Samstag, 5. Oktober 2024

Goldammer, Frank: BRUCH - Durch finstere Zeiten

Es sind wahrlich finstere Zeiten, die Frank Goldammer im dritten Band um die beiden Kriminalhauptkommissare Felix BRUCH und Nicole Schauer heraufbeschwört. 

Wenden wir uns erst einmal diesen beiden zu: Nicole Schauer kommt aus Hamburg nach Dresden, eigentlich wegen der Liebe. Das wird aber nichts und nun wird sie auch noch diesem Bruch zugeteilt, der ein seltsames Exemplar von einem Polizisten darstellt. Nicole ist selber keine mustergültige Kriminalistin, insbesondere bekommt sie bei Zeiten einen Antiaggressionskurs verordnet, dem sie eher widerwillig folgt. Felix dagegen scheint ein schweres Trauma erlitten zu haben. Vor nicht allzu langer Zeit erlitt er mit seinem Kollegen einen Dienstunfall, bei dem Michael verstarb. 

Nun dämmert er irgendwie autistisch dahin, getrennt von Frau und Tochter, er lebt mit seiner Katze in einer unpersönlichen Plattenbauwohnung in Dresden Gorbitz. Warum komme ich auf autistisch? Wenn er mal den Mund aufmacht, dann sind seine Bemerkungen ermittlungsmäßig brillant und er treibt Nicole förmlich voran. 

Zu Beginn schüttelte ich über beide eher den Kopf und so sah die Buchbesprechung zu BRUCH – ein dunkler Ort auch aus.

Die Leser und Leserinnen ahnten es schon, der Dienstunfall kann nicht alleinig Ursache für das (dienstuntaugliche) Verhalten des Kommissars sein. In BRUCH – in eisigen Nächten wird dann der Chef von beiden in seinem Dienstzimmer ermordet. Hat Bruch damit etwas zu tun? Langsam gräbt sich der Autor mit seiner Figur in deren Vergangenheit. An der nimmt nun auch Nicole Anteil, die zugespielten Informationen nachgeht. 

So ganz koscher haben Bruch und Bartko ihren Dienst wohl nicht versehen...

Und nun beginnen finstere Zeiten, denn unser Ermittlerpärchen soll einen Doppelmord aufklären. Zwei Polizist und seine viel jüngere Streifenkollegin werden ermordet. Zuerst bekommen beide bei einer Fahrzeugkontrolle einen Schuss auf die Schutzweste, der lässt sie fallen. Anschließend setzt der Täter mit dem Fahrzeug zurück und ermordet beide mit einem Kopfschuss. Das kommt durch die Gerichtsmedizinerin heraus und später stellt die Kriminaltechnik fest, die Tatwaffe war eine sowjetische Armeepistole.

Doch nicht nur das: Bis 1994 waren rund um Dresden immense militärische Truppenteile disloziert. Die erste sowj. Garde-Panzerarmee mit der 11. Garde-Panzerdivision und bei dieser das 249. Garde- mot. Schützenregiment. Hinzukam die 7. Panzerdivision der NVA. Riesige Geländeteile dienten der Unterbringung und der Ausbildung eine solchen Menge von Soldaten. Die Albertstadt-Kasernen und die Heller-Berge und Teile der Dresdner Heide. Wenn man sich dies vor Augen hält und den Umstand, dass die Gruppe der sowj. Streitkräfte in Deutschland 1994 auch in und um Dresden eine Menge bebautes, kontaminiertes und undurchsichtiges Gelände hinterließ, dann kann man sich eine „geheime Nachnutzung“ vorstellen. 

Goldammer treibt diese etwas auf die Spitze, denn das, was ein gewisser Götze auf ehemaligem sowjetischen Militärgelände aufbaut und was er dort lagert, erscheint unglaublich. Ist es das wirklich, oder warnt der Autor mit seinen Beschreibungen davor, was Reichsbürger und sonstige Querdenker so alles „anstellen“ könnten? Wer finanziert das alles, insbesondere hier? 

Zusätzlich verstärkt Frank Goldammer seine Neigung, in dieser Reihe zumindest sogenannte Lost Places als Tat- und Ereignisorte zu verwenden.



Bildquellen *

 Wenn Goldammer scheinbar hier übertreibt, das Buch ist ob der politischen Situation, der Gefahren für unsere Demokratie, der Art und Weise von Diskussionen über Probleme, seinen es die Migration, Extremismus, Innen- und Außenpolitik überaus aktuell. Goldammer nutzt die unkonventionellen Methoden seines Ermittlerpärchens um diese darzustellen ohne Partei zu ergreifen. Auch der Mord an den beiden Polizisten ist nicht einfach dem Autorenhirn entsprungen: Der Polizistenmord von Kusel ging durch die Medien und stand ein klein wenig Pate für unseren Fall hier.

Nicole und Felix geraten in Lebensgefahr. Außerdem kommen wir dem Geheimnis um Felix Bruch und und Michael Bartko näher. Doch wer sich denkt, der dritte Band brächte eine Auflösung, der hat sich wiederholt getäuscht. Da bleibt zu hoffen, dass sich Autor und Verlag schnell einig werden.


Ich nehme an, Band 4 erhält ein grau-schwarzes Cover


* * *

Goldammer lässt Leserinnen und Leser mit einer Menge Rätsel zurück. Der Lichtblick besteht darin, dass wir mehr über Felix Bruch erfahren; auch er selbst muss sich an vieles erinnern. Diese Hamburgerin scheint ihm dabei Helferin und Freundin zugleich zu sein. Immerhin trägt seine Katze nun schon mal einen Namen...

Das Ende des Buches gleicht einer Wiederholung. Nur rettet Bruch diesmal seine Partnerin...

In der zweiten Buchbesprechung schrieb ich, dass ich das Buch hätte zeitweise in die Ecke feuern können. Nach wie vor gehe ich von meiner Meinung nicht ab, dass die ständigen Ermittler mit psychischen Problemen in Krimis, seien es Bücher oder Filme,  der Wirklichkeit nicht entsprechen. Jedoch: Es ist halt ein Roman. Und der fesselte mich durchaus, übrigens mehr als die beiden Vorgänger.

Was macht es da, wenn Polizeipistolen wiederholt einen Sicherungshebel (Seite 29) aufweisen, was nicht üblich ist, oder die Durchsuchung eines Hauses unterbleibt, weil der Anwalt des Beschuldigten dem Staatsanwalt mit dem Verfassungsrichter droht (Seite 112). Er braucht doch nur die Rechtmäßigkeit der Maßnahme beim zuständigen Gericht prüfen lassen. Muss sogar, denn sonst kommt er nie bis zum Landesverfassungsgericht. 

Meinen herzlichen Dank an Frank und den Rowohlt-Verlag für das Rezensionsexemplar und für die Hintergrundinformationen, die ich auf der diesjährigen Dresden (er)lesen erhielt.



© Bücherjunge



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