Freitag, 14. Juni 2024

Gerhold, Stefanie: Das Lächeln der Königin

Jahrzehnte graben sich Wissenschaftler, Archäologen und Historiker durch Wüste und Gestein. Zuerst mit Baggern, dann Spaten und Schaufeln, dann Schäufelchen, Löffelchen und Pinsel. Kleinste Funde werden registriert und manchmal kommt Größeres zum Vorschein. Den Schatz des Priamos buddelten zwar bestimmt Türken aus, die Leitung hatte ein deutscher Kaufmann mit ausgeprägtem archäologischen Drang. Ein Engländer fand diesen Tutenchamun. Während der erwähnte Schatz als Beutekunst in Moskau liegt, finden wir die Mumie des Königssohns wenigstens im ägyptischen Museum in Kairo.

Es war ein deutscher jüdischer Unternehmer namens James Simon, der die Grabungen des Ludwig Borchardt finanzierte, die dieser in Tell-El-Armana unternahm. Aus dem dortigen Wüstensand zog er Das Lächeln der Königin. Die Büste der schönen Frau steht im neuen Museum in Berlin.

Als Außenministerin Analena Baerbock vor einiger Zeit die Benin-Bronzen an Nigeria zurückgab, die dortige Regierung die Kunstwerke aber den Nachkommen der Königsfamilie gab, die einst Afrikaner als Sklaven an die Europäer verkaufte, wurde das Ansinnen gelobt, das Ergebnis führte zu einem Aufschrei.

Doch nicht erst heute geht es um die Rückgabe von Kunst und Altertumsfunden. Die Büste der erwähnten Königin gehörte einige Zeit dem, der die Grabungen finanzierte...

Gerade in Ägypten stritten sich Engländer, Franzosen und wie wir sehen auch Deutsche um die Funde. Ludwig Borchert streitet sich mit einer Grabungskommission, die auch die Lizenzen zum Graben vergibt. Als Wissenschaftler ist er auf die Gelder der reichen Kunstmäzene angewiesen, doch sitzt er zwischen zwei Stühlen.

„... zeigt sich mir zum ersten Mal, zu welchen Schwierigkeiten die doppelte Bindung von uns Wissenschaftlern führen kann. Denn die Verschärfung der Bestimmungen (Verwendung auf Aufteilung der Funde) ist natürlich eine Antwort darauf, dass wir seit Jahren einen sorgfältigeren Umgang mit dem Kulturerbe anmahnen. Unsere Rolle als Hüter der Kunstschätze hat das von uns verlangt, in vollem Wissen, dass wir uns damit zu unseren Geldgebern in Konflikt begeben.“ (Seite 79)

Das schreibt Borchert an Simon. Die Königin, sie heißt Nofretete, soll irgendwie in die Hände des Geldgebers, sein Sohn Heinrich wird sie förmlich nach Berlin schmuggeln.

"Dieser Roman ist eine fiktive Rekonstruktion. Ihm zugrunde liegt ein Scherbenhaufen. Zusammenfügen ließen sich Teile eines Bildes. Alles andere ist Erfindung." 
(S. Gerhold)

Das ist das Thema des Romans, der nicht nur das Lächeln der Königin, sondern eben grundlegende Fragen behandelt. Zusätzlich zu dem Umstand, dass der Kunstsammler Simon auch dem offenen und latenten Antisemitismus ausgesetzt ist, zum Beispiel durch diesen Bode, nach dem das runde Museum auf der Museumsinsel benannt ist.

Es ist zuerst dann die Geschichte genau dieses Mannes, die Stefanie Gerhold erzählt. Meist bleiben solche Leute im Hintergrund und zum Beispiel der Philipp Vandenberg erwähnt in seinem Buch über die Zeit der Nofretete zwar den Finder, Ludwig Borchert, sogar den Heinrich Schliemann, der den Schatz des Priamos fand und Troja ausgraben lies. Auch Howard Carter, der den Tutenchamun fand, ist weltbekannt. Aber James Simon, ohne den Tell-el-Armana weiter, zumindest für viele Jahre unter Sand gelegen hätte, wird nicht erwähnt.





Natürlich singt die Autorin das Lied der Neferet-iti, „die Schöne ist gekommen“ und mit diesen Zeilen kann man sich vor deren Büste stellen und sie leise vor sich hin murmeln. Sie lässt den James Simon diese Worte denken, oder murmeln, der die Büste fortwährend betrachtet.


Simon, der sein Unternehmen während der großen Wirtschaftskrise nicht halten kann, stirbt 1932 mit über 80 Jahren, zum Glück, möchte man sagen, erlebt er den Machtantritt der Nationalsozialisten nicht mehr. Die Geschichte der Büste der Nofretete bleibt weiter spannend, in einem Epilog erzählt Stefanie Gerhold davon. An unterschiedlichen Plätzen werden die Menschen sie betrachten können, aber erst im Jahre 2010 findet sie zurück an ihren alten Platz im Neuen Museum auf der Museumsinsel in Berlin. Einhundert Jahre nach ihrem Fund finden beide wieder zusammen. Und es hätte doch ein Trio sein müssen, finde ich.


Bode - Museum Berlin (Museumsinsel)


Es gibt viele Bücher, Romane und Sachbücher über Ausgrabungen und deren Ergebnisse. Meist sind es die Ausgräber, die den Ruhm ernten. Doch manchmal finden sich wichtige Geschichten dahinter. Diese hier ist zudem sehr spannend, obwohl wir wissen, wie das Ganze ausgeht, aber Wikipedia ersetzt eben keinen Roman und die YouTube-Beiträge auch nicht.

Stefanie Gerhold schreibt Essays sich mit interkulturellen Themen, die 100 Jahre haben sie wohl inspiriert, die vor uns liegende Geschichte zu erzählen. Es ist ihr erster Roman.







© Bücherjunge

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