Freitag, 5. Juli 2024

Kinkel, Tanja: Reichenau – Insel der Geheimnisse

Es ist eine illustre Runde von acht Autorinnen, die Tanja Kinkel um sich versammelt hat um die Geheimnisse um die 1300 Jahre alte Insel Reichenau zu lüften. Mit zehn Erzählungen haben sich Caren Benedikt, Sabine Ebert, Heidrun Hurst, Iny Lorentz, Carmen Meyer, Heidi Rehn, Juliane Stadler und die Herausgeberin selbst vielleicht in die Herzen der Reichenauer geschrieben. 

In den alten gepflegten sakralen Bauten der Insel spielten sich teils gelehrte, teils mörderische Begebenheiten ab.

Solche Anthologien von Erzählungen nehme ich (Warum eigentlich?) eher selten in die Hand. Hier waren es nicht nur die Namen der Schriftstellerinnen selbst. Vor einigen Jahren unternahm ich eine Fahrradtour auf die Insel. So etwas bindet und führt zur Beachtung solcher Buchtitel, verstärkt durch die, welche die Seiten zwischen den Deckeln füllten.

Sicher könnte man sich "nur" auf die großen historischen Ereignisse konzentrieren, die mit der schönen Insel im Bodensee zu tun haben, aber die hier versammelten Personen sind fiktive und historische, denn die Erzählungen heben nicht nur Mönche, Äbte, Bischöfe und Herrscher hervor, sondern auch Bauern oder Fischer. 

So retten die Magd Gita und der Fischerknecht Just nach einer stürmigen Überfahrt den Schrein mit der Reliquie von St. Georg, was Ihnen zu persönlichen Glück verhilft. Das hat Iny Lorentz (Iny Klocke & Elmar Wohlrath) in Der gestohlene Schrein erzählt. St. Georg ist der erste imposante sakrale Bau, der einem auf der Insel begegnet:




Heute kommt man über eine Straße auf die Insel, aufgeschüttet, früher ging das nur bei Niedrigwasser oder eben per Boot wie bei Gita und Just, die sich eigentlich von der Insel stehlen wollten.

Im Kloster Reichenau wohnte einst ein gewisser Hermann Contractus, oder Hermann von Reichenau. Als der Universalgelehrte 1094 stirbt, macht sich in der Geschichte von Caren Benedikt sein Nachfolger Bertold Gedanken über den väterlichen Freund und Lehrer, dessen Pflichten es zu erfüllen gilt. Besagter Herrmann wird in der Chronologie zu Beginn des Buches als "Stephen Hawkings des Mittelalters" bezeichnet. Seine beträchtlichen universellen Lehren gehen einher mit körperlichen Gebrechen, die zum Beispiel das Schreiben äußerst erschwerten. Also ist der Vergleich sicherlich passend.




Im Jahre 724 gründet ein gewisser Pirminius das Kloster. Wo der herkam weiß man nicht genau, die Kirche Sankt Peter & Paul, also der erste Bau einer Peterskirche begann bereits 799. während die erste Geschichte im Buch ein Gottesurteil behandelt, welches sich im Zusammenhang mit Kaiserin Richardis und Kaiser Karl III. zugetragen haben soll. Davon erzählt Heidrun Hurst.

Eine lustige Geschichte berichtet Sabine Ebert von Benno und Notker in Morcheln im Winter und ein sehr großer Fisch. Es geht um den Wettstreit zwischen den ständig rivalisierenden Klöstern St. Gallen und Reichenau, der auf einer überlieferten Anekdote beruht und in der es um Buchillustrationen geht.

* * *

Jede der Geschichten hat ihre kleinen Aha-Effekte und beleuchtet sehr unterschiedliche Begebenheiten. Da geht es um Fälschungen von Urkunden, aber auch um Mord zweier Äbte. Ich wüsste wirklich nicht, welche Geschichte mir nun am besten gefallen hätte. Ein ganz klein wenig kann man stilistisch unter den Autorinnen vergleichen, nicht von jeder las ich schon ein Buch (einige warten noch darauf). 

Ein Vorwort erklärt sehr anschaulich, was Leserinnen und Leser erwartet, das Inhaltsverzeichnis ist zugleich eine Zeittafel, in der wir die Geschichten finden. Natürlich werden sämtliche Autorinnen im Anhang vorgestellt. Ein gelungenes, ein informatives, ein Reisebuch...

Vermutlich packe ich das Buch ein, wenn es mich noch einmal auf Reichenau treibt, es ist eine wirklich schöne Insel, von der der elfte Bischof von Passau, Ermenrich von Ellwangen schwärmte:

Vorsatzpapier und Zitat Seite 11


Nicht nebensächlich erwähnen möchte ich, dass die Autorinnen ihr Buch dem im letzten Jahr verstorbenen Ulf Schiewe widmeten.



Postkartengrüße von der Reichenau


© Bücherjunge

1 Kommentar:

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