Donnerstag, 25. Juli 2024

Fallada, Hans: Geschichten aus der Murkelei

„Kultausgabe“ nennt der Aufbau-Verlag diese hier. Da liegt an der Verwendung der Original-Illustrationen von Conrad Neubauer (Conny). Die hatte der Verlag erstmal 1947 herausgebracht, in dem Jahr, in dem Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, geboren 1893 in Greifswald, starb. Auch die Erstausgabe des letzten Romans Jeder stirbt für sich allein besorgte der Verlag.

Schlendert man durch das kleine übersichtliche Fallada-Haus in Carwitz, vor wenigen Wochen schrieb ich hier darüber, finden sich so manche Bilder des Hans Fallada mit seinen Kindern. Uli (Murkel), Lore (Mücke) und Achim. In der neuen Biografie von Peter Walther ist von den Kindern oft die Rede. Bei einem zweiten Besuch vor einigen Tage fanden dann diese Geschichten den Weg zu mir.



„Es war einmal ein Vater, der wünschte sich viele Kinder, am Liebstein ein Dutzend, sechs Jungen und sechs Mädchen. Es geschah ihm aber nicht auf Wunsch, sondern er hatte nur zwei: Einen Jungen, den nannte er Murkel, und ein Mädchen, das hieß er die kleine Mücke.“
 
In der Geschichte von der Murkelei träumt er sich Träumlein als Spielgefährtin für den Murkel und den Winwalt als Spielgefährten für die Mücke hinzu. Die Geschichten kamen 1938 im Rowohlt – Verlag heraus. Hier nun, in der Aufbau-Ausgabe spricht er zu Beginn den 1940 geborenen kleinen Achim mit an.
Das ist so ähnlich wie bei Kästner, der seinen Kinderbüchern oft eine kleine Geschichte voranstellte.
„Zuerst habe ich euch diese Geschichten mündlich erzählt, damit das Essen besser rutschte und nicht so langweilig war.
Aber die Geschichten wurden bei jedem Erzählen anders, und das gefiel euch nicht, da mußte ich sie aufschreiben.
Die aufgeschriebenen Geschichten konnte euch nur einer vorlesen, nämlich ich, weil kein anderer mit meiner Schrift zurechtkam. Da mußte ich euch die Geschichten auf der Maschine tippen.
Das Getippte konntet ihr, Uli und Mücke, nun schon allein lesen, aber da ging der kleine Achim leer aus. Und Getipptes in einem Schnellhefter liest sich auch nicht so gut wie ein gedrucktes Buch.“
Geschichten, die man Kindern erzählt(e), handel(te)n oft von bockigen Kindern, die nicht essen wollen. So beginnt auch Die Geschichte von der kleinen Geschichte. Trotz allerlei Tricks und einer Ameise, einer Fliege und einer Maus versucht das Kind auch ohne zum Abendessen zu erscheinen, die Geschichte zu hören. Doch es nutzt nichts...

Die zweite Geschichte ist die vom Mäusecken Wackelohr. Im Museum finden sich da neben ein paar Originalhandschriften auch neuer Illustrationen von Gerhard Lahr. Die sind für eine Ausgabe im Kinderbuchverlag BELTZ durchaus schön gestaltet, mir gefallen die „alten“ besser. Sie erinnern mich an andere alte Kinderbücher, die schon die Eltern lasen.




Das Mäusecken Wackelohr will einen hübschen Mäuserich besuchen, der aber auf der anderen Straßenseite „wohnt“. Den Weg dahin versperrt die alte Katze...

„In einem großen Stadthaus wohnte einmal ein Mäuseken ganz allein, das hieß Wackelohr. Als Kleines war es einst von der Katze überfallen worden, und dabei war ihm das Ohr so zerrissen, daß die Maus es nicht mehr spitzen, sondern nur noch damit wackeln konnte. Darum hieß sie Wackelohr. Und dieselbe alte böse Katze hatte ihr auch alle Brüder und Schwestern und die Eltern gemordet, deshalb wohnte sie so allein in dem großen Stadthaus.“
Es geht schlichtweg ums Überleben, auch für die alte Katze. Als Leser hatte ich irgendwie das Gefühl, dass damals Geschichten viel brutaler ausfielen, war es hier die Lebensgefahr, der Tod, so sind es in der Geschichte vom Nuschelpeter die Menge an Ohrfeigen, die der Junge erhält, weil ihn keiner richtig versteht. Irgendwann hat er davon die Nase voll und spricht ordentlich... Nun ja. Ich finde, ältere Kindergeschichten haben ihre Berechtigung, genau wie Märchen...


Doch liest man dann die Geschichte vom verkehrten Tag, an dem alles anders ist, dann verblasst der Eindruck. Der Schimmel sitzt auf dem Kutschbock, den der Pappa zieht, die Tante ist das Katzenaufe, das Wasser im Herd wird angezündet, Holz und Kohlen gekocht.

Die Geschichten sind sicher vielen unbekannt, vielleicht erinnert sich die Leserin, der Leser an Die Geschichte von goldenen Taler, verfilmt 1985 DEFA oder 2020 für die ARD. In dieser sucht die Anna Barbara mit Hans Geiz nach dem goldenen Taler...



* * *

Mögen die Texte heute hier und da etwas seltsam anmuten, es ist ein Kinderbuch, denn Fallada hat sich neben den Handlungen für ziemlich kurze Sätze mit maximal einem Nebensatz entschieden. Auch heute sind die Geschichten gut zum Schmökern oder Vorlesen geeignet.

Überhaupt ist die Geschichte des Hans Fallada, der ein ausgesprochener Vielschreiber war, in vielerlei Hinsicht sehr interessant. Das betrifft die persönlichen Lebensumstände genauso, wie die schriftstellerische und landwirtschaftliche in der Gesellschaft. So ein Museumsbesuch macht einem das manchmal besonders bewusst.






© Der Bücherjunge


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