Wer sich einmal auf seine Vergangenheit einlässt, kann sich nur schwer wieder aus ihrem Griff befreien. Charly Brom, Autor und Familienvater, wird eines Tages von einem Anruf in seine Jugend zurückgeworfen. Es geht um einen Todesfall, der sich in seinem Heimatdorf zugetragen hat – vor mehr als zwanzig Jahren. Charly verfällt in Panik und legt auf. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als nach Neubad zurückzukehren, wo seine Mutter und Großmutter, zwei eigenwillige Charaktere, umgeben von Erinnerungen und Trödel, ein zurückgezogenes Leben führen. Erschüttert muss Charly feststellen, dass er trotz seines Erfolgs emotional auf der Stelle tritt, gefangen in den unveränderten Dynamiken und unausgesprochenen Geheimnissen seiner eigenen Familie. Während er versucht, sich seinen Ängsten zu stellen, scheint die Vergangenheit Charly zum Narren zu halten. (Verlagsbeschreibung)
DNB / Kein & Aber / 2024 / ISBN: 978-3-0369-5041-9 / 288 Seiten
Kurzmeinung: Lakonisch, zynisch, tragisch-komisch. Und nebenher auch spannend: was ist damals geschehen?! Angenehme Unterhaltung!
EIN TRAGISCH-KOMISCHER HELD...
"Ich kann nämlich überhaupt nicht Nein sagen, schon gar nicht zu Fremden und schon gar nicht am Telefon. Am Ende stehe ich da mit einem Monatsabo für Gewürzgurken mit zehnjähriger Kündigungsfrist."
Eine skurrile Geschichte wird hier erzählt, mit Charly Brom als tragisch-komischem Helden. Nach einem Telefonanruf, auf den er eigentlich schon seit über zwanzig Jahren gewartet hat, benimmt sich der Familienvater plötzlich sehr merkwürdig und gibt damit Frau, Kind und Nachbarn zu denken. Er beginnt zu graben. Und hört nicht mehr damit auf. Das Loch vor dem Haus wird immer tiefer, und doch findet Charly Brom einfach kein Ende. Er gibt keinerlei Erklärung ab, ignoriert die Sprüche und die Sorgen der anderen und gräbt wie getrieben weiter drauflos. Bis ihm klar wird: ein normales Leben wird es (allenfalls) noch einmal geben, wenn er endlich zurückkehrt in seinen Heimatort und sich der Vergangenheit stellt.
Und so fährt er schließlich nach Neubad und stellt sich den Geistern und Erinnerungen seiner Kindheit und Jugend. Schon die Rückkehr in sein Elternhaus entpuppt sich als Zeitreise - mit seiner Mutter, die sich schon seit Jahren ausschließlich von Fertiggerichten ernährt, und seiner Großmutter, die der Kaffeesahnedeckelsammlung des verstorbenen Großvaters einen musealen Charakter verleiht. In Charlys Familie finden sich allesamt skurrile und weltfremde Charaktere, die man entweder schütteln möchte oder aber mit offenem Mund anstarrt.
"Ich war kein Koch, war es nie gewesen. Selbst wenn ich wirklich mal was kochte, tat ich nur so, als ob. Doch ich war auch kein Schriftsteller. Kein Ehemann. Und ich war kein Vater. Denn all dies war ich nur aus dem einen Grund: um etwas anderes nicht zu sein."
Man taucht mit Charly tief ein in das kleinstädtische Leben und in seine Vergangenheit und umkreist das Geheimnis, das er seit Jahrzehnten hütet, anfangs sehr weitläufig und dann in zunehmend engeren Bahnen. Lakonisch, zynisch, tragisch-komisch und durchsetzt von morbidem Humor erzählt Charly hier seine Geschichte aus der Ich-Perspektive. Dadurch erlebt man das Geschehen ausschließlich aus seiner Sicht - und die ist zuweilen doch recht eingeschränkt und einseitig. Aber das macht auch das Spannende aus. Denn spannend ist es durchaus auch: was um Himmels willen ist damals nur geschehen?! Doch auch, als diese Frage endlich geklärt ist, ist es mit den Überraschungen noch nicht vorbei...
Anfangs konnte mich der Roman gleich in seinen Bann ziehen, ich fand ihn sehr unterhaltsam und war neugierig darauf, was sich in Charly Broms Vergangenheit zugetragen haben mochte. In der zweiten Hälfte geriet die Erzählung stellenweise allerdings etwas langatmig, um gegen Ende überraschend emotional und noch einmal spannend zu werden. In der Summe bot der Roman eine angenehme und erfrischende Unterhaltung.
Zwar kein persönliches Highlight aber doch durchaus eine Leseempfehlung wert!
© Parden
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