Heute möchte ich an B. Traven erinnern, einen Autor, der mir seit vielen Jahren sehr an´s Herz gewachsen ist und der leider und nach meiner Meinung völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist.
Sein bekanntestes Buch ist der RomanDas Totenschiff
Eine Rezension von TinSoldierDas Totenschiff in der Ausgabe, die 1969 im Fackel-Buchclub erschienen ist |
Bereits im zarten Alter von 12 oder 13 Jahren habe ich einen großen Teil meines Taschengeldes für Bücher ausgegeben und da mein älterer Bruder damals Mitglied im Fackel-Buchclub war, konnte ich mir aus dem Katalog hin und wieder ein Buch dort bestellen. Damals sah ich auch zufällig einen Fernsehbericht über einen mysteriösen Schriftsteller, der unter dem Pseudonym B. Traven veröffentlichte, dessen wahre Identität aber unbekannt war. Dieser Autor hatte mehrere sozialkritische Romane, darunter ein Buch mit dem Titel Das Totenschiff, veröffentlicht und man vermutete, dass diese spannende und anrührende Geschichte eines staatenlosen Seemanns autobiografische Züge haben könnte. Die Spuren, die in dem Beitrag mit kriminalistischer Akribie verfolgt wurden, führten nach Mexiko. Im Grunde war das eine Kriminalgeschichte, getarnt als Dokumentation, und die Suche nach der wahren Identität des Autors (die übrigens bis heute nicht mit hundertprozentiger Sicherheit feststeht) wurde in dem Beitrag immer wieder mit Szenen aus der Romanverfilmung des Totenschiffs unterlegt. Ich war fasziniert und gefesselt, so dass ich den Namen B.Traven nie wieder vergaß. Es lag etwas wie ein geheimnisvoller, mysteriöser Schleier über der Identität des Autors B. Traven, das sich auch auf seine Werke erstreckte, die, wie ich später feststellte, auf eine erschreckende Weise derart realistisch geschildert sind, dass man zwangsläufig tief getroffen und angerührt ist von den Schilderungen solchen menschlichen Elends, das, so glaubte ich damals, kaum ein reines Ergebnis menschlicher Phantasie sein konnte, sondern seinen Ursprung in eigenen Erlebnissen des Autors haben musste.
Als ich Das Totenschiff dann 1969 im Katalog des Buchklubs sah, gab es natürlich keine Sekunde des Zögerns:
Ich musste dieses Buch sofort haben, und ich weiß noch, dass ich damals die Lieferung kaum erwarten konnte. Als ich den Band in seinem schlichten grünen Einband mit einer goldenen Möwe auf dem Buchdeckel und dem kunstledernen Buchrücken mit goldfarbener Beschriftung endlich in den Händen hielt, war mein Glück perfekt.
Ich begann nicht nur darin zu lesen, nein, ich habe das Buch regelrecht verschlungen. Und ich tat etwas, was für mich schon damals fast ein Sakrileg war: In meiner Begeisterung verlieh!! ich das Buch an eine Bekannte, da ich dieses ungeheure Leseerlebnis unbedingt teilen musste!
Das Buch aber habe ich schließlich unversehrt zurückerhalten, besitze es heute noch und halte es in Ehren!
Der Roman erzählt die traurige und erschütternde Geschichte eines amerikanischen Seemanns. Ich erinnere mich recht gut, mit welchen Emotionen ich als 13-jähriger diese Geschichte vom traurigen Schicksal des amerikanischen Seemannes Gales gelesen, ja verschlungen habe.
Lied eines amerikanischen Seemanns
Mädel, heul doch nicht so sehr,
Wart auf mich am Jackson Square
Im sonn´gen New Orleans,
Im lieben Louisiana.
Mein Mädel glaubt, ich lieg´im Meer,
Sie steht nicht mehr am Jackson Square
Im sonn´gen New Orleans,
Im lieben Louisiana.
Doch ich lieg´nicht an einem Riff,
Ich fahre auf dem Totenschiff
So fern vom sonn´gen New Orleans,
So fern vom lieben Louisiana.
(B. Traven)
Der amerikanische Seemann Gales aus New Orleans gehört zur Besatzung des amerikanischen Frachters S.S. Tuscaloosa. Nach einem Landgang in Antwerpen kehrt er verspätet zurück, so dass die Tuscaloosa ohne ihn ausläuft. Ohne seine Personalpapiere, die an Bord seines Schiffes liegen, ist er mittellos in Antwerpen gestrandet und gilt fortan als "Staatenloser", dem niemand, auch das amerikanische Konsulat, nicht helfen will:
„Ich war nicht geboren, hatte keine Seemannskarte, konnte nie im Leben einen Pass bekommen, und jeder konnte mit mir machen, was er wollte, denn ich war ja niemand, war offiziell gar nicht auf der Welt, konnte infolgedessen auch nicht vermisst werden.“
(Kap. 14)
Nun beginnt für ihn eine Odyssee durch Europa, da kein Land ihn haben will und er immer wieder aufgegriffen und teils in Nacht- und Nebelaktionen über die Staatsgrenzen in Nachbarländer abgeschoben wird. So gelangt er bis nach Portugal, wo ihn schließlich die nackte Not zwingt, in einem kleinen Hafen auf dem Seelenverkäufer Yorikke anzuheuern, da ihm ohne "Papiere" kein ehrlicher Kapitän eines seriösen Schiffes eine Heuer anbieten will.
„Als ich ankam, hatte ich in Erinnerung an normale Boote gefragt:
‚Wo ist denn die Matratze für meine Bunk?‘
‚Wird hier nicht geliefert.‘
‚Kissen?‘
‚Wird hier nicht geliefert.‘
‚Decke?‘
‚Wird hier nicht geliefert.‘
Mich wunderte nur, dass die Kompanie überhaupt das Schiff lieferte, das wir
zu fahren hatten; und ich wäre nicht erstaunt gewesen, wenn man mir
gesagt hätte, das Schiff muss jeder selber mitbringen.“
(Kap. 24)
Auf der Yorikke wird Gates Kohlenschlepper und muss in schwerster körperlicher Arbeit die Kohlen für den Heizer aus dem Kohlenbunker heranschaffen. Die Yorikke erweist sich sehr bald als Totenschiff: Auf dem Schiff arbeiten außer dem Kapitän nur Seeleute, die keine Papiere mehr haben und deshalb als "lebende Tote" betrachtet werden, die in keinem Hafen mehr an Land dürfen und ihrem Kapitän folglich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Die Yorikke befördert offiziell normale Ladung, ist jedoch in Wirklichkeit ein Waffenschmuggler.
Zusammen mit seinem Freund Stanislaw Koslowski, der nach dem ersten Weltkrieg weder die polnische noch die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt bekam, wird Gales bei einem Landgang im Hafen von Dakar shanghait und landet auf der Empress of Madagascar.
Auch diese ist ein schlimmes Totenschiff, diesmal aber im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie soll, mit wertloser aber hochversicherter Ladung, mit Mann und Maus versenkt werden, damit der verbrecherische Kapitän und die treulose Reederei die Versicherungssumme kassieren können.
Doch bevor es dazu kommt, läuft die Empress of Madagascar auf ein Riff, wobei Gales und sein Freund Stanislaw als einzige überleben. Das Ende des Romans ist traurig: Gales und Stanislaw treiben auf einigen Planken schiffbrüchig im Meer und beide haben Wahnvorstellungen. Als Stanislaw die Yorikke zu sehen glaubt, springt er ins Wasser und versinkt:
" ´Stasinkowslow, spring nicht!´ Ich schrie es in namenloser Angst; denn ich konnte seinen Namen nicht finden, der mir aus der Hand gerutscht war. ´Stanislaw, nicht springen! Nicht springen! Nicht. Bleib hier!´
´Die holt den Anker ein. Ich gehe nicht auf ein Totenschiff. Ich renne ´rüber zur Yorikke. Renne, ich renne, renne. Rüber. Komm!´
Und er sprang. Er sprang. Da war kein Hafen. Da war kein Schiff. Da war kein Ufer. Alles See. Alles Wogen. Er tat nur ein paar patschende Schläge. Dann sank er für immer weg [...]."
(Kap. 48)
Mit Tränen in den Augen las ich damals den traurigen Schluss des Buches, das mich selbst heute, nach mehr als 40 Jahren, immer noch stark berührt:
" ´Komm, Stanislaw Koslowski´, sagte der große Kapitän, ´komm, ich mustere dich treu und ehrlich für große Fahrt. Laß nur die Papiere. Brauchst keine bei mir. Fährst auf treuem und ehrlichem Schiff. Geh zum Quartier, Stanislaw. Kannst du lesen, was über der Tür steht?´
Und Stanislaw sagte:
´Ja, Käp´n - Wer hier `reingeht ist ledig aller Qualen!´ "
(Kap. 48)
Filmplakat |
Die "Yorikke" ist das Totenschiff |
„Es fahren viele Totenschiffe auf den sieben Meeren, weil es viele Tote gibt. Nie gab es so viel Tote, als seit der große Krieg für wahre Freiheit und echte Demokratie gewonnen wurde. Tyrannen und Despoten wurden besiegt, und der Sieger wurde das Zeitalter einer größeren Tyrannei, das Zeitalter der Landesflagge, das Zeitalter des Staates und seiner Lakaien.“
(Kap. 32).
Deutung des Romans
Der Roman, der erstmals 1926 erschien, übt, wie alle Bücher Travens (u.a. Die Baumwollpflücker, Der Schatz der Sierra Madre) Gesellschafts- und Sozialkritik.
Das Totenschiff wendet sich explizit gegen das Problem der Staatenlosigkeit sowie gegen die (damaligen) unmenschlichen Bedingungen in der kapitalistischen Seefahrt.
(Jan Berg, Hartmut Böhme, Walter Fähnders, Jan Hans, Heinz-B. Heller, Joachim Hintze, Helga Karrenbrock, Peter Schütze, Jürgen C. Thöming, Peter Zimmermann: Sozialgeschichte der deutschen Literatur von 1918 bis zur Gegenwart. Frankfurt, Fischer Taschenbuch (Originalausgabe) 1981, zitiert aus in Wikipedia
Am Ende des ersten sowie am Beginn des Zweiten Buches ("Wer hier eingeht,
Des Nam und Sein ist ausgelöscht.
Er ist verweht [...]")
sowie in der bereits weiter oben zitierten Schlußsequenz (Wer hier `reingeht ist ledig aller Qualen!)
nimmt der Autor ferner eindeutig Bezug auf Dante Alighieris Göttliche Kommödie.
Näheres zur Einordnung der Werke B. Travens, die man bisher fälschlich der reinen Abenteuerliteratur zuordnete, findet sich
Er ist verweht [...]")
sowie in der bereits weiter oben zitierten Schlußsequenz (Wer hier `reingeht ist ledig aller Qualen!)
nimmt der Autor ferner eindeutig Bezug auf Dante Alighieris Göttliche Kommödie.
Näheres zur Einordnung der Werke B. Travens, die man bisher fälschlich der reinen Abenteuerliteratur zuordnete, findet sich
hier.
B. Traven
Ret Marut alias Otto Feige alias B. Traven (?) |
B.Traven
Das Totenschiff
Roman
302 Seiten
Büchergilde Gutenberg,
Frankfurt am Main ; Wien 1999
DNB
Coppyright: TinSoldier 2014
Da hast du ja wieder eine tolle Vorlage geschrieben. Das bringt mich auf die Idee, die Caoba - Bücher wieder vorzuholen.
AntwortenLöschenSchöne Idee Uwe, davon habe ich u.a. den K a r r e n gelesen...
LöschenDen nun wiederum kenn ich nicht. Der steht hier bei meinen Eltern rum. Und noch einige mehr. DIE REBELLION DER GEHENKTEN war vor Jahrzehnten das erste Buch was ich von Traven las.
LöschenIch glaube, ich lege mal ein Autorenportrait von B. Traven an!
LöschenGute Idee, der hatt es verdient.
LöschenMeine Eltern hatten ein paar Bücher dieses Autors im Bücherschrank. Ich habe in dem Fall aber verzichtet...
AntwortenLöschen