Sonntag, 10. August 2025

Ruthardt, Ralf M.: Das lautlose Schweigen des Max Grund - Rezension 2

und hier ist sie...
Als Anne Parden Ende Juli dieses Hörbuch vorstellte, war nach dem Lesen der Rezension der Entschluss, ebenfalls zu hören schnell gefasst.

Der Ersteindruck war ein positiver, aber ob das so blieb? Ein schreibender Unternehmensberater für Strategie und Innovationen, mit Erfahrungen zu Digitalisierung, Innovationsmanagement (Start-Ups) und mit künstlicher Intelligenz. A Propos künstliche Intelligenz: schreibt er wirklich „über gesellschaftliche Fragen, menschliche Beziehungen und Perspektivwechsel als Weg zur Versöhnung und zum friedlichen miteinander?“

Wobei ich hier eher den zweiten Teil der Frage in Frage stellen würde...

Inhalt:     Max Grund ist ein Vater von drei erwachsenen Kindern und Unternehmer. Er hadert, wie viele, mit den aktuellen politischen Entscheidungen der Zeit mit den Schwerpunkten Covid-19-Pandemie und Migration. Vernünftige Diskussionen in Politik und Medien seien selten oder unmöglich geworden. Belehrungen durch Print- und TV-Medien wo es nur geht. Darf man noch sagen, was man denkt? Kann ein Satz, ein Post der eigenen Reputation, dem eigenen Unternehmen, der Familie schaden? „Im Alltag lehnt sich Max gegen eine politische und mediale Meinungskultur“, schreibt der Allitera Verlag und „dass der Roman dem schweigenden Bürgerinnen und Bürgern eine Stimme gibt.“
Das Buch:    In sechs Stunden und sechsundzwanzig Minuten gibt es kein Thema der öffentlichen Diskussion, welches Ruthardt ausgelassen hat. Migration, Klimawandel, Covid-19-Pandemie, Kernenergie, Gender-Aspekte alles wird durch Max Grund in teils schlaflosen Nächten durchdacht. Irgendwann wird sein „Schweigen laut“ und Grund teilt sich auf einem sozialem Medium mit.
Das bringt ihm mehr als nur Ärger ein. Ein Großkunde seines Unternehmens springt ab, zwei Mitarbeiter kündigen, der Sohn soll Grüße ausrichten, und „dass man Max weiter beobachten wird.“

Es ist ein manchmal atemberaubendes Hören, ein gedankliches Abdriften ist ziemlich unmöglich; Hörpausen entstanden, wenn der Hörer, also ich, stutze und über einige Aussagen selbst nachdenken musste.

Das Hörbuch „verhindert“, dass x-Postit´s auf wichtige Textstellen hinweisen. Es finden sich durchaus Teile, in denen ich Fragestellung und Antwort, wenigstens verstehen, manchmal auch zustimmen kann.

Anne Parden führte zum Buch folgendes aus:
„Die respektvolle aber auch mutige Auseinandersetzung mit wirklich wichtigen und dringenden Themen unserer Zeit macht das Buch zu einer inspirierenden Lektüre. Und regt dazu an, wieder mehr und offen miteinander zu diskutieren, ohne dass man gleich in eine rechte oder linke Schublade gesteckt wird.
Mit der Schublade aber ist das so ein Problem. Es geht dabei nicht um die, in welche der Meinungsäußerer gesteckt werden könnte. Dies passiert häufig und in Folge völlig verkürzter Threads in diversen sozialen Medien, unpassender Kommentare in einer gefühlten Größenordnung, die einem Angst machen könnte.

Hier fragt sich, in welcher Schublade der Autor gerade steckt, der es bei den Folgen der öffentlichen Meinungsäußerung nicht wie oben dargestellt belässt, sondern den Staat polizeilich zurückschlagen lässt. Was will er mitteilen? Sieht er die bundesdeutsche parlamentarische Demokratie in solcher Gefahr, dass er seine Fiktion für denkbar hält?

Gegen Ende lässt er Max Grund ausführen, dass er sich im Denken zwischen Sara Wagenknecht und Alice Weidel wiederfindet und würdigt besonders die Einlassung und Ausdrucksfähigkeit der letzteren. Ein Eindruck, der sich irgendwann bei Hören einstellte und sich direkt in dieser Aussage bestätigte.

Einerseits läßt Ruthardt seine Figur Max in und aus x-Richtungen denken, zitiert Helmut Schmidt mehrfach, denkt an Hans-Dietrich Genscher und Joschka Fischer. Er überlegt mehr direkte Demokratie und zeigt dann gelegentlich seine Quellen, wenn er zum Beispiel die „Weltwoche“, einen schweizerischen populistischen sehr rechtslastigen Videokanal benennt.

Der Gedanke, dass man in Deutschland nicht mehr frei sprechen könnte, ist meiner Auffassung nicht nachvollziehbar. Gesellschaftliche Reaktionen, ob aus Politik, Parteien oder anderen Gruppen sind doch Teil eines notwendigen Diskurses, dass die Auseinandersetzungen härter werden und in ihrer Form oft abzulehnen sind, bedeutet nicht, dass die grundrechtlich Geschütze Meinungsfreiheit nicht gegeben wäre.
Ruthardt scheint die Genderpolitik als ideologische Manipulation anzusehen und benennt dabei Forschungen diesbezüglich als deplaziert und unötig. Ob deren Grundansatz, Vielfalt und individuelle Selbstbestimmung zu fördern, gerechtfertigt sein könnte, wird nicht weiter thematisiert.

Die Forderung nach einer offenen Debattenkultur erscheint aufgesetzt, da das vermeintlich breite Denken der Figur Max letztendlich zur Auffassung führt, dass die Demokratie nicht nur gefährdet, sondern bereits aufgegeben wurde.

Die Schlussfolgerungen des Max Grund, lehne ich daher ab. Der Verlag meint, dass das Buch  den schweigenden Bürgern eine Stimme geben will : Er bzw. es  sollte sie lieber auffordern, ihre Stimme zu erheben. Um Demokratie zu erhalten und um sie zu kämpfen. Dabei muss Pluralität und Offenheit vorherrschen. Unsere Gesellschaft scheint dabei zu sein, auseinander zu triften und teils in feindliche Gruppen auseinander zu fallen. Max Grunds Ansichten sind hierbei nicht hilfreich. 


© (C) Ralf M. Ruthardt

Der Autor.    Ralf M. Ruthardt ist, das finde ich überraschend, mit einer Autorenseite auf Lovelybooks unterwegs. Es war die Covid-19-Pandemie, die den Anstoß gegeben hat, publizistisch tätig zu werden.

Sein Credo hat er dort hinterlegt:
„Wir Menschen stehen im Mittelpunkt meiner Analysen und deren Aufarbeitung in Romanen, Kurzgeschichten und Lyrik.
Es geht mit - gerade in diesen unruhigen und komplexen Zeiten - darum, dass Kultur hinterfragt und Reflexionen anbietet. Mit (Selbst)ironie, fröhlichen Frechheiten und mit berührenden Momenten, versuche ich das ins Licht unserer Erkenntnis zu rücken, was unserer Wahrnehmung bedarf. Als Menschen und als Gesellschaft dürfen wir uns entwickeln. Der Wechsel von Perspektiven ist dabei ein Werkzeug.
Lassen wir uns auf einander ein und bleiben wir miteinander im Gespräch.“

Mit diesem Angebot könnte ich leben, sein Magazin für konstruktiven Diskurs „Mit Menschen reden“, welches keiner politischen Ausrichtung folgen soll und mit dem er „die Hektik und Beliebigkeit sozialer Netzwerke“ umgehen will, könnte mich mit ihm versöhnen, es lohnt sich wahrscheinlich, in diesem zu lesen.*


Übrigens:
Die Figur Max tritt auch in der Erzählung Samstags bringe ich dir Worte auf, einer Erzählung über eine Freundschaft mit Moritz, der nach einem Schlaganfall in einem Pflegeheim lebt. Die diesbezügliche Beschreibung des auf bayerische und münchenbezogene Literatur orientierten Verlages erzeugt Neugier und trotz meiner Ablehnung des „lauten Schweigens“ gerät die Erzählung in die Merkliste.




* muss ich mir noch näher besehen.


© Bücherjunge



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