Montag, 30. November 2015

Hemmann, Tino: Hugo. Der unwerte Schatz - Hörbuch


Hugo Hassel ist der nette, kleine Junge von nebenan. Hemmann beschreibt das Leipziger Kind und dessen Psyche bis ins Detail. Allmählich erst begreift der Hörer, in welcher Gefahr der Junge ist. Hugo, von seinem Vater brutal misshandelt, lässt Fritz entstehen, ein Ebenbild des aufgeweckten Jungen. Fritz ist lange Zeit der einzige Vertraute. Es fällt auf, dass Hugo äußerst intelligent ist, ebenso bemerkt ein Arzt bei Hugos Einschulungsuntersuchung die zweite Persönlichkeit. Der Junge wird fortan von Professoren der Kinderpsychiatrie beobachtet. Zeitgleich rüstet sich die Regierung im Deutschen Reich für den größten Krieg seit Menschengedenken und parallel dazu für die Ausrottung unwerten Lebens. Hitlers Kindereuthanasie kommt in Gang. Unzählige Kinder sterben in Kinderfachabteilungen, aber auch in den Gaskammern, die von der Berliner T4-Zentrale im gesamten Reich eingerichtet werden. Ein Meldebogen entscheidet über die "Behandlung" der Kinder. Der Leipziger Universitätsprofessor von Rasch sieht seine Chance, mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Problematik multipler Persönlichkeitsspaltung, berühmt zu werden. Er fälscht Hugos Meldebogen und macht den Weg frei für Hugos "Desinfektion" in der Vernichtungsanstalt Pirna-Sonnenstein.


  • Hörbuch-Download
  • Spieldauer: 12 Stunden und 47 Minuten
  • Format: Hörbuch-Download
  • Version: Ungekürzte Ausgabe
  • Verlag: thono-audio-verlag
  • Erzähler: Bodo Henkel
  • Audible.de Erscheinungsdatum: 19. März 2012
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B007MCYC12



zur Hörprobe bei Audible.de











DAS BUCH HALLT NACH!



Uff. Es gibt (Hör-)Bücher, die lassen einen einfach nicht mehr los. Weder während der Lektüre noch danach. Dies ist so eines, und ich stehe noch vollkommen unter dem Eindruck des Geschehens. Und entgegen sonstiger Gewohnheiten fehlen mir hier erst einmal die Worte. Bis vielleicht auf eines: Respekt!

'Die Erzählung einer Kindheit' lautet der lapidare Untertitel des Buches, und auch der verschmitzt lächelnde Junge mit den Händen in den Taschen seiner Lederhose auf dem Cover deutet in seiner Harmlosigkeit in nichts auf das hin, was den Leser hier erwartet. Ich kann nur sagen: selten hat mich ein Buch derart beeindruckt.

Warum eigentlich? Schließlich schreibt Tino Hemmann hier über ein fiktives Kind, und auch die anderen Charaktere sowie viele der genannten Orte sind frei erfunden. Hugo heißt das Kind, wie der Titel bereits verrät - und es erlebt seine Kindheit im Nationalsozialismus. Mit seinen blauen Augen und den blonden Haaren könnte Hugo arischer nicht sein, und auch seine Noten in der Schule lassen nichts zu wünschen übrig. Doch Hugo ist anders, und dies, so wird Hugo wie dem Leser allmählich deutlich, ist fatal.

Bereits als Säugling wird Hugo von seinem Vater schwer misshandelt, und dies bleibt so, bis der Vater an die Front muss. Die Mutter schreitet nicht ein, verdrängt die Zeichen der Misshandlung und setzt ihren Sohn damit schutzlos dem Martyrium aus. Auch seine älteren Schwestern setzen sich nicht für den Jungen ein, drangsalieren ihn noch zusätzlich. Doch Hugo ist ein intelligentes Kind, und sein Gehirn findet einen Weg, mit den Schmerzen und den Erniedrigungen umzugehen. Es kreiert eine zweite Person, Fritz, der immer dann auftaucht, wenn Schweres zu ertragen ist. Fritz und Hugo sind unzertrennlich, doch außer Hugo kann niemand den anderen sehen. Mit ihm kann er sich unterhalten, wo doch sonst kaum jemand mit ihm redet, und ihm kann er bedingungslos vertrauen. Für alle anderen sieht es so aus, als führe Hugo Selbstgespräche.

Als Hugo in die Schule kommt, fallen zwei Dinge sogleich ins Auge: seine überragende Intelligenz sowie der unsichtbare Fritz, der Anlass gibt, den Jungen in einer Kinderpsychiatrie vorzustellen. Von da an ist Hugo zum Entsetzen seiner Eltern aktenkundig, muss immer wieder einmal zur Untersuchung, auch wenn er im Schulalltag rasch seinen Platz findet. Doch auch das offenkundige Wohlwollen des Lehrers kann nicht verhindern, was durch die Mühlen des Nationalsozialismus unaufhaltsam seinen Lauf nimmt. Ein ehrgeiziger Professor wird auf den sonderbaren Fall aufmerksam - und dank der neuen Euthanasiegesetze setzt er alles daran, Hugos Hirn persönlich untersuchen zu können - nach dessen postmortaler Entnahme.

Der Kloß im Hals wird beim Lesen / Hören immer größer. Man ahnt, worauf es hinausläuft und fühlt die Ohnmacht der Beteiligten. Hemmann schafft es, den Leser für diesen kleinen, ganz besonderen Menschen Hugo völlig einzunehmen. Immer wieder stößt der Junge auf wohlwollende Menschen, die versuchen ihm zu helfen, und doch rückt die Bedrohung der faschistischen Maschinerie immer näher. Zeitweise war dies nur schwer zu ertragen.

Der Autor präsentiert hier ein ergreifendes Einzelschicksal - eine zwar fiktive Biografie, die jedoch für unzählige reale Kinder steht, die während der Zeit des Nationalsozialismus als unwert deklariert und ermordert wurden - oftmals im Zeichen der Wissenschaft. Nicht alle genannten Orte sind fiktiv, und gerade ostdeutschen Lesern werden manche der Namen vertraut sein, auch wenn die Rolle der Einrichtungen während Hitlers Diktatur nicht jedem bekannt sein dürften. Hemmann lässt in die Biografie des Jungen immer wieder auch konkrete Details der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten einfließen, so dass die Einbindung von Hugos Schicksal in den geschichtlichen Hintergrund für den Leser jederzeit transparent ist. Auch die damalige Rolle der Kirche wird durch die Erzählung selbst sowie durch zusätzliche Erläuterungen sehr deutlich.

Das Ende - tja. Es ist was es ist. Es ist der Wahrheit geschuldet. Und der Menschlichkeit. Nur so wird das Entsetzen in seinem ganzen Umfang (be-)greifbar.

Bodo Henkel liest dieses ungekürzte Hörbuch (12 Std. 47 Min.) einfühlsam und unaufdringlich. Die tiefe sonore Stimme lässt den Hörer eher eine Märchenerzählung erwarten, und doch trägt sie eine Erzählung vor, die ungemein berührend und erschütternd ist.

Es ist dem Buch zu wünschen, dass es von vielen Lesern / Hörern entdeckt wird. Es gelingt Hemmann, die Zusammenhänge und geschichtlichen Hintergründe plausibel und nachvollziehbar zu präsentieren, und gerade auch für Schüler ist dies in meinen Augen eine überaus geeignete Lektüre, um die Grundlagen eines menschlichen Miteinanders zu begreifen. Das Buch bietet zahlreiche Erkenntnisse und Emotionen, mit denen der Leser sich auseinanderzusetzen hat und die einen nachhaltig beschäftigen.

Sehr beeindruckend. Sehr bewegend. Sehr empfehlenswert. Und 'Gegen das Vergessen' im Grunde eine Pflichtlektüre...



© Parden
















Tino HemmannDer Engelsdorfer Verlag schreibt über den Autor:

Tino Hemmann wird in Februar 1967 in Leipzig geboren. Kurz darauf beginnen die Studentenunruhen, doch er kann angeblich nichts dafür. Mit zehn Jahren schreibt er erste Texte auf Papier, später borgt er sich eine Adler-Schreibmaschine aus. Besucht den Klub Schreibender Arbeiter in Leipzig und lernt real sozialistische Literaturvorstellungen kennen. Nach Lehre, Abi und Hochschule, Hochzeit, Nationaler Volksarmee, folgt eine kurze Lehrertätigkeit, dann der Sturz in die Marktwirtschaft. Über eine Digitaldruckerei gelingt der Weg zum eigenen Verlag. Lebt familiär in dörflicher Idylle.

Bekannteste Werke sind „Hugo. Der unwerte Schatz“, mehrere Leipzig-Krimis und das Fantasy-Buch „David Knackmann“. Hemmann sagt selbst: „Wer eines Tages vergessen hat, dass er selbst ein Kind war, ist verloren.“ Kinder spielen in den meisten Büchern Hemmanns eine Hauptrolle. Seit 2008 widmet er sich der Science-Fiction-Saga „Der Rat der Planeten“


übernommen vom Engelsdorfer Verlag

Samstag, 28. November 2015

Ogawa, Yoko: Der Herr der kleinen Vögel

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Auf dem Gelände eines ehemaligen Waisenhauses steht eine Voliere, in der ganz unterschiedliche Vogelarten gehalten werden: Kanarienvögel, Haussperlinge und Prachtfinken, aber auch Papageien. Jeden Tag besucht ein Mann die Voliere, um im Schatten eines Ginkgos dem Gesang der Vögel zu lauschen und mit ihnen zu sprechen. Eines Nachmittags jedoch bricht er neben dem Käfig zusammen und stirbt kurze Zeit später. Die Vögel sind über den Verlust ihres treuen Freundes so bestürzt, dass seinem jüngeren Bruder die Obhut der Voliere anvertraut wird, um sie zu beruhigen. Von den Kindern in der Stadt wird der jüngere Bruder fortan der »Herr der kleinen Vögel« genannt – so aufopferungsvoll kümmert er sich um die Tiere. Er lebt einsam und zurückgezogen, nur zwei Menschen gelingt es, sein Vertrauen zu gewinnen. Einer jungen Bibliothekarin, die er kennenlernt, als er in der Stadtbücherei Fachbücher über Vogelkäfige konsultiert. Und einem alten Mann, der stets eine kleine Holzschachtel mit einer Grille bei sich trägt, um sich an ihrem Gesang zu erfreuen ... Als eines Tages ein kleines Mädchen vermisst gemeldet wird, gerät die ansonsten so friedliche Stadt in helle Aufregung. Und der Herr der kleinen Vögel wird von zwei Polizisten über seinen merkwürdigen Bekannten mit der Grille befragt, der ebenfalls spurlos verschwunden ist.

(Klappentext Liebeskind Verlag)


  • Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
  • Verlag: Liebeskind; Auflage: 1 (24. August 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Sabine Mangold
  • ISBN-10: 3954380501
  • ISBN-13: 978-3954380503














Ich danke dem Liebeskind Verlag ganz herzlich für die Möglichkeit, dieses Buch als Rezensionsexemplar lesen zu können!


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DER GESANG DER EINSAMKEIT...



Dies ist bereits das dritte Buch von Yoko Ogawa, das ich gelesen habe, und immer wieder zeigt sich ihre Kunst, auf eine unaufgeregte und doch fast poetische Art einsame Leben zu präsentieren, die leise am Rande der Gesellschaft existieren und letztlich dennoch erfüllt scheinen.

In diesem Buch geht es um zwei Brüder, die sich von Kindheit an eine ganz eigene Welt schaffen. Der ältere der beiden Brüder vermag nicht mit anderen zu kommunizieren, hat aber eine eigene Sprache entwickelt, zu der nur der jüngere Bruder einen Zugang hat. Dieser versteht ihn und kann sich mit ihm unterhalten, fungiert auch als 'Übersetzer' für die Umwelt. Er ist es auch, der erkennt, dass sein älterer Bruder sich nicht nur für Vögel zu interessieren beginnt, sondern so intensiv dem Gesang dieser Tiere lauscht, dass es oftmals so wirkt, als könne er sich mit ihnen unterhalten.

Nach dem Tod der Eltern ist es der jüngere Bruder, der sich um den Älteren kümmert. Er arbeitet als Verwalter eines stillen Gästehauses einer Firma und verdient so das Geld für sie beide, er erledigt auch die Einkäufe und alle außerhäuslichen Angelegenheiten, während der ältere Bruder sich um den Haushalt kümmert. Die beiden leben wie in einem Kokon, umgeben von Ritualen, die kaum einmal durchbrochen werden. Sie fühlen sich am wohlsten gemeinsam in ihrem Elternhaus, sorgen sich um die Vögel im Garten und gehen täglich zu einer nahegelegenen Voliere auf dem Grundstück eines Kindergartens. Dort steht der ältere Bruder oft stundenlang, um die Vögel zu beobachten und ihrem Gesang zu lauschen - der Zaun, an den er sich dabei lehnt, zeigt schon den Abdruck des Mannes.

Als der ältere Bruder plötzlich stirbt, vermag der Jüngere nicht von seinen Ritualen abzulassen. Er besucht weiter täglich die Voliere und übernimmt schließlich die Pflege der Vögel. Leise und behutsam begibt er sich in den Dienst der scheuen Tiere und erfreut sich stets an deren schönem Gesang. Im Kindergarten nennen sie ihn nur noch den 'Herrn der kleinen Vögel'. Er beginnt sich Bücher über Vögel in der Bibliothek auszuleihen und kommt dort scheu in Kontakt mit der jungen Bibliothekarin. Und bei einem sonntäglichen Spaziergang lernt er einen älteren Mann kennen, der ihn lehrt, dass auch Zikaden schön zu singen vermögen. Doch eines Tages wird ein kleines Mädchen als vermisst gemeldet, und plötzlich muss der jüngere Bruder erfahren, dass 'Kotori' nicht nur 'Herr der kleinen Vögel' bedeutet...

Ein Buch der leisen Töne über ein scheues, zurückgezogenes Leben und über den Rückzug in die Stille hat Yoko Ogawa hier präsentiert. Ohne jede Wertung und in der Rolle des genauen Beobachters stellt die Autorin dieses Leben vor und lässt den Leser daran teilhaben. Gemeinsam entdeckt man die kleine Dinge des Alltags, an denen man sich erfreuen kann, lernt die Welt der sonst oft so unscheinbaren Vögel kennen - und verneigt sich schließlich trotz einer verbleibenden Distanziertheit - niemals erfährt man beispielsweise den Namen eines der Brüder - vor einem derart unspektakulären und letztlich doch erfüllten Leben.

Wieder einmal ein bezauberndes Buch der japanischen Schriftstellerin, das mich in meiner Absicht bestärkt, noch weitere Werke von ihr lesen zu wollen.


© Parden












Yoko OgawaDer Liebeskind Verlag schreibt über die Autorin:

Yoko Ogawa gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Tanizaki-Jun'ichiro-Preis. Für ihren Roman »Das Geheimnis der Eulerschen Formel« erhielt sie den begehrten Yomiuri- Preis. Yoko Ogawa lebt mit ihrer Familie in der Präfektur Hyogo.

übernommen vom Liebeskind Verlag


Freitag, 27. November 2015

Bockenheimer, J.C: Chuzpe, Anarchie...

... und koschere Muslime.
Meine Versuche, Israel zu verstehen.

Diese Versuche sind nicht selten. Am besten man macht sie vor Ort. Hatte ich bereits versucht und die Bücherdazu findet die geneigte Leserin, der geneigte Leser auf der Palästina-Seite des gerade schreibenden Bloggers.

Doch zuvor muss ich mal klären was eigentlich CHUZPE ist. Was hilft? Wikipedia:

Ich zitiere:

"Chuzpe [xʊtspə], auch Chutzpe (aus dem jiddischen חוצפה [chùtzpe] von hebräisch חֻצְפָּה [chuzpà] für „Frechheit, Anmaßung, Dreistigkeit, Unverschämtheit“ entlehnt) ist eine Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit.
Im Hebräischen enthält der Begriff eine negative Bewertung für jemanden, der die Grenzen von Höflichkeit oder Anstand aus egoistischen Motiven überschreitet. Im Jiddischen und in den meisten europäischen Sprachen schwingt Anerkennung für eine Form sozialer Unerschrockenheit mit. Hier spricht man insbesondere von Chuzpe, wenn jemand in einer eigentlich verlorenen Situation mit Dreistigkeit noch etwas für sich herauszuschlagen versucht." [1]

* * *

Amos Oz / © Karatekadd
Bleiben wir mal bei sozialer Unerschrockenheit und der geschilderten Diskussionswut von Israelis. Bockenheimer, und das ist schon mal ein großes Plus für das Buch, sprach mit Amos Oz, dem diesjährigen Buchpreisträger der Leipziger Buchmesse. Der erzählt eine Geschichte aus seiner Wehrdienstzeit. In dieser wird ein General, welcher unmittelbar vor dem Sechs-Tage-Krieg die taktischen Pläne erläutern wollte, von einem Reserve-Unteroffizier mit den Worten: "Entschuldigen Sie, Herr General, sie sind im Begriff, einen schweren konzeptionellen Fehler zu begehen!", unterbrochen und sodann auf Tolstois Krieg und Frieden verwiesen. Dies führte zu einem irrsinnigen Gequassel, was den deutschen uniformtragenden Blogger zum verständnislosen Kopfschütteln bringt. [2] (Das man sich meines Wissens in der Armee Israels unterschiedslos mit DU anspricht, hat bestimmt noch dazu beigetragen)

Jetzt zumindest ahnen wir, was CHUPZE in etwa bedeutet; Anarchie muss ich nicht unbedingt erläutern.

Durch das ganze Buch zieht sich die Beschäftigung mit Theodor Herzl, dem Begründer des modernen Zionismus. Sein bekanntestes Buch, Der Judenstaat, war bereits einmal Thema hier im Blog.  Bockenheimer konfrontiert seine Gesprächspartner mit Herzls Theorien. Die Antworten darauf sind gelegentlich verblüffend. Herzls Ansichten scheinen im heutigen Israel nicht zu sehr verbreitet zu sein. Sie waren auch etwas utopisch wie sein Roman Altneuland. von 1902. auch dieses Buch zieht Bockenheimer oft für seine Beschreibungen heran.

* * *

Im weiteren trifft Bockenheimer einen "zionistischen Muslim" und erzählt zwischendurch vom Purim-Fest, an dem sich alle verkleiden. Seine Freundin Yarden verblüfft den Autor: Sie erscheint mit "weißem Bubikragen über dunkelblauer Bluse, und die sonst brünetten Haare waren schwarz gefärbt und zu einem eleganten Seitenscheitel gekämmt. auf der Brust prangte ein gelber Stern, der Judenstern." Yarden ruft ihm zu: "Heute Abend gehst du mit Anne Frank aus! [3]

Sie wolle ihm einen Abend mit Landsmännern schenken. Daraus entsteht natürlich Streit:

Johannes: "Ich versuche nur zu verstehen, warum in Deutschland den Menschen die Gesichtszüge gefrieren, wenn sie das Wort 'Holocaust' hören, in Israel das aber niemand zu kümmern scheint."
Yarden: "Hör zu: Mich hat weder jemand gefragt, ob ich als Jüdin geboren werden will, noch hat mich jemand gefragt, ob ich im Nahen Osten aufwachsen will. Was soll ich machen? Den ganzen Tag ein ernstes Gesicht aufsetzen und der Opfer des Holocaust gedenken?" [4]

Ohne Worte...

* * *

Das der "in das sozialistische Wirtschaftssystem verliebte" junge Staat daran fast zugrunde gegangen wäre, erzählt der Autor ebenso, wie die Entwicklung zum "reinen Kapitalismus". Die Leute im Land mit dem höchsten BIP-Wachstum und der höchsten Armutsrate (OECD / 2010) sehen sich gelegentlich nach den "sozialistischen" Zeiten zurück. [5]

* * *


Bockenheimer erzählt von Gesprächen mit einem ultraorthodoxen Rabbi, der meint, die Juden wären bis zur Ankunft des Messias lieber in der Diaspora geblieben und Herzl sei ein ("der größte") Antisemit, der die Juden mit seiner Idee von der eigenen Heimstatt ihrer Traditionen entwurzelt hätte. Aha.

Er spricht mit einem schwulen Pornoproduzenten, einem Nobelpreisträger, einer kämpferischen Stadträtin von Jerusalem, mit einem Barbesitzer und Tel Aviv, Antizionisten und Palästinenserfreund und einem zionistischen Drusen.


Am Ende kommt Bockenheimer zu dem Schluss, dass der Versuch, Israel zu verstehen gescheitert sei: Immer neu Fragen quälen ihn nun. Ihn, den seine deutschen Gene davon im Gegensatz zu Israelis davon abhalten bei Rot über eine Ampel zu laufen, steht am Ende (nachts) an einer und traut sich, dieses "Verbrechen" zu begehen.


* * * 



Abb [7]
Es ist eine sehr persönliche Annäherung an den Staat der Juden, schreibt der Pantheon-Verlag auf der Buchwebseite und führt weiter aus: "Johannes C. Bockenheimer gelingt ein behutsames, mitunter skurriles Porträt Israels, das letztlich vor allem eines tut: bestens unterhalten." [6]



Der Autor hat Politikwissenschaften (Hamburg) und Nahostwissenschaften (Beer Sheva) studiert, war als Korrespondent für das Handelsblatt, den Tagesspiegel, die Jüdische Allgemeine, die Zeit immer wieder in Palästina. Wer mehr von ihm lesen will, kann das ja mal hier versuchen..




* * *


Es war wirklich ein kurzweiliges Buch und es beweist, dass Journalisten durchaus spannend und genau berichten, Kritik mit Humor verbinden und auch ernsthafteste Themen ohne Moralin darbieten können. Die regelmäßigen Rückgriffe auf Herzl sind Methode und damit hat Bockenheimer vielleicht Israel noch nicht verstanden aber etwas zum Verständnis beigetragen. Zumindest bei mir.

Dem RandomHouse danke ich noch für dieses Exemplar, welches ich gern rezensiert habe.


DNB / Pantheon - Verlag / München 2015 / ISBN: 978-3-570-55276-6 / 206 Seiten

© KaratekaDD



Quellen:

Dienstag, 24. November 2015

Di Fulvio, Luca: Ein Cent für ein Leben - Hörbuch




New York in den Zwanzigerjahren. Zwei junge jüdische Männer, Jacob Berkowitz und Sholem Lipsky, lehnen sich gegen das Schicksal ihrer Eltern auf, die vor den Progromen aus Russland geflohen waren und nun in Amerika als Arbeiter ausgebeutet werden. Jacob wird Gangster, der im Sold der Arbeitgeber auf Streikende einprügelt, Sholem Gewerkschaftsmitglied. Während eines hitzigen Gefechts hat Jacob ihm ein Auge ausgeschlagen. Sholem weiß, dass die Arbeiter ihre Forderungen allein mit Streiks nicht durchsetzen können. Deshalb will er die Gangster dazu bringen, an ihrer Seite gegen die Streikbrecher vorzugehen. Dafür bietet er genau einen Cent mehr, als die Bosse zahlen. Doch das ist nur der erste Schritt in Sholem Lipskys Plan. Denn er sinnt auf Rache gegen Jacob.

  • Autor: Luca Di Fulvio
  • Gesprochen von: Philipp Schepmann
  • Spieldauer: 01 Std. 35 Min. 
  • ungekürztes Hörbuch
  • veröffentlicht: 16.02.2012
  • Anbieter: Lübbe Audio

(Angaben Audible.de)













ZU KURZ, UM WIRKLICH GUT ZU SEIN...


Luca di Fulvio hat bereits mit seinem 783 Seiten starken Buch 'Der Junge, der Träume schenkte' sein Interesse an den Gegebenheiten New Yorks zu Beginn des 20. Jahrhunderts bewiesen: viele Zuwanderer aus aller Herren Länder, die oftmals in Armut lebten und als Arbeiter ausgebeutet wurden - zusammengepfercht in Vierteln, auf denen das Gesetz der Straße herrschte.
In dieser Kurzgeschichte berichtet di Fulvio von den Söhnen zweier jüdischer Männer, die sich mit ihren Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Massenauswanderung der Juden aus Russland angeschlossen hatten, nachdem ihre Familien im Rahmen der Progrome umgekommen waren.

Jacob Berkowitz und Sholem Lipsky haben in den New Yorker 1920er Jahren trotz der langjährigen und andauernden Freundschaft ihrer Eltern nichts miteinander zu tun - außer in dem Beschluss, sich als Söhne der ausgebeuteten Arbeiter nicht dem Schicksal ihrer Eltern unterzuordnen. Jacob erhält als Mitglied einer Gangsterbande seinen Sold für das Verprügeln streikender Arbeiter (gezahlt von den Arbeitgebern), Sholem dagegen schließt sich einer Gewerkschaft an, die genau zu diesen Streiks aufruft. Nachdem Jacob Sholem während einer dieser Unruhen ein Auge ausgeschlagen hat, sinnt dieser auf Rache. Er bringt die Gewerkschaft dazu, die Dienste der Gangster in Anspruch zu nehmen - für einen Cent mehr als für den Betrag der Bosse sollen die Gangster nun nicht mehr die Streikenden verprügeln, sondern vielmehr die Streikbrecher. Dies ist aber nur der erste Schritt Sholems in seinem Plan auf Rache...

Hätte man hieraus mehr machen können? Das fragte ich mich nach dem Hören des von Philipp Schepmann angemessen vorgetragenen Hörbuchs. Luca di Fulvio hat mich mit dem Buch 'Der Junge, der Träume schenkte' mit einem prallen Feuilleton der New Yorker 20er Jahre überrascht und hat den Charakteren dort Leben und Farbe eingehaucht. In dieser Kurzgeschichte derselben Epoche bleiben die Charaktere dagegen eher farblos und oberflächlich. Gewalt und Ohnmacht sind die beherrschenden Themen, und vielleicht bietet gerade diese schmucklose Präsentation der Zustände ein wahres Bild dieser Zeit. Das Ende - ohne zu viel verraten zu wollen - lässt mich noch am ehesten mit einem Schulterzucken zurück. Ein Gefühl, mit dem ich nicht gerne aus einer Geschichte entlassen werde.

Eher eine grobe Skizze denn ein Portrait der 20er Jahre in New York, und insgesamt eine Geschichte, der ich mehr Seiten und mehr Zeit gewünscht hätte, um sich zu entfalten.


© Parden











Luca Di Fulvio - AutorDer Lübbe Verlag schreibt über den Autor:

Luca Di Fulvio, geb. 1957, lebt und arbeitet als freier Schriftsteller in Rom. Bevor er sich dem Schreiben widmete, studierte er Dramaturgie bei Andrea Camilleri an der Accademia Nazionale d'Arte Drammatica Silvio D'Amico. Seine  Romane Der Junge, der Träume schenkte und Das Mädchen, das den Himmel berührte standen monatelang auf den ersten Plätzen der Spiegel-Bestsellerliste.

übernommen vom Lübbe Verlag



Montag, 23. November 2015

Maia, Ana Paula: Krieg der Bastarde

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Amadeu, ein Pornodarsteller aus Rio, klaut aus dem Büro seines ermordeten Chefs eine rote Nylontasche. Zu seinem Erstaunen ist sie randvoll mit Kokain. Amadeu glaubt, das große Los gezogen zu haben. Endlich kann er seine Freundin Gina, eine tätowierte rothaarige Preisboxerin, von ihren Geldsorgen befreien und mit ihr ein neues Leben beginnen. Doch alles kommt ganz anders: Amadeu wird von einem Taxi überfahren und stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus. Aber niemand weiß von Amadeus Tod, und deshalb ist schon bald Rios komplette Unterwelt hinter ihm und der Tasche her …

(Klappentext Droemer Knaur Verlag)



  • Taschenbuch: 240 Seiten
  • Verlag: Droemer TB (2. Februar 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Wanda Jakob
  • Originaltitel: A guerra dos bastardos
  • ISBN-10: 342630421X
  • ISBN-13: 978-3426304211












NEUANFANG? CHAOS!


Gelegenheit macht Diebe? Dies trifft auf jeden Fall auf Amadeu zu, der seinen Chef um ein Darlehen bitten will, dann aber ungewollt Zeuge wird, wie der einen Mann in seinem Büro erschießt und anschließend selbst einen Herzinfarkt erleidet. Zwei Tote innerhalb weniger Sekunden, weit und breit ansonsten keine Menschseele - und eine leuchtend rote Nylontasche, die geradezu danach schreit mitgenommen zu werden. Ein wahrer Glücksgrif: prall gefüllt mit Kokain, verspricht die Tasche Amadeu einen Neuanfang, ein besseres Leben - er muss den Stoff nur erst zu Geld machen. Dann kann er seinen Job als Pornodarsteller endlich hinschmeißen und die Schulden seiner Freundin Gina begleichen. Als Preisboxerin hat diese in letzter Zeit keinen einzigen Kampf mehr gewonnen und hat sich nun bis über beide Ohren ihres rothaarigen Kopfes verschuldet.


"Amadeu bleibt allein im Wohnzimmer, aus dem Fenster gelehnt starrt er auf die andere Straßenseite. Dort drüben liegt ein Neuanfang. Endlich wird sein Leben einen anständigen Verlauf nehmen... (S. 38)"


Doch hier fangen die Probleme erst richtig an. Auch wenn Rio riesig ist, sind die Verstecke rar gesät, denn die Bosse der Unterwelt haben ihre Fühler überall. Kaum hat Amadeu das Kokain verkauft, wird die Jagd auf ihn eröffnet. Ein bunter Reigen an schrägen Charakteren wird fortan in den Strudel der Ereignisse hineingezogen, darunter die Filmregisseurin Edwiges D'Lambert, die ihre Beinprothese als Geheimversteck nutzen kann, sowie das erfolgreiche Auftragskiller-Pärchen Edgar und Pablo, deren Autositze knistern, weil sie mit Plastik überzogen sind (Blut versaut alles...). Immer mehr Menschen werden in die hektische Suche nach Amadeu und dem Diebesgut hineingezogen - und niemand weiß, dass diese Suche vergelbich sein wird, denn Amadeu ist tot. Überfahren und auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben...


"Ohne das Geld würden sich die nächsten zwanzig Jahre hier in dieser Wohnung abspielen, er würde sich, an einem Zahnstocher kauend, jeden Abend zulaufen lassen, und eine große Delle auf seinem Sofa würde die Umrisse seines Tag für Tag dort festgekeilten Hinterns verraten, eine Delle der Trägheit, des Müßiggangs." (S. 168)


Eine verrückte Mischung an Situationskomik und absurden Zufällen präsentiert Anna Paula Maia hier und zeichnet dabei ein grellbuntschräges Bild der Halbwelt einer brasilianischen Großstadt. Raub, Mord, Organhandel, illegale Boxkämpfe, Pornofilme und Drogengeschäfte - nichts wird hier ausgelassen, erscheint aber durch die skizzierten Figuren eher nebensächlich. Denn alle träumen im Grunde davon, ihrer jetzigen Situation zu entfliehen, wenn sich nur eine Gelegenheit dazu ergibt - und bis dahin ist es eben so. Anna Paula Maia widmet sich mit Witz, Härte und Melancholie den Verkommenen, Maßlosen und Abtrünnigen und schafft so Sympathien selbst für diejenigen, die ihr Gegenüber am liebsten tot sehen und es dann kleingehackt an Schweine verfüttern. Der Hinweis, dass das Buch verfilmt werden soll, überrascht dabei keineswegs. Oftmals hatte ich tatsächlich schon Kinobilder beim Lesen vor Augen.

Trash à la Pulp Fiction sorgt hier für quirlige Unterhaltung, die letztlich nur im absoluten Chaos enden kann. Der Schreibstil ist dabei gehoben, oftmals von komplex-verschachtelten Sätzen durchsetzt und durchaus nicht immer einfach runterzulesen. Sicher ist es Geschmacksache, ob einem diese Mischung zusagt - ich fühlte mich jedenfalls gut unterhalten.


© Parden











Ana Paula Maia, geboren 1977 in Nova Iguaçu, einer Vorstadt von Rio de Janeiro, hat als Jugendliche in einer Punkband gespielt. Während des Studiums der Publizistik begann sie neben Werbetexten auch Theaterstücke, Drehbücher und Romane zu schreiben. Eine ihrer Geschichten gab sie in zwölf Folgen mit dem Zusatz "Pulp-Feuilletons" selbst online heraus, weil sie davon ausging, keinen Verleger zu finden, der mutig genug wäre, sie zu veröffentlichen. Mittlerweile publiziert sie bei einem der größten Verlage Brasiliens. Ihr Roman "Krieg der Bastarde" wird in Brasilien gegenwärtig verfilmt. Ana Paula Maia lebt in Rio.

übernommen vom Droemer Knaur Verlag

Sonntag, 22. November 2015

Poznanski, Ursula & Strobel, Arno: Fremd



Stell dir vor, du bist allein zu Haus. Plötzlich steht ein Mann vor dir. Er behauptet, dein Lebensgefährte zu sein. Aber du hast keine Ahnung, wer er ist. Und nichts in deinem Zuhause deutet darauf hin, dass jemand bei dir wohnt. Er redet auf dich ein, dass du doch bitte zur Vernunft kommen sollst. Du hast Angst. Und du verspürst diesen unwiderstehlichen Drang, dich zu wehren. Ein Messer zu nehmen. Bist du verrückt geworden?
Stell dir vor, du kommst nach Hause, und deine Frau erkennt dich nicht. Sie hält dich für einen Einbrecher. Schlimmer noch, für einen Vergewaltiger. Dabei willst du sie doch nur beschützen. Aber sie wehrt sich, sie verbarrikadiert sich. Behauptet, dich niemals zuvor gesehen zu haben. Sie hält dich offensichtlich für verrückt. Bist du es womöglich?

Eine Frau. Ein Mann. Je mehr sie die Situation zu verstehen versuchen, desto verwirrender wird sie. Bald müssen sie erkennen, dass sie in Gefahr sind. In tödlicher Gefahr. Und es gibt nur eine Rettung: Sie müssen einander vertrauen...


(Klappentext rowohlt Verlag)


  • Broschiert: 400 Seiten
  • Verlag: Wunderlich (30. Oktober 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3805250843
  • ISBN-13: 978-3805250849
















OCH NÖ...


 Coverbild «Die Angst wird euer Begleiter sein, wo immer ihr auch seid …»

Was ist hier eigentlich los?! Dieser Gedanke fliegt einem beim Lesen der ersten Kapitel durch den Kopf - und sicher auch durch den Kopf der Hauptcharaktere, denn schließlich ist die Situation ja auch mehr als verwirrend. Joanna will sich nach Feierabend frisch geduscht nur noch mit Buch und Tee auf die Couch lümmeln, da steht plötzlich ein Fremder vor ihr. Doch der will sie weder bestehlen noch vergewaltigen, wie sie zunächst befürchtet, sondern - behauptet, ihr Verlobter zu sein?! Erik freut sich nach einem anstrengenden Tag, endlich nach Hause zu kommen - und pötzlich erkennt ihn seine Freundin nicht mehr, hat sogar Angst vor ihm! Ein rascher Blick lässt ihn erkennen, dass es im gesamten Haus nichts gibt, was ihm gehört. Wie kann das sein?! Tatsache ist: nur eine Version kann stimmen.


Ich wusste nicht, dass es so viele Abstufungen von Angst gibt. Wilde, unmittelbare, ungestüme Todesangst wie die von gestern Abend (...) Das war schlimm, aber besser zu ertragen als das, was ich jetzt empfinde - eine schleichende, kriechende Angst, die jeden Winkel meines Körpers ausfüllt. Denn ganz egal, was hinter der unfassbaren Situation steckt, in der ich mich befinde - es ist mit Sicherheit nichts Harmloses. (S. 65)


Ein interessantes Experiment haben hier zwei hochkarätige Thrillerautoren gewagt. Sie haben eine Geschichte erzählt, indem sie in kurzen Kapiteln abwechselnd zwei verschiedene Perspektiven präsentieren und dem Leser dadurch die Sichtweisen beider Hauptcharaktere zukommen lassen. Jemand in der Leserunde wusste zu berichten, dass Ursual Poznanski den Part von Joanne geschrieben hat, Arno Strobel entsprechend den von Erik. Obwohl ich darauf geachtet habe, konnte ich keine großartigen Unterschiede im Schreibstil feststellen, so dass es hier gelungenermaßen keine Stolpersteine gab.

Es hat ungefährt 70 Seiten gedauert, bis ich wirklich in der Geschichte angekommen war - es beginnt mäßig spannend, zu Anfang herrscht die Verwirrung vor - dann aber richtig. Ich wollte das Buch kaum noch aus der Hand legen, und Müdigkeit oder sonstige Störungen waren da einfach nur lästig. Trotz zunehmender Spannung ahnte ich allerdings etwa ab der Hälfte des Buches, was in etwa hinter dem ganzen stecken könnte, und befürchtete auch, den Grund für die Problematik von Joanne und Erik zu kennen. Leider bewahrheitete sich dies, worüber ich zugegebenermaßen doch etwas enttäuscht bin.


***Achtung: Spoiler!!!***
Hypnose ist in dem geschilderten Zusammenhang für mich leider nicht überzeugend. Das ist Stoff für Hollywood-Filme, hält aber keiner Prüfung stand. So gilt es als nicht möglich, einen Menschen unter Hypnose zu Taten zu zwingen, die seinen Ich-Idealen und seinem Wesen widersprechen. Und so wie Jo beschrieben ist, glaube ich nicht, dass 'Mordlust' ein Teil ihres Wesens ist.
***Spoiler Ende***

Also insgesamt ein wirklich spannender Pageturner, dessen Auflösung mich allerdings nicht ganz überzeugen konnte, auch wenn sie im Grunde vorhersehbar war. 3,5 Sterne, die ich gerne auf 4 aufrunde, weil das Buch mir unterhaltsame Lesestunden beschert hat.


© Parden













Der rowohlt Verlag schreibt über die Autoren:


Ursula Poznanski wurde 1968 in Wien geboren. Sie war als Journalistin für medizinische Zeitschriften tätig. Nach dem fulminanten Erfolg ihrer Jugendbücher "Erebos", "Saeculum" und der Eleria-Trilogie "Die Verratenen", "Die Verschworenen" und "Die Vernichteten" landete sie bereits mit ihrem ersten Thriller "Fünf" auf den Bestsellerlisten. Bei Wunderlich folgten "Blinde Vögel" und "Stimmen". Inzwischen widmet sich Ursula Poznanski ganz dem Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien.
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Arno Strobel, 1962 in Saarlouis geboren, studierte Informationstechnologie und arbeitete lange bei einer großen deutschen Bank in Luxemburg. Im Alter von fast vierzig Jahren begann er mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, die er in Internetforen veröffentlichte, bevor er sich an seinen ersten Roman heranwagte. Mit seinen Psychothrillern "Der Trakt", "Das Wesen", "Das Skript", "Der Sarg" und "Das Dorf" (alle Fischer) erklomm Strobel die Bestsellerlisten. Auch er schreibt Jugendromane ("Abgründig", "Schlusstakt"). Arno Strobel lebt mit seiner Familie in der Nähe von Trier.
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Samstag, 21. November 2015

Berndorf, Jacques: Die Grenzgängerin

Ein SPY-Roman. Nicht etwa die Agenten der CIA (Clancy) oder des MOASSAD (Silva) sind die handelnden Figuren, obwohl von beiden Geheimdiensten Agenten auftreten. Nein, diesmal ist es der Bundesnachrichtendienst, kurz BND.


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 Ein deutscher Agent des BND geht in Tripolis verloren. Es ist die Zeit des Bürgerkriegs und Gaddafis Regime liegt in den letzten Zügen. Karl Müller soll "Onkel Tobruk", eine libyschen General ausschöpfen. Doch nun ist Müller verschwunden. Seine Mitagentin und Freundin mit dem russisch-japanischem Namen Svenja Takamoto reist auf eigene Faust unter Nutzung einer ihrer Deckidentitäten hinterher. Der Chef von beiden sendet auch einen Agenten nach Libyen. Werden sie ihn finden?

In Albanien hat eine Frau 1000 kg C4, das sogenannte Semtex, gekauft. Für Deutschland? Und wie kommt das Zeug nach Deutschland? Und warum überhaupt? Und was hat ein gewisser Globetrotter namens  Axel Stauff damit zu tun?

 Die Operationsabteilung von Krause gerät in das Visier von "Seilschaften"; es könnte sein, die Untersuchungen der Rechts- und Finanzabteilung sind bis in das Kanzleramt zurück zu führen. Krause arbeitet von zu Hause aus.
 Natürlich kommt ein SPY-Krimi nicht ohne einen extravaganten Abhörspezi und Hacker aus. Hier wird er Goldhändchen genannt…


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 Ein richtiger Spionagekrimi in den Kreisen des BND. Genau wie andere auch. Spannend, verwickelt, wenn die Agenten im Dunkeln tappen, dann tut der Leser ebenso. Die Gedankengänge der Mitarbeiter des „Dienstes“, ihre Schlossfolgerungen aber auch die Irrwege sind, es die durch den Roman führen. Richtig gut, das Hörbuch. Es scheint, dass der Autor die Regeln des SPY-Romans vollständig eingehalten, worin immer diese auch bestehn...



Ab und zu nehme ich eben auch ein Hörbuch mit. Dies geschieht höchsten in einer Tanke. Dieses habe ich aber relativ schnell zu Ende gehört, das alleine spricht schon für das Hörbuch und den Autoren, der mit sonorer Stimme selber liest. Ungekürzt.
 Bei Random House ist zu lesen, dass dies bereits der vierte Roman um den BND-Mann Müller ist. Es gibt da noch Ein guter Mann, Bruderdienst und Der Meisterschüler...


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Jacques Berndorf ist das Pseudonym des Journalisten Michael Preute (1936). Er hat die Eifel-Krimis um Siggi Baumeister geschrieben, welche Kultstatus erlangt haben sollen. (Es lebe der Regionalkrimi).

Ein kurzweiliges Buch. Es schreit nach mehr. Die Bücherviecher waren auch begeistert.


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PS: Wieso in der Beschreibung steht, dass Müller vor der Entlassung steht, nachdem er in Tripolis plötzlich verschwand, das ist mir immer ein Rätsel geblieben.



DNB / Heyne / RandomHouse / 2014 / ISBN: 978-3-453-43720-3 / 400 S. - 2 CD


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