abgeschrieben, na ja, zumindest vieles.“ 

 KaratekaDD: „Nun verraten Sie Ihren Lesern doch mal, Herr Eco, warum der Roman im November 1327 spielt?“
ECO: „Nun, das ist eigentlich ganz einfach: Einmal weil Michael von Cesena im Dezember bereits in Avignon weilt. Dann weil Schweine im Winter geschlachtet werden. Und weil die Apokalypse nun mal nicht geändert werden kann. Darum liegt die Abtei auch in den Bergen. Zudem, weil die Gedanken, von denen Adson erzählt, von den Fratiziellen stammen und die wiederum so erst im 14. Jahrhundert auftraten. Deswegen ist William von Baskerville auch ein Engländer. Reicht das?“ 

 KaratekaDD: „Umberto, ich darf doch Umberto sagen?“ (Umberto nickt)
„Umberto, Warum ist die Bibliothek ein Labyrinth?“
ECO: „Da hab ich mich von Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei, inspirieren lassen.“ (Umberto grinst)
„Es gibt drei Arten von Labyrinthen: Einmal das klassisch – griechische, mit dem Minotaurus in der Mitte, in dem man zwangsläufig diesem Untier begegnet, dann das barock-manieristische, wofür man schon mal die Begleitung einer gewissen Ariadne bedarf, mindestens aber ihres Fadens und das Rhizom, welches dann eher ein mehrdimensionales Netzwerk darstellt. Aber das wird selbst dir, lieber KaratekaDD, zu kompliziert. Wetten?“ 


 KaratekaDD: „Ha, ha…“
ECO: „Das Labyrinth als Netzwerk wird nach Deleuze und Guattari als Rhizom bezeichnet. Das Rhizom-Labyrinth ist so vieldimensional vernetzt, dass jeder Gang sich unmittelbar mit jedem anderen verbinden kann. Es hat weder ein Zentrum noch eine Peripherie, auch keinen Ausgang mehr, da es potentiell unendlich ist. Der Raum der Mutmaßung ist ein Raum in Rhizomform. Das Labyrinth meiner Bibliothek ist zwar noch manieristisch, aber die Welt, in der zu leben William begreift, ist schon rhizomförmig strukturiert – oder jedenfalls strukturierbar, wenn auch nie definitiv strukturiert.“


KaratekaDD: „Ah,ha…“
ECO: „Wie jetzt?“ 

 KaratekaDD: „Ich hab zwar nicht viel von den theologischen Diskussionen im Buch begriffen, aber sie wirken im Buch wie Verlängerung des räumlichen Labyrinths.“
ECO: „Das hast du eben abgeschrieben. Das hat mir mal ein 18jähriger Junge gesagt.“
KaratekaDD: „Stimmt!“
ECO: „Auch der naivste Leser hat instinktiv gespürt, dass er vor einer Geschichte von Labyrinthen stand – und nicht nur vor räumlichen Labyrinthen. Man könnte geradezu sagen, daß die naivsten Lesarten eigenartigerweise die ‚strukturellsten’ waren: Der Leser ist unmittelbar, ohne Vermittlung durch die Inhalte, mit der Tatsache in Berührung gekommen, daß es unmöglich ist, nur EINE Geschichte zu haben.“ 

 KaratekaDD: „Professor Umberto, sind die Gedanken dieses William von Baskerville und der anderen nicht zu modern?“
ECO: „Ach, weeste (lacht), immer wenn Leser meinten, diese oder jene Stelle sei ein zu moderner Gedanke von Mönchen aus dieser Zeit, dann hab ich das aus Originalquellen des 14th Century abgeschrieben.“ 

 KaratekaDD: „Hättest du noch eine Schlussbemerkung?“
ECO: „Lieber KaratekaDD, nur wir Mönche von damals wissen die Wahrheit, doch wer sie sagt, kommt bisweilen auf den Scheiterhaufen.“ 

 KaratekaDD: „Ich danke dir, lieber Professor Umberto im Namen der Buchgesichter für dieses Gespräch.“

zum Autor


© karatekaDD

Sonntag, 25. Oktober 2015

Sempf, Mario / Zahn, Thomas: Dresden zum Gruseln

Es ist schmal das Heftchen, welches Dresdner Geschichten erzählt. Geschichten zum Gruseln. Naja, mehr oder weniger. Etwas mehr, wenn ein "Geist" die Einleitung dazu gibt, Der Ritter Jonas Daniel, welcher des Burggrafen Kinder im Jahre 1402 von den Meißnern in Sicherheit zu bringen hatte und dabei um das Leben kam. Dieser ruhelose Geist lädt zum Rundgang durch Dresden ein.

Fünfundfünfzig Geschichten und Geschichtchen erzäht der Autor Mario Sempf über die Stadt, illustriert von Thomas Zahn, der sich der Malerei. auch dem Airbrush widmet und sich seit mehreren Jahren im mittelalterlichen Schwertkampf übt. [1]






Vielleicht rührt ja daher die Geschichte vom Sächsischen Kampfsport (Geschichte 27) und der vom berühmten Fechtbuch, deren drei verschiedene aus dem Mittelalter in den Dresdner Bibliotheken lagern (Geschichte 28)
Schon im Buch des Ringlehrers Fabian von Auerswald findet man "Kampftechniken..., die die meisten Kampfsportkenner eher an das japanische Judo oder Jiu Jitsu denken lassen. Aha.

Aber einer der Mäzenen war Paulus Hector Mair. Der ließ eine zweibändrige Festhandschrift zum Thema herausgeben und bezahlte zuerst mit ungefähr 20 kg Gold für diese und andere aus dem Stadtsäckel und nachher als Dieb mit dem Leben am Galgen. (Geschichte 28)


Ein Seehund in Dresden? Hier hab ich mal ein Beispiel für die schönen Illustrationen zum jeweils kurzen Text herausgesucht. 1634 war das. Heute würde der Kleine wohl wie Eisbär Knut bekannt in aller Welt werden. Da es damals aber noch keine Fotoapparate gab, musste man zeichnen. Okay, hier hat Thomas gemalt und ich habs abgelichtet. (Seite 39)

Wer in Dresden groß geworden ist, kennt das Brückenmännchen. Diese Figur wurde berühmt durch die weihnachtlichen Kindershows im Kulturpalast, an die ich mich noch gut erinnern kann. Das Steinrelief am Landpfeiler der Augustusbrücke, Altstädter Seite, ist auch bekannt.  Aber, wussten sie schon, dass das "Brückenmännchen" für "Duckmäuser" steht? Oder das die Redewendung "Vom Brückenmännchen gerufen werden" für einen dringend notwendigen Gang dahin, wohin auch das Brückenmännchen zu Fuß gehen muss,  benutzt wurde? Sodann will ich nicht verschweigen, dass der Erbauer der ersten steinernen Brücke (1275), Matteo Foccio, das Vorbild für das Brückenmännchen gab, den die Dresdner "Matz Fotze" nannten. So was aber auch. Die Geschichte findet man im Heftchen als eines von Fünf Wahrzeichen, der 33. Geschichte.

* * *

Man kann mit dem Heft und dem Fotoapparat durch Dresden wandern. Alle Orte an einem Tag: Das wird wohl nicht gehen. Zur Orientierung gibts es in der Umschlagseite eine Karte mit Erläuterungen.  Napoleons Stein, Großer Garten, Richtplatz, Pöppelmanns "stilles Örtchen", Goldener Reiter. Narrenhäuschen und einige mehr, so findet man die nicht so sehr bekannten Sehenwürdigkeiten in Elbflorenz, dem Balkon Europas.


Bücherraupe schmökert unterm Blauen Wunder
Mittelalterliche Redewendungen und  eine Zeittafel zur Dresdner Geschichte runden das büchlein ab. Es ist ein schönes Geschenk und macht sich auch gut im eigenen Bücherregal.



* * *


Ach ja: "Etwas ausgefressen zu haben", bedeutete nicht immer, eine Schandtat begangen zu haben. "ausgefressen" wurden die Vorräte eines Übeltäters durch einen für seinen Appetit bekannten Menschen, der dem Täter förmlich in die Küche gechickt wurde und dort ein paar Tage bleiben konnte. Hab ich auf Seite 42 gelernt.


* * *

Danke Thomas, für das Exemplar, welches nun hoffentlich bedeutend gewürdigt wurde.

DNB / Alwis-Verlag / Dresden 2015 / ISBN: 978-3-938932-43-8 / 45 Seiten

© KaratekaDD

[1] wer mehr über den Airbrush-Kelten wissen will, der schaue einmal hier nach





Samstag, 24. Oktober 2015

Raab, Thomas: Still - Chronik eines Mörders



Nur eines verschafft Karl Heidemann Erlösung von der unendlichen Qual des Lärms dieser Welt: die Stille des Todes. Blutig ist die Spur, die er in seinem Heimatdorf hinterlässt. Durch sein unfassbar sensibles Gehör hat er gelernt, sich lautlos wie ein Raubtier seinen Opfern zu nähern, nach Belieben das Geschenk des Todes zu bringen. Und doch findet er nie, wonach er sich sehnt: Liebe. Bis er auf einen Schatz stößt. Ein Schatz aus Fleisch und Blut. Ein Schatz, der alles ändert.
Ein berauschendes Leseerlebnis, aufwühlend, soghaft, eine virtuose literarische Komposition, die sich ­konsequent in den Dienst des Erzählten stellt.


(Klappentext Droemer Knaur Verlag)



  • Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
  • Verlag: Droemer HC (14. Januar 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3426199564
  • ISBN-13: 978-3426199565


















 ANDERS...


Thomas Raab: Still - Chronik eines Mörders

1982 wird in einem kleinen Dorf am Fuße des Kalvarienberges ein Kind geboren. Karl Heidemann, der das Glück seiner Eltern komplettieren soll, durchstößt die Stille der Dorfgemeinschaft. Er schreit. Und er hört nicht auf zu schreien. Tag und Nacht ertönt seine durchdringende Stimme, nur unterbrochen durch kurze Phasen schweißnassen und erschöpften Schlafes.  Der Alptraum seiner Eltern, des ganzen Dorfes. Einzig auf dem Rücken seines Vaters, wortlos durch die Wälder getragen, kommt Karl zur Ruhe. Denn es ist endlich - still.
Karl ist anders. Er hat eine Gabe, die sich für ihn zu einem Martyrium entwickelt. Er hat das sensibelste Gehör, das es je gab, eine Empfindsamkeit, die selbst den hauchzarten Flügelschlag eines Schmetterlings für ihn zu einer unsäglichen Qual werden lässt. Als der Vater zu begreifen beginnt, verlegt er Karls Zimmer in den ruhigen Keller. Dort wächst er auf, versorgt zwar, aber doch isoliert, denn menschliche Gesellschaft scheint ihm unerträglich. Traurig die Mutter, die ihn nicht begreift, die sich ungeliebt fühlt, keinen Zugang finden kann zu ihrem Sohn. Kein Wort kommt über die Lippen dieses seltsamen Jungen, dick, blass und schweigsam stößt er jeden ab, wirkt zurückgeblieben. Und doch ist Karl hochintelligent, begreift schnell, beobachtet, zieht Schlüsse...

Was für ein Buch! Wer einen reinen Thriller erwaret, wird hier womöglich enttäuscht - obwohl es Tote gibt. Viele Tote. Hunderte sicherlich. Denn Karl zieht eine Schneise des Todes durch sein Leben. Doch dieses Buch ist - anders.
Diese 'Chronik eines Mörders' bietet einen tiefen Einblick in das Leben Karl Heidemanns. Leise aber eindringlich lässt Thomas Raab den Leser eintauchen in die Welt des Jungen, lässt begreifen, beinahe fühlen, wie dieser denkt, empfindet, entdeckt. Nicht wirklich sympathisch erscheint Karl - bedauernswert, ja, aber fremd und unheimlich, und doch... Und doch entspinnt sich hier eine ganz eigene Logik, erscheint nachvollziehbar, weshalb Karl handelt, wie er handelt. Langsam, behutsam, gleitet die Geschichte voran - und damit das Leben Karl Heidemanns. Ein Tempo, das zuweilen langatmig erscheinen mag, und das doch einfach der Geschichte den notwendigen Raum gibt, sich zu entwickeln - und mit ihr Karl.

Gerne habe ich das Schicksal Karl Heidemanns verfolgt, und aus einem Befremden wurde ein Verstehen wurde ein Berührtsein. Für mich mehr, als ich erwartet hatte, ein staunendes Überraschtsein. Die Befürchtung, womöglich Parallelen zu 'Das Parfum' von Patrick Süskind präsentiert zu bekommen, bewahrheitete sich nicht, denn auch hier ist das Buch - anders.
Beeindruckend, nachhallend, intensiv - ein sehr tiefer Blick in eine menschliche Seele, präsentiert in einem gelungenen Schreibstil, der der unaufgeregten Geschichte eine ruhige, unaufgeregte Stimmung verleiht und doch der Intensität der Erzählung Rechnung trägt. Hier passt einfach alles zusammen.

Ein ganz besonderes Buch, eine wirkliche Überraschung für mich, der ich gerne die volle Punktzahl vergebe.


© Parden


























Der Verlag Droemer-Knaur schreibt über den Autor:



Freitag, 23. Oktober 2015

ECO, Umberto: Autorenseite

Biografisches & Bibliografisches
  • Umberto Eco (* 5. Januar 1932 in Alessandria, Piemont)
  • italienischer Schriftsteller, Kolumnist, Philosoph, Medienwissenschaftler und wohl
  • der bekannteste zeitgenössische Semiotiker (Wissenschaft der Zeichensysteme)
  • emeritierter Professor für Semiotik an Universität von Bologna 
  • gestorben am 19. Februar 2016 in Mailand

 

 

Stat rosa pristina nomine, nomina nuda tenemus 
(„Die Rose von einst steht nur noch als Name, uns bleiben nur nackte Namen“)
In Memoriam Umberto Eco

* * *

„Bisher hatte ich immer gedacht, die Bücher sprächen nur von den menschlichen oder göttlichen Dingen, die sich außerhalb der Bücher befinden. Nun ging mir plötzlich auf, dass die Bücher nicht selten von anderen Büchern sprechen, ja, dass es mitunter so ist, als sprächen sie miteinander. Und im Licht dieser neuen Erkenntnis erschien mir die Bibliothek noch unheimlicher. War sie womöglich der Ort eines langen und säkularen Gewispers, eines unhörbaren Dialogs zwischen Pergament und Pergament? Also etwas Lebendiges, ein Raum voller Kräfte, die durch keinen menschlichen Geist gezähmt werden können, ein Schatzhaus voller Geheimnisse, die aus zahllosen Hirnen entsprungen sind und weiterleben nach dem Tod ihrer Erzeuger? Oder diese fortdauern lassen in sich?“  

(Adson von Melk, der Erzähler in DER NAME DER ROSE, siehe Umberto Eco in wikipedia.de - Es könnte förmlich Eco´s Motto sein...)

 

23.10.2015: Heute entdeckt. "Korruption, Intrigen, Verschwörungstheorien - Umberto Eco porträtiert die gute Gesellschaft unserer Gegenwart in einer rasanten Kriminalgeschichte zwischen Wirtschaft, Politik und Presse - ironisch, komisch, provozierend" Wo? in NULLNUMMER
Letzten Monat hab ich noch eins erstanden. Auch nicht schlecht. Es geht um die phantastischen Länder und Mythen unserer Welt und wohin sie entschwunden sind. 

 

 

 * * *

 

Meine Ausgabe von 1989

Die Buchgeschichte Tolle et lege bezieht sich auch auf ein Zitat aus DER NAME DER ROSE. Das Motto unserer Bücherblogs ist dort Gegenstand der Geschichte. Am 09.07.2009 schrieb ich diesen kurzen Text bei den Buchgesichtern.

"Nimm und lies, kann ich nur sagen. Ja, nicht nur der Roman und die spannende Kriminalgeschichte haben es mir angetan. Latein habe ich in der Schule nicht gehabt, aber wenn ich die zu mir gehörende Brille mal als "Oculi de vitro com capsula" (Augen aus Glas mit Einfassung) bezeichnen kann, ernte ich das "Stupus Mundi", das Staunen der Welt. Für buchgesichter.de eignet sich aber auch ein Motto, welches ebenfalls aus dem Buch stammt:

"Habeat Librarius et registrum omnium liborum oedinatum secundum facultates et autores, reponatque eos separatim et ordinate cum signatoris per scripturam applikatis"

(Der Bibliothekar habe ein Verzeichnis aller Bücher, geordnet nach Themen und Autoren, und er bewahre sie einzeln auf und wohlgeordnet mit schriftlich aufgebrachten Signatoren.)

Klar könnte man diese Website auch als "speculum Mundi", den Spiegel der Welt bezeichnen.
Einige hier können manche Bücher "intus et incute", also in- und auswendig.

So kam ich auf den Gedanken, lateinische Aphorismen auch mal zu sammeln. Ist aber keine Sucht daraus geworden.

Die Zitate stammen alle aus dem Buch, bis auf
"Stupus...", so wurde Kaiser Friedrich II. von Hohenstauffen genannt.

Wie gesagt, ich hab von Latein überhaupt keine Ahnung!" 

 

* * *

Rezensionen:


Die Kunst des Bücherliebens führte gleich zu zwei Rezensionen. Anne urteilte unterschiedlich über die Teile des Buches, KaratekaDD fand es insgesamt sehr gut, kann aber Annes Meinung durchaus nachvollziehen.

Annes Rezension    ► KaratekaDD´s Rezension
► Hanser / München 2009 / DNB

Außerdem inspierierte dieses Buch zu einer Reihe von Geschichten, doch dazu weiter unten mehr.



BAUDOLINO, die Lügengeschichte eines Bauernjungen aus der Zeit Friedrichs I. von Stauffen, dem eigentlichen Barbarossa, wurde gleich mehrfach rezensiert. Wieder einmal ein Beweis, dass wir drei zwar hie und da gemeinsame Bücherinteressenpflegen, aber nicht gleich ticken.


Pardens Rezension      ► Tinsoldiers Rezension
► RM Buch und Medien / Gütersloh 2002 / DNB




TinSoldier hat sich dran gewagt und ist im Gegensatz zum Karateka aus DD damit fertig geworden: Mit DER FRIEDHOF IN PRAG.

TinSoldiers Rezension
► KaratekaDD´s Rezension (2016)
► Hanser / München 2011 / DNB

 




Mit Glossen, Satiren, Gedankengänge - Eco eben hat Anne Parden ihre Rezension zu Derrick oder die Leidenschaft fürs Mittelmaß überschrieben. Um den bekannten deutschen Kommissar Derrick, geht es dabei nur in einer Geschichte.

Pardens Rezension

 

 

 

 

 

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KaratekaDD´s Umberto Eco Bibliothek

 

Es bleibt noch viel zu tun. Zum Beispiel wäre das DAS FOUCAULTSCHE PENDEL: Bisher ungelesen wie der Prager Friedhof. Am PENDEL hab ich mir bisher die Zähne ausgebissen. Trotz des lexikalischen Entschlüsselers.

Da manchem solche komplexen Romane wie die Eco´s schwer fallen, gibt es Entschlüsselungsbücher:

  • Das Geheimnis der Rose entschlüsselt - ICKERT, Klaus und SCHICK, Ursula - DNB - Heyne, München 1989
  • Das Foucaultsche Pendel entschlüsselt - BAUCO, Luigi - DNB - Heyne, München 1999  



Da grübelt die Bücherraupe

 

Geschichten & Sonstiges 


Eco hat zu sogenannten Buchgeschichten angeregt. Es gibt mehrere dazu. Entstanden sind die, als es buchgesichter.de noch gab. Zum Beispiel regte das schmale Bändchen, Eco´s eigene NACHSCHRIFT zu DER NAME DER ROSE den Bloggründer zu einem fiktivem Interview mit dem Professor an:

► hier geht es zum Buchgeschichten - Interview

Parden hat nach DIE KUNST DES BÜCHERLIEBENS auch eine eigene ► Buchgeschichte geschrieben. Angeblich wurde sie dazu von KaratekaDD´s "ellenlangem" Werk ► KaratekaDD erklärt die Sache mit den Büchern, angeregt.

Da DIE KUNST... uns über eine Krankheit aufklärte, kam es zu Geschichten wie ► KaratekaDD fragt... Sind wir ... bibliophil?



 

* * *

Web - Links:

Das Online Portal eines Helge SCHALK aus Bochum ist ein wahre Fundgrube zu Umberto Eco. Zu Beispiel der Text WIE MAN SEX IM INTERNET SUCHT ist doch eine Köstlichkeit. Alle werden rufen: "Nein so etwas!", dann erklären sie, dass sie keinerlei Erfahrungen damit haben. Also ich werde auch nichts zugeben...

Leider ist das Portal wohl seit einiger Zeit nicht mehr richtig in Betrieb.


© KaratekaDD, 03.12.2016

 

 

 

CLANCY, Tom: Autorenseite

Biografisches & Bibliografisches
  • geboren am 12.04.1947 in Baltimore
  • als Thomas Leo Clancy jr.
  • Loyola High School class of 1965
  • Loyola College class of 1969
  • gestorben am 02.10.2013 in Baltimore

Damit wurde der Reihe um den neuen Agenten Max Moore vorzeitig ein Ende gesetzt. Der US-Amerikaner Mark Greaney schreibt an der Reihe weiter. 


Rezensionen
 



Geschichten & Sonstiges

Warum ich Tom Clancy mag? Das weis ich manchmal selber nicht. Auf ihn aufmerksam wurde ich "genau" wie alle anderen. Durch JAGD AUF ROTER OKTOBER. Oder besser gesagt, vom Film zum Buch und dann immer weiter. Außerdem hatte ich Harrison Ford in STUNDE DER PATRIOTEN gesehen. Und irgendwann erzähle ein Kollege mal, dass es da Bücher gibt. So fing es an. Neben den Romanen hatten es mir bald auch die Sachbücher angetan. Eine Reihe davon habe ich im Regal. Die Beschreibungen der Nuclear Submarines, der Amoured Cavalry, der Special Forces, der US-Marines, der Aircraft Carrier, der Fighter Wings und einigen mehr sind schon mal deshalb interessant, weil des Autoren Sachverstand in den Romanen um Jack RYAN und nun Max MOORE deutlich zum Ausdruck kommt und die Romane, die ich als Technik-Thriller bezeichnen möchte, davon leben. Jedes Sachbuch endet mit einem fiktiven Einsatzszenario und diese sind mehr oder weniger in den Romanen wieder zu finden.

Die Reihen in denen er als Mitautor seinen Namen gab wie NET FORCES oder OP CENTER gefallen mir nicht. Eines hab ich mal gelesen, das strotzte von Ungereimthalten und falschen Beschreibungen zum Beispiel der Russischen Armee, das "kann" gar nicht von Clancy gewesen sein. Er sollte lieber bei seinen eigenen Geschichten bleiben.

Clancy erscheint mir als ein "unverbesserlicher" US-Patriot, der den Einsatz amerikanischen Militärs in aller Welt befürwortet, wenn es notwendig ist. Was notwendig ist, davon haben die US-Amerikaner bekanntlich eine sehr eigene Meinung. Trotzdem klingt in den Romanen auch Kritik an, wenn es um die Rolle der Regierung geht. Auch ist die Sicht auf das Trauma Vietnam in den Sachbüchern interessant. Hier geht er sachlich und informativ auf die daraus resultierenden Veränderungen in Personalgewinnung, Ausrüstung und Ausbildung ein.

Inzwischen umfassen die Romane eine Zeitspanne von 50 Jahren. Vom unbedingten Kalten Krieg, 1970 über das Pabstattentat und die Jagd nach Osama bin Laden bis zur Krimannexion in diesem Jahr. Mal sehen, wie es weiter geht,inzwischen schreiben ja Co-Autoren an weiteren Romanen. (siehe Jack Ryan - Seite)

PS: Die Namen von Schule und College lassen auf einen Jesuitenzusammenhang schließen. Nicht umsonst hat seine Hauptfigur Jack Ryan an einem solchen College Geschichte studiert. Jesuiten-College und Patriotismus: Da haben wir doch mal den "Beweis" für ein gängiges Klischee. (KaratekaDD)

WEB - Links

© karatekadd, 30.01.2016

Dienstag, 20. Oktober 2015

Jansen, Liv: Zornröschen





"Eines Tages werden wir uns an allen rächen!", sagte Charlotte wütend.
"Nein!", sagten Gerti und Anne. "Nicht eines Tages! Jetzt!"

Gerti, Charlotte und Anne - drei Frauen, die nicht nur unterschiedlich alt - 31, 52 und 72 - sondern auch sonst sehr eigen sind: Die Putzfrau Gerti kommt aus ärmlichen Verhältnissen und saß wegen angeblichen Mordes an ihrem Mann unschuldig im Gefängnis. Die Werbetexterin Anne hatte angeblich Firmeninterna weitergegeben und wurde aus dem Job gemobbt, und die mondäne Unternehmensberaterin Charlotte soll Steuern hinterzogen haben. Dadurch sind all drei Frauen auf der Straße gelandet. Und weil sie sich bestens verstehen, tun sich zusammen und schwören Rache.


(Klappentext Mira Taschenbuch Verlag)



  • Broschiert: 304 Seiten
  • Verlag: MIRA Taschenbuch; Auflage: 1 (10. August 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3956492102
  • ISBN-13: 978-3956492105















Hiermit danke ich 'Blogg dein Buch' sowie dem Mira Taschenbuch Verlag für die Möglichkeit, dieses Buch lesen zu dürfen!















UNTERHALTSAMER RACHEROMAN MIT ÜBERTRIEBENEN CHARAKTEREN...



Drei Frauen, drei Schicksale - und so unterschiedlich sie auch sind, so viel haben sie auch gemeinsam. Auf der Straße gelandet sind Gerti, Charlotte und Anne - aus vollkommen unterschiedlichen Gründen, doch im Grunde alle ohne eigenes Zutun. Als die drei durch Zufall aufeinandertreffen, merken sie schnell, dass jede von ihnen nicht nur Grund hat, mit dem Schicksal zu hadern, sondern auf einige Menschen aus ihrem alten Umfeld mehr als wütend zu sein:
  • Gerti ist 72 und hat fünf Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen, weil sie ihren Mann umgebracht haben soll. Und als würde das nicht reichen, hat ihr eine Gefängnisaufseherin die Jahre hinter Gittern zur Hölle gemacht, ohne dass Gerti sich dagegen wehren konnte.
  • Die 52jährige Charlotte ist eigentlich eine Dame von Welt - als mondäne Unternehmensberaterin hat sie jahrelang eine erfolgreiche Firma geführt, bis sie wegen Steuerhinterziehung belangt wurde und plötzlich nur noch das besaß, was sie auf dem Leib trug. Eine geschickt eingefädelte Intrige seitens ihres Mannes sowie ihrer damaligen besten Freundin, gegen die Charlotte sich seinerzeit nicht zur Wehr setzen konnte.
  • Anne ist mit ihren 31 Jahren die Jüngste in der Runde der schuldlos Obdachlosen. Sie verfiel aufgrund von Mobbing am Arbeitsplatz sowie mieser Unterstellungen und Bezichtigungen, die sie letztlich den Job kosteten, in eine schwere Depression. So verlor sie ihre Wohnung und die Achtung vor sich selbst und landete ebenso wie die anderen beiden Frauen schließlich auf der Straße.
Gemeinsam beschließen die drei, dass sie nun genug geduldet und erlitten haben. Sie schmieden Rachepläne und finden plötzlich zahlreiche Unterstützer. Schwester Magdalena gewährt ihnen in ihrem Agathahaus Unterkunft und Verpflegung, der Bruder Magdalenas - eine bekannte Kiezgröße - entdeckt spontan auch seine soziale Ader, ebenso wie sein Kumpel Cäsar, der dafür bekannt ist, Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg zu gehen. Das Helfersystem verwebt sich immer enger, so dass der Racheplan immer mehr Gestalt annimmt...
Was erwartet man von solch einem Buch? Unterhaltsame und unkomplizierte Lesestunden, einen eher vorhersehbaren Ablauf und keine sonderlichen Überraschungen - das waren jedenfalls meine Erwartungen. Tatsächlich gab es bei mir den ein oder anderen Schmunzler, und ein wenig neugierig war ich auch, wie sich das ganze wohl auflösen würde. Allerdings gefiel mir die Ausgestaltung der meisten Charaktere nicht sonderlich. Dass in solch einem Roman alle möglichen Klischees bedient werden, ist zwar kein wirklicher Minuspunkt - das passt einfach zu dieser Art Unterhaltungslektüre. Aber dass ein Großteil der Figuren ständig nervige Verhaltensweisen an den Tag legt, das hat mich dann doch unangenehm überrascht. Derart überzogen hat mir dies stellenweise den Spaß verhagelt, auch wenn die Geschichte in der Summe durchaus unterhaltsam war. Vor allem gegen Ende zog das Tempo dann auch noch einmal deutlich an - der ständige Szenenwechsel ergab einen Cliffhanger nach dem anderen und sorgte dadurch für zusätzliche Spannung. Da fiel dann auch kaum noch ins Gewicht, dass die Frauen bei der Umsetzung ihrer Rachepläne kaum Steine in den Weg gelegt bekommen und dass der glückliche Zufall das ein oder andere Mal vielleicht doch zu häufig bemüht wird.
Ganz nett zu lesen und die erhoffte kurzweilige Unterhaltung, allerdings mit ein paar Schwachpunkten, die das Lesevergnügen etwas schmälerten.

© Parden
















Der Mira Taschenbuch Verlag schreibt zu Liv Jansen:

Liv Jansen, geb. 1979, arbeitete als Redakteurin für verschiedene Fernsehformate, bis sie vor Kurzem das Schreiben für sich entdeckte. Weil ihr das so gut gefällt, hat sie sich gleich mal an ein Buch gesetzt. Mit ihrem Mann und ihrer Tochter macht sie gern Urlaub in Österreich, weil es da so leckeren Kaiserschmarrn gibt. Und wenn sie zu Hause in Frankfurt ist, trifft man sie eigentlich immer im Pferdestall bei ihrem Schimmel Romeo. Zornröschen ist ihr erster Roman.

(übernommen vom Mira Taschenbuch Verlag)

Montag, 19. Oktober 2015

Dillmann / Heim: Fluchtpunkt Karibik

Jüdische Emigranten in der Dominikanischen Republik

Kartendaten @ 2015 Google

Hört man sich um unter Kollegen und Freunden, dann erzählen doch einige vom Urlaub in der DomRep. Gekennzeichnet durch Attribute wie "all inclusiv" oder auch mal "Taucherparadies". Da kann ich nicht mitreden, ich war noch nicht dort. Die Dominikanische Republik ist mir besonders aus einer Romantrilogie bekannt. Die stammt von Wolfgang Schreyer (wiki),  der in der DDR politische Romane schrieb und sich dabei auf Südamerika spezialisiert hatte. In Der Adjutant, Der Reporter und der Der Resident beschrieb er den Untergang des Diktators Rafael Leónidas Trujillo Molina, der 1961 einem Attentat zum Opfer fiel. Aber dass dieser typisch südamerikanische Diktator einst anbot, jüdischen Flüchtlingen einen "sicheren Hafen" zu geben, las ich zum ersten Mal in diesem Buch: Fluchtpunkt Karibik.

Kurz, Trujillo wollte seine Bevölkerung "aufhellen", es waren ihm wohl zu viele Schwarze, vor allem Haitianer (Nachfahren der Sklaven französischer Plantagenbesitzer) darunter, und da momentan, also 1938 immer mehr jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, dem Dritten Reich, aufbrachen um letztlich der Vernichtung zu entgehen, kamen ihm die gerade recht. [1]

"Während nahezu alle Länder ihre Grenzen gegenüber den Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland verschlossen, sollte ausgerechnet in dem diktatorisch regierten Inselstaat ein landwirtschaftliches Vorzeigeobjekt nach dem Muster jüdischer Kibbuzim entstehen." (Buchrücken)

100.000 Juden wollte man aufnehmen und eine jüdische Hilfsorganisation (Joint) [2] übernahm Organisation und Finazierung. Bezeichnenderweise war der erste Direktor, J. Rosen, ein Agrarexperte, der auf der Krim und in der Ukraine (!), also der Sowjetunion, in den zwanziger Jahren jüdische Siedlungen aufbaute. Am Ende aber gab es wohl zwischen 1940 und 1945 nie mehr als 500 Juden in Sosúa, dem Ort, wo das Projekt entstand. [3]

"In der Geschichte Sosúas [werden] die großen Entwicklungslinien des 20. Jahrhunderts konkret: Die Kapitulation der demokratischen Staaten vor der antijüdischen Politik der Nazis, das Konzept eines an sozialistischen Ideen orientierten Siedlungsprojektes und sein Scheitern und schließlich die Migration als Motor der Modernisierung." [4]

* * *

Bereits im Vorwort und dann im Kapitel "Europas Juden in Not" beschreiben die Autoren die Probleme der jüdischen Emigration aus Deutschland und Österreich, insbesondere ab der Jahre 1938. 130000 Menschen hatten Deutschland bereits verlassen, davon waren 80 % Juden. [5]. In Jahre 1938 wurde Österreich angeschlossen, die Reichskristallnacht (9./10. November) leitete eine neue Stufe der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung ein. Erschreckend war die fehlende Bereitschaft der Nachbarstaaten Deutschlands, Flüchtlinge aufzunehmen. "Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs verschärften fast alle europäischen Zielländer der jüdischen Emigration aus Deutschland ihre Einwanderungsbestimmungen, sowie die Kontrolle ihrer Grenzen, oder sie erließen Einwanderungsverbote...." [6] Genannt werden zum Beispiel die Schweiz, Frankreich, Dänemark, die Niederlande und andere. Erschreckend ist die Aktualität der (europäischen) Bilder, auch wenn heute die Migration in der anderen Richtung verläuft.

Vom 06. bis 15. Juli tagten in Evian (Schweiz) die Vertreter von 32 Staaten und alle großen jüdischen Verbände, die katholische Kirche und andere. Sie berieten über die Auswanderungsmöglichkeiten und raus kam so gut wie nichts. Man erklärte sein Mitgefühl, aber auch, dass das eigene Land nicht in der Lage wäre, diese aufzunehmen. [7]. Und kommt dieses dominikanische Angebot, ausgerechnet von einem, der dem Regime in Deutschland durchaus zugetan war und so haben die Autoren Kapitel auch benannt: "Ein Rassist heißt rassisch Verfolgte willkommen" [8]


* * *

Im Weiteren erzählen die Autoren vom doch sehr beschwerlichen Weg der Siedler, die, zumeist Großstädter und oft dem Bildungsbürgertum angehörend, sich mit der Landwirtschaft schwertaten. Für bestimmte Arbeiten wurden dann Einheimische gewonnen, deren Lohn konnte nicht in die weitere Entwicklung investiert werden.

Rosen wollte neben der "dauerhaften Unterbringung der Flüchtlinge [den] Aufbau einer wirtschaftlich unabhängigen Gemeinschaft, die mittelfristig sich nicht nur selbst versorgen kann, sondern auch Überschüsse erwirtschaftet."  Jedoch funktionierte dieser kooperative Gedanke, ähnlich des Kibbuz in Israel, so nicht.  Die Ursachen waren vielfältig und reichten vom "Trend, körperliche Arbeiten zu vermeiden" bis zu Ansichten einiger Siedler selbst einer "höheren Kulturstufe" anzugehören als die Einheimischen. [9]

Einen Neubeginn gab es 1944, als David Stern, der in Palästina solche Projekte geleitet hatte, in der Dominikanischen Republik ankam. Der stellte das Projekt vom Kopf auf die Füße, indem er zum Beispiel die Selbstversorgung von 57 Siedlern, die den Neuaufbau mittrugen mit 30 ha Weideland und 2 ha Anbaufläche ermöglichte. Eine Familie mit 2 Kindern bekam 15 Kühe: 10 die Familie, eine weitere für die Ehefrau und je zwei für die Kinder. Damit ließ sich etwas anfangen. [10] Erfolge gab es in der Milchverarbeitung, es gab die ersten Hotels mit 200 Feriengästen (1946), später dann eine Sparkasse. Die "Cooperación Sosúa" war für dieInfrastruktur da, Müllabfuhr, Straßenbau, Strom und Wasserversorgung. So ging es immer weiter aufwärts. [11]


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Kartendaten @ 2015 Google

Noch heute gibt es viele Spuren der jüdischen Siedlungsversuche. Dies zeigt das Bild oben. Rosen und Stern sind Straßennamen gewidmet und auch wenn die Religionsausübung sich meist auf die wichtigsten jüdischen Feiertage beschränkte, gibt es auch heute noch eine Synagoge in Sosúa. [12]. Im jüdischen Museum ist die Geschichte dokumentiert und 1990 feierten 300 ehemalige Siedler den 50. Jahrestag der DORSA [13]. Die Spuren werden vom Tourismus überdeckt, aber man findet sie noch. [14] 

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Die Autoren:
Der Kölner Journalist Hans Ullrich Dillmann (1951) lebt in Deutschland und der Dominikanischen Republik. Als Korrespondent der TAZ für Lateinamerika und der "Jüdischen Allgemeine" für die Karibik weiß er von was er erzählt. (Webseite) An seiner Seite hatte er die Historikerin Susanne Heim (1955), deren Arbeitsschwerpunkte auf der nationalsozialistischen Judenverfolgung und der internationalen Flüchtlingspolitik liegen. PD Dr. Susanne Heim  arbeitet am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg, sowie am Institut für Zeitgeschichte München.

Sie haben mit diesem Buch etwas "aufgedeckt", was mir bisher völlig unbekannt war, die Emigration von Juden mal nicht in die USA oder Palästina sondern aus einem Land mit einer vorher nicht dagewesenen Diktatur in eine andere Diktatur, die Gründe dafür sind weiter oben angerissen. Die Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen, hier den von den Nationalsozialisten verfolgten Juden, scheint mir im Zuge des heutigen Streits um Flüchtlingsquoten in der EU und insbesondere der extremen Ablehnung der Aufnahme von Muslimen einiger EU-Staaten von einiger Aktualität zu sein.

Mit diesem Buch lässt sich aus der Geschichte lernen. Versuchen sollten dies zum Beispiel diverse Präsidenten und Ministerpräsidenten, aber auch Menschen in unserem Land, deren Fremdenfeindlichkeit zum Himmel schreit.

► DNB / Ch. Links Verlag / Berlin 2009 / ISBN: 978-3-86153-551-5 / 188 Seiten


© KaratekaDD


 Fußnoten

[1] Dillmann / Heim: Fluchtpunkt Karibik, Seite 9
[2] American Jewish Joint Distribution Committee
[3] vgl. Dillmann / Hein, ebenda
[4] siehe Ebenda
[5] Dillmann / Hein: Seite 29
[6] Ebenda, Seite 32
[7] vgl. Ebenda, Seite 38 
[8] siehe Ebenda ab Seite 45
[9] vgl. Ebenda ab Seite 94 / 109
[10] vgl. Ebenda, Seite 152 ff
[11] vgl. Ebenda Seite 157 ff
[12] vgl. Ebenda, Seite 109; Kapitel: Jüdisches Leben ohne Rabbi
[13] DominicanRepublic Settlement Assocuation
[14] vgl. Dillmann / Hein, Seite 166 f

Abbildungen:

Bild 1 und 2: Kartenmaterial aus googlemap, siehe Link unter der Abbildungen
Bild 2: Jüdisches Museum und Synagoge / Quelle Internet http://www.sosuanachrichten.com/print.php?id=777 14.10.2015;18:00 Uhr

Webseiten: (19.10.2015; 19:30Uhr)







    Sonntag, 18. Oktober 2015

    King, Stephen: Das Mädchen






    Ich habe keine Angst.
    Überhaupt keine Angst.
    Der Wanderweg ist gleich dort vorn.
    Es ist wirklich ganz unmöglich, sich hier zu verlaufen …


    Um zehn Uhr sitzt Trisha noch im Auto ihrer Mutter. Um halb elf hat sie sich im Wald verirrt. Um elf Uhr versucht sie, sich nicht zu fürchten. Nicht daran zu denken, dass Leute, die sich verirren, vielleicht nie mehr zurückkehren. Hunger und Durst, Insekten und wilde Tiere, Einsamkeit und Dunkelheit – Trisha hat dem Grauen der Wälder wenig entgegenzusetzen. Und vor allem nicht dem, was sich aufgemacht hat, sie heimzusuchen …


    (Klappentext Droemer-Knaur)



    • Taschenbuch: 304 Seiten
    • Verlag: Knaur TB (2. November 2012)
    • Sprache: Deutsch
    • Übersetzung: Wulf Bergner
    • ISBN-10: 3426508540
    • ISBN-13: 978-3426508541
    • Originaltitel: The Girl Who Loved


















    VIEL HARMLOSER ALS ERWARTET...


    Das Mädchen irrt durch die Wälder. Sie ist allein. Sie ist vom Weg abgekommen. Noch hat niemand bemerkt, dass sie verschwunden ist. Nur sie weiß, dass sie sich verirrt hat und keiner da ist, der sie beschützen kann - vor dem Hunger und dem Durst, vor den Mücken und den wilden Tieren, vor der Einsamkeit und der Dunkelheit. Aber vor allem nicht vor dem, was sich in den Wäldern aufgemacht hat, die Neunjährige heimzusuchen.
    Eine Basketballkappe, ein kleiner Walkman und die Erinnerung an die Gespräche mit ihrem Vater sind die einzige Ausrüstung, die Trisha mit sich führt. Mehr hat sie dem Grauen der Wälder nicht entgegenzusetzen. Und das ist sehr, sehr wenig...

    Hm, ehrlich gesagt, von einem King-Roman habe ich mir etwas anderes erwartet, kenne auch anderes.
    Klar spielt er hier mit der Urangst der Menschen, aber das Buch ist sehr baseball-lastig und manche Passagen ziehen sich sehr in die Länge. Für ein neunjähriges Mädchen ist Trisha auch mit einem erstaunlichen Wissen ausgestattet - natürlich will ich hier nicht zu sehr ins Detail gehen, aber die Neunjährigen, die ich kenne, wären damit wohl hoffnungslos überfordert.

    An manchen Stellen wurde es spannend, aber so richtig gruselig fand ich es nicht. Das Ende ist gelinde gesagt überraschend - ich fand es eher enttäuschend, da ich mit anderen Erwartungen an das Buch herangegangen bin.
    Irgendwie ist das ein Buch für King-Einsteiger, sehr bedächtig, sehr harmlos.

    Nur bedingt empfehlenswert.


    © Parden

















    Der Verlag Droemer-Knaur schreibt über den Autor:


    Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Schon als Student veröffentlichte er Kurzgeschichten, sein erster Romanerfolg, "Carrie", erlaubte ihm, sich nur noch dem Schreiben zu widmen. Seitdem hat er weltweit 400 Millionen Bücher in mehr als 40 Sprachen verkauft.

    (übernommen vom Verlag Droemer-Knaur)