Freitag, 17. Juli 2020

Groeper, Kerstin: Donnergrollen...

... im Land der grünen Wasser

Im Capitol zu Washington hängt ein Bild. Es zeigt einen mörderischen Eroberer, vornehm Conquistador genannt. In Baracarroto, Spanien, steht ein Denkmal, welches ebenfalls diesen Mann namens Hernando DeSoto (1496 – 1542) zeigt. Zur Zeit werden Denkmäler von ihren Sockeln gestürzt. In den USA trifft es Sklavenhalter aus den ehemaligen Südstaaten, in London wollen Menschen sogar Hand an Churchill legen, sie stürzen einen Sklavenhändler in Bristol. In Neuseeland entfernen die Bewohner der Stadt Hamilton die Statue des Namensgebers. Auch die Monumente, die an Cristóbal Colón erinnern, sind hier und da schon kopflos geworden. Das DeSoto betroffen sei, habe ich noch nicht gelesen. Allein drei Countys, einmal in Mississippi und gleich zweimal in Florida, sind nach ihm benannt. Es gab sogar mal eine Automarke.

Was man nicht alles einreißen müsste, würde man die „Andenken“ an alle Verbrechen der Menschheit tilgen wollen. "Geschichte kann man nicht stürzen", das las ich gerade beim googeln. 

Besser ist, wir rücken die Geschichte in das rechte Licht, das richtige Licht. Das heutige Licht. Mit Hernando DeSoto hat dies Kerstin Groeper getan, die beim Schreiben des Romans Donnergrollen im Land der grünen Wasser die Denkmalstürmerei aber vermutlich nicht vor Augen hatte.

Doch sind Hernando DeSoto und sein Capitan der Lanzenreiter Juan de Anasco nicht die Hauptfiguren ihrer Geschichte. Kerstin Groper schreibt, wie könnte es anders sein, von denen, die durch die spanischen Eroberer erschlagen, gefoltert, verbrannt wurden, die den Reitern auf den riesigen „Hunden“ außer Pfeilen nicht viel entgegensetzen konnten und die allein durch den Kontakt mit denen, die über das Meer kamen, in unglaublichen Epidemien dahingerafft wurden.



wikipedia: Hernando DeSoto

Es sind diesmal nicht die nomadisierenden Plainsindianer, die die „riesigen Hunde“ in späteren Jahrhunderten bereits für sich entdeckten und auf Mustangs ritten, die von den mitgebrachten Pferden der Spanier abstammten. Es sind diesmal sesshafte Völker, die Gartenbau betrieben, Wildreis ernteten und in befestigten Dörfern lebten.

Die Choctaw (Chatah)  leben 1538 unter ihrem Häuptling Tuscalusa bei Mabila (Mobile) als DeSoto nach der Landung in Florida in Landesinnere dringt. Das Mädchen Maisblüte und ihr kleiner Bruder Lehnender Hügel leben wohlbehütet bei ihren Eltern. Die Maisernte steht bevor und Maisblüte soll eine wichtige Rolle bei den Zeremonien erhalten.

Doch nachdem die Spanier dort ankommen und Tuscalusa nach einer Schlacht, in der tausende von Indios ums Leben kommen, selbst ermordet wird, ist alles anders. Maisblüte und ihr Bruder kommen als Sklaven in die Hände des Juan de Anasco, ihre Leidensgeschichte scheint etwas erträglicher als das anderer Sklaven zu sein. Aber Maisblüte ist ein Mädchen...

Der Zug der "Käfermänner" (wegen der Brustharnische), der Spanier, die bei dem Kampf auch eine Menge an Material, weniger Soldaten, aber viele Pferde und Schweine eingebüßt haben, geht nach Norden...

Im Norden, bei den Großen Seen, leben die Menominee, auch ein sesshaftes Volk in Wigwams aus Baumrinde und Ästen, sie haben Wildreis als Nahrungsquelle für sich entdeckt und gelegentlich handeln sie mit weit entfernten anderen Völkern. Im Gegensatz zu den Chatah haben sie eher mal Auseinandersetzungen mit benachbarten Stämmen. Machwao, Awässeh-neskas, Wapus und Wakoh wollen so eine Reise wagen. Ihr Weg führt in Richtung Süden. 

Es ist ein Roman und daher ist es nicht verwunderlich, dass sich diese Handlungsstränge treffen werden...

* * *

Sogenannte Indianerbücher oder Indianerromane waren oftmals Jugendbücher und besondere Grausamkeiten, wie zum Beispiel sexuelle Gewalt aber auch Aspekte des intimen Zusammenlebens von Männern und Frauen der indianischen Völker waren kein Thema in solchen Büchern. Donnergrollen im Land der grünen Wasser ist kein Jugendbuch. Es ist ein Roman für Erwachsene, nicht geeignet für dreizehn- oder vierzehnjährige Jungs und vor allem Mädchen, ob der geschilderten Qualen, die Maisblüte und ihr Bruder Nanih Waiya erleiden. Erstaunlich ist dabei trotzdem, dass deren „Besitzer“, Juan, unterschiedliche Seiten aufweist, unmenschliche, gewalttätige und dann wieder ruhige, überlegte, an einigen Stellen sogar so etwas wie Zuneigung zeigende. Doch täusche man sich nicht, auch der spanische Edelmann kann die Peitsche gebrauchen...

Sechshundert Seiten, auf denen die Autorin die Begebenheiten der beiden Chatah und der Menominee schildert, deren Wege auf der Schildkröteninsel, von der die Spanier annehmen, dass es nur eine Insel ist. Sie kommen, auch nach aktuellen Forschungen, bis an die großen Seen, doch nichts wird aus dem Seeweg nach China, an das Ufer schlägt Süßwasser. Das sind schon gewaltige Wege, die sie zurück legen. Daher werden nicht nur die Chatah im Süden der heutigen USA, sondern auch die nördlichen Völker, einschließlich der Menominee, von den eingeschleppten Krankheiten (Pocken) betroffen. Es sind vermutlich Millionen gewesen, die so starben, ein kampfloser Genozid, ebenfalls in Gruppen, die nicht einmal von diesen "reitenden Göttern" von jenseits des Ozeans im Osten  erfuhren.


Karte links aus Google-maps / Skizze der Schildkröteninsel


Es ist ein eindringliches Buch, welches einmal nicht das Ende der auf freier Prärie lebenden Uramerikaner im 19. Jahrhundert schildert, denn unsere Geschichte handelt vierhundert Jahre früher. Die grausamen Szenen wechseln sich ab mit freundlichen, Krieg und Tod stehen Liebe, Familien und Kinderlachen gegenüber. Gleich zwei indianische Völker mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden dar- und gegenüberzustellen, dass ist Kerstin Groeper wieder sehr gut gelungen. Nein, Indianerbücher sind nicht nur Abenteuer, Mut und Heldenhaftigkeit. Dieses Buch ist ein eindrucksvoller Beweis.

Es war nicht leicht, Informationen zu den genannten Völker zu erhalten, die Aufzeichnungen der spanier waren lückenhaft und widersprüchlich. Aber Kerstin Groeper besuchte Kanada und die Menominee - Reservation, mit einem Anthropologie - Professor Ausgrabungsstätten auf der Reservation und sammelte viele Infos und Fakten. Davon erzählt sie in einem informativen Nachwort, gemacht für neugierige und faktenkritische Leser, solche wie mich.


* * *

Es ergibt keinen Sinn, in der Welt die in Jahrhunderten aufgestellten Denkmäler einzureißen, weil die Dargestellten, zum Beispiel die „Entdeckungsfahrer“ auch Blut in Strömen vergossen und meinten, ihre christliche Mission, so als Nebenprodukt zum Erwerb von Reichtümern, müsse mit dem Kreuz und gleichermaßen mit dem Schwert verbreitet werden. Die Leistung der Männer auf der Santa Maria, der Pinta und der  Niña, die unter Cristobal Colon, dem Genuesen, den Seeweg nach Indien suchten, bleibt in der Geschichte bestehen. Ein Hernando DeSoto trat in deren Fußstapfen, seine „Leistung“ besteht, ja worin eigentlich? Dass er sich mit dem Inka „anfreundete“ und sich mit Pizarro entzweite, als er von der Exekution Atahulpas erfuhr? DeSoto war in Gebieten der heutigen Länder Panama, Nicaragua, Honduras, Peru und auf der Nächten und letzten Reise der USA nur eins: ein verbrecherischer Kriegsherr, Goldsucher, Sklavenhändler – kein Edelmann. Doch statt den Reiter in Baracarroto zu zerschmettern, sollte man lieber ein Schild mit deutlicher Rollenbeschreibung anbringen. Wie bei anderen auch.*




* Es mög allerdings ein Unterschied sein, ob man Statuen aus dem 18., 19. Jahrhundert betrachtet oder ob riesige Skulpturen von Diktatoren der Mitte des 20. Jahrhunderts abgerissen werden. Für den Abbau von Stalin und Co., zukünftig vielleicht von Mao und den Kims, gibt es viele Gründe und vor allem Familien, deren jüngere Geschichte von den mit ihnen verbundenen Verbrechen geprägt ist.   

© Bücherjunge


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