EINE AUTOFIKTIONALE FAMILIENGESCHICHTE...
Elizabeth Graver hat mit dieser Familiengeschiche ihrer Großmutter Rebecca Cohen ein Denkmal gesetzt. Der Klappentext verrät schon die Stationen ihres Lebens, eines Lebens im Exil. Im Nachwort verrät die Autorin, dass sie oftmals die realen Namen verwendet, historische Fakten sowie die Ereignisse in ihrer Familie in die Erzählung eingeflochten hat, dass jedoch die Gefühls- und Gedankenwelt der Figuren Elizabeth Gravers Fantasie entspringt und dass sie auch Fakten geändert und frei erfunden hat. Eine klassische autofiktionale Geschichte also.
Rebecca Cohens Familie gehört zu den Sepharden, lt. Wikipedia die "Bezeichnung für Juden, die sich nach ihrer Vertreibung von der Iberischen Halbinsel (Spanien 1492 und Portugal ab 1496) zum größten Teil im Herrschaftsgebiet des Osmanischen Reiches und in Nordwestafrika (Maghreb) niederließen, und ihren Nachfahren." Als Kind wächst sie wohlbehütet in Konstantinopel auf, ihr Vater ist der Besitzer einer kleinen Firma, die Haltung ist allgemein eine offene, sowohl kulturell als auch sprachlich. So besucht Rebecca als jüdisches Kind eine katholische Schule, in der überwiegend Französisch gesprochen wird. Das ändert sich, als der Erste Weltkrieg ausbricht, Rebeccas Vater muss die Firma verkaufen, die Lage im Land spitzt sich zu, viele Juden fliehen - und schießlich bricht auch Rebeccas Familie auf.
Das Ziel ist Spanien, ausgerechnet, das Land, aus dem ihre Vorfahren einst vertrieben wurden. Und auch jetzt ist die Lage nicht wirklich judenfreundlich in Barcelona. Doch gerade Rebecca, nun eine junge Frau, findet mit ihrem Faible für Mode und ihrem näherischen Geschick einen Platz in dieser Stadt. Sie heiratet, wobei die Auswahl unter jüdischen Männern nicht wirklich gegeben ist, bekommt zwei Kinder - und der Mann stirbt. Wieder spitzt sich die Lage für die Juden zu, Rebecca ergreift die Gelegenheit und bucht eine Schiffspassage nach Kuba. Dort kann sie womöglich den Mann ihrer mittlerweile verstorbenen besten Freundin heiraten - wenn es denn passt. Geld für die Rückfahrkarte hat Rebecca - eingenäht in diverse Kleidersäume - sicherheitshalber dabei, doch sie entscheidet sich anders. Von Kuba geht es schließlich in die USA, erneut ein Versuch, Wurzeln zu fassen...
Die Autorin begleitet in ihrer Erzählung überwiegend die Figur ihrer Großmutter Rebecca Cohen, doch zwischendurch wechselt die Perspektive hin zu einem anderen Familienmitglied. Dadurch wird es ein Mehrgenerationenbuch, springt immer wieder in Zeiten und Orten, und man erhält so auch von außen einen Blick auf die Person Rebecca. Das alles war nicht uninteressant, jedoch hätte mir der anhaltende Fokus auf Rebecca besser gefallen. So geriet ich immer wieder aus dem Lesefluss, es kam mir keine der benannten Figuren wirklich nah, da blieb stets eine unüberbrückbare Distanz, und insgesamt blieb ich auch emotional recht unbeteiligt.
Zudem hatte ich hier einen deutlicheren Schwerpunkt erwartet was die historischen Gegebenheiten anbelangt. Dies ist tatsächlich kein historischer Roman, sondern in erster Linie eine jüdische Familiengeschichte, die lose im zeitlichen Geschehen verankert ist. Oftmals belässt es Elizabeth Graver bei Andeutungen - vermutlich wäre die Erzählung ansonsten zu sehr ausgeufert. Trotzdem hätte ich mir einige intensivere Einblicke in bestimmte historische Ereignisse gewünscht.
Die Autorin hat zu Beginn jeden Kapitels ein Foto aus dem Familienalbum eingefügt, was ich sehr gelungen und authentisch fand. Ich habe zwischendurch immer wieder einmal zurückgeblättert, weil die Bilder tatsächlich auch einen schönen Bezug zum Text haben.
Ein Roman zu Ehren der Großmutter der Autorin, die immer wieder vertrieben wurde und doch nicht aufgab, ihren Platz im Leben zu finden. Freunde von Familiengeschichten werden hieran sicherlich Vergnügen finden...
© Parden
Einen historischen Roman zeigt der Klappentext aber nicht an, oder?
AntwortenLöschenIst er aber irgendwie doch, weil er ja in den 1920ern startet und die ganze Epoche bis nach dem Zweiten Weltkrieg beleuchtet.
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