Das Magazin für Amerikanistik liegt vor mir und ich lese gespannt den zweiten Teil zum Kampf der US-Kavallerie gegen die vereinten indianischen Stämme am Little Bighorn und die Bedeutung der Revolver in diesem letzten großen Kampf nicht nur von Cheyenne und Lakota. Beim Weiterblättern finde ich einen Artikel mit der Überschrift „Ich sage dir, wir gehen heim!“ Die Cheyenne-Anführer Little Wolf und Dull Knife führen ihr Volk quer durch den mittleren Westen unter großen Entbehrungen aber auch militärischen Erfolgen...
Das kenn ich doch. Na klar, IM LICHT DES FAHLEN MONDES erzählt Kerstin Groeper davon. Vor vier Jahren habe ich über das tolle Buch geschrieben; noch länger steht die Familiengeschichte der DULL KNIFES im Regal, geschrieben von Joe Starita. Nun ist es Zeit, dieses Buch vorzustellen.
"Ein Volk ohne Geschichte ist wie der Wind im Büffelgras"
Die Familie Dull Knife Der Leser besucht zu Beginn einen alten Mann in einem Pflegheim, dem sitzt seine kleine Urenkelin gegenüber, die später einmal die Geschichte ihrer Familie hören wird, denn „ein Volk ohne Geschichte ist wie der Wind im Büffelgras.“ Der Spruch wird Grazy Horse zugeschrieben, ein Oglala Lakota und Zeitgenosse, des Ururgroßvaters der Kleinen. Im Jahre 1899 ist Guy Dull Knife geboren, er ist bei zum Zeitpunkt dieser Szene fast 95 Jahre alt. Sein Vater ist ein berühmter Mann unter den Cheyenne von denen er stammt und den Lakota, zu denen er gehört, weil er eine Lakotafrau einst heiratete. Guy ist momentan (1995) der älteste Oglala Sioux und der einzige noch lebende Veteran des 1. Weltkrieges, der 18 Präsidenten und fünf Kriege erlebte.
Die Geschichte der Familie ist auch eine Geschichte der Kriege der USA. Sie beginnt mit der Red-Cloud-Krieg, führt zum Kleinen-Dickhornschaf-Fluss in den Jahren 1866 / 1876. „Als der Krieg [1. WK] kam, Gin er [Guy] unter ‚Black Jack‘ Pershing nach Frankreich, um den Hals sein heiliges Medizinbündel. Sein Bruder trug ebenfalls eines, als er unter Patton im Zweiten Weltkrieg kämpfte, sein Neffe trug eines unter MacArthur in Korea, sein Sohn trug eines unter Westmoreland in Vietnam, und sein Großneffe trug eines, als er unter Schwarzkopf an der Operation Wüstensturm im Golfkrieg teilnahm.“ (Seite 14/15)
Diese Geschichte hat Joe Starita aufgeschrieben, ehemaliger Chefredakteur des Miami Herald (N.Y.) und heute Professor in einem College für Journalismus und Massenkommunikation.
Magazin für Amerikanistik 2/2020 |
Der alte Dull Knife musste gemeinsam mit Little Wolf seine Stammesgruppe nach der Schlacht am Little Bighorn in den Süden, nach Oklahoma führen, in die Darlington-Agentur. Es kam zu Streit mit den dort schon ansässigen Cheyenne. Außerdem vertrugen die Stammesangehörigen aus dem Norden das feucht-warme Klima nicht. So beschloss Dull Knife die Gruppe wieder in den Norden zu führen. Natürlich wurden sie von der Kavallerie verfolgt. In den Kämpfen fiel der letzte US-Offizier während der Indianerkriege in Kansas. Dieser Kampf am Punished Woman´s Fork am Smokey Hill River, beschreibt Kuegler im Magazin. Little Wolf und Dull Knife trennen sich später, Dull Knif ergibt sich bei Fort Robinson. Nach einem Aufstand kann sich der Häuptling mit seiner Familie verstecken und erreicht die Pine Ridge Reservation, von der schon so oft auf unserem Blog die Rede war. So kommt Tamilapésni (Dull Knife) zu den Lakota, sein Cheyennename lautete Vóóhéhéve (Morning Star). Der genaue Verlauf des Weges von „Stumpfes Messer“ erzählt Starita in der Familienbiografie.
Der Sohn des alten Häuptlings blieb zunächst im Süden zurück, er kommt später nach Pine Ridge, während der Alte zurück in die alte Heimat durfte und bei Fort Keogh wieder auf Little Wolf traf. Häuptling Dull Knife starb 1883.
George, der Sohn ritt später auch in Buffalo Bills Wild-West-Show.
Ein ganzes Kapitel widmet Starita den Badlands. Die Badlands sind, wie der Name es treffend aussagt, ein ziemlich unwirtlicher Landstrich in der Reservation Pine Ridge. Inzwischen geht es um Guy Dull Knife jun., der etwas traumatisiert aus Vietnam wieder kommt, dem ein alter Häuptling mit Schwitzzeltzeremonien hilft. D.K.j. arbeitet in einer Mokassinfabrik. Der ehemalige Soldat erkennt Unterschiede im Lebensstandard auf der Reservation: große Armut und mittelständischer Wohlstand. Er hört zum ersten Mal etwas von Goons (Totschlägern) und AIM (American Indian Movement). Immer wieder hat es Stammesmitglieder gegeben, die sich bereicherten und sich den Weißen der Agenturführungen andienten. So waren es Indianerpolzisten, denen Tatanka Iyotake (Sitting Bull) zum Opfer fiel.
Badlands / Pixabay |
Besonders schlimm trieb es Anfang der siebziger Jahre Richard „Dickie“ Wilson als Stammespräsident. Das AIM wurde gebeten, auf der Pine Ridge zu helfen. So kam auch Russel Means und Dennis Banks vor Ort. Obwohl unter Präsident Richard Nixon eine gewisse Entspannung und Gewährleistung einer Rechte wie die Anerkennung von Stammesverfassungen eintraten, aufgefundene Bodenschätze, z.b. Uranerz, machten das zunichte. Im weiteren erfahren wir viel über Wounded Knee 1973. Auch Leonard Peltier wird erwähnt, nach einem reinen Indizenprozess sitzt er immer noch im Gefängnis.
In den Jahren nach Wounded Knee wird manches besser. Das Gesundheitswesen, die Schulen in den Reservaten, so einiges haben die Nachfahren der Krieger erkämpft. Allerdings muss weitere fünfzig Jahre festgestellt werden, dass sich Armut, Drogen, Arbeitslosigkeit und Selbstmorde immer noch nicht beseitigt werden konnten, die Völker in den Reservationen zählen weiterhin zu den Ärmsten der Armen.
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Das Buch. Eine Familiengeschichte, die es in sich hat. Und ein weißer Journalistik – Professor zeigt, der uns und seinen Landsleuten ein Jahrhundert authentische Geschichte aufblättert. Ab 1992 widmete sich Joe Starita über drei Jahre diesem Buchprojekt. Im erneuten durchblättern finden sich nun Leseerinnerungen und Einsichten.
Was sind diese Menschen? Indigene Völker, native americans, Indianer, wie wir sie hier sicher weiter nennen werden? Oder Amerikaner, genauer US-Amerikaner, die stolz sind, unter Stars & Stripes in verschiedensten Kriegen gekämpft und Auszeichnungen erhalten zu haben? Widersprüche über Widersprüche? Sind die Reservationen noch zeitgemäß? Oder ist eine Traditionsbewahrung, vor allem von Sprache und Religion, indianischer Philosophie, ohne sie nicht möglich?
„Wenn unser Volk überleben soll, dann müssen unsere Kinder sowohl mit dem Computer umgehen können als auch den Adlertanz beherrschen“
Guy Dull Knife jun.
Auch heute noch streiten indigene Gruppe insbesondere um Landnutzung, wenn durch die Erweiterung eines Skigebietes bei San Francisco heiliges Land berührt wird oder durch die Förderung von Öl und Gas in den Kernlanden indianischer Völker. Das Buch hat an Aktualität nichts verloren und steht damit in einer Reihe bereits besprochener Bücher:
- Ein Leben für die Freiheit von Michael Koch und Michael Schiffmann
- Ich werde mich nie ergeben von Mitch Walking Elk
- Crazy Horse – Leben und Vermächtnis eines Lakota Kriegers von William B. Watson
- Sitting Bull – sein Leben und Vermächtnis von Ernie LaPointe
- Prof Joe Starita - College Of Journalism And Mass Communications
- DNB / Droemer Knaur / München 1996 / ISBN: 3-426-26758-6
© Bücherjunge
Kein Buch, das meine Wunschliste anwachsen lässt - die Nische überlasse ich gerne weiterhin dir. Aber es ist zu merken, wie groß dein Interesse daran ist. Schöne Besprechung!
AntwortenLöschenNun, die war überfällig. Genauso wie das soeben besprochene Buch.
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