Kenji Yamamine kommt in den Besitz der legendären Teufelstrompete des Komponisten Suzuki. Ihr wird die Macht zugeschrieben, Menschen zu begeistern und zu fanatisieren. Bei Recherchen auf den Philippinen trifft Kenji die junge Anh. Sie verlieben sich, Anh folgt ihm nach Tokio, wo sie gewaltsam stirbt. Neben der Trauer um Anh wird Kenji von einer rätselhaften religiösen Sekte verfolgt, die die Trompete für ihre Zwecke nutzen will. Was Kenji jetzt noch bleibt, ist, das Rätsel der Trompete zu lösen und sich mit der Welt in Liebe zu versöhnen. (Verlagsbeschreibung)
VIELLEICHT NAKAMURAS HERZENSPROJEKT?
Ansrengend aber lohnenswert ist die Lektüre dieses fast 600 Seiten starken Romans des Japaners Fuminori Nakamura. Vordergründig geht es um eine ominöse Trompete, die während des Zweiten Weltkriegs einen Teil der japanischen Armee zum Erfolg gegen die Aliierten geführt haben soll. Mal als "Instrument des Teufels" bezeichnet, mal als "Instrument Gottes" wird ihr jedenfalls eine magische Wirkung zugeschrieben, und nachdem sie als verschollen galt, nun aber wieder aufgetaucht ist, wird von vielen Seiten her Jagd auf sie gemacht. Und damit auf den Journalisten Kenji Yamamine, der irgendwie in den Besitz der Trompete gelangte.
"Die Wahrscheinlichkeit, dass du in einer Woche noch lebst, beträgt (...) Vier Prozent." (S. 12)
Tatsächlich erweist es sich jedoch bald, dass die Geschichte um die Teufelstrompete nur der lose Aufhänger für diesen überaus komplexen Roman ist, ein Gerüst, in das erschlagend viele Themen hineingewebt wurden. Themen unterschiedlichster Art, jedes für sich interessant, aber in der Vielfalt und den oftmals essayhaften Einschüben stellenweise fast überfordernd. Kein gefäliger Roman ist dies, kein Text, der den Gute-Welt-Glauben bedient - sondern einer, der den Finger in die zahllosen Wunden legt, sei es nun der Rechtsruck in Japan, die Sinnlosigkeit von Krieg, die üblen Manchenschaften in der Vergangenheit wie die jahrhundertelange unbarmherzige Christenverfolgung, die Japan nur zu gerne unter den Teppich kehrt, die verdrehte und verfälschte Darstellung historischer Ereignisse, Fremdenfeindlichkeit, eine immer geringere Meinungsfreiheit u.v.m. Dabei ist vieles gar nicht nur ein japanisches Phänomen, etliche der dargestellten Probleme sind durchaus globaler Natur - mich hat der Roman vielfach ins Grübeln gebracht.
Neben der unglaublichen Konstruktion des Romans hat mich die Wahnsinnsrecherche des Autors sehr beeindruckt. Zu so vielen Themen derart vielseitig informiert und belesen zu sein: Hut ab. Nach dem Lesen war ich seltsam zufrieden, diesen Roman "bewältigt" zu haben. Sicher auch, weil die Anstrengung nun ein Ende hatte. Aber eben auch, weil ich diesen Roman als etwas sehr Besonderes empfinde und eine Zeitlang darin eintauchen konnte. Nakamura hat die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte und vielschichte Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen - vieles, was ich schwer erklärbar finde, wird hier plausibel und logisch dargelegt. Dazu präsentiert er wohlgefeilte Sätze, kein Wort wirkt hier fehl am Platz.
Dieser Roman lässt sich keinesfalls in eine Schublade stecken, etwas Vergleichbares habe ich bislang noch nicht gelesen. Ein gemischtes Chaos aus Gruselgeschichte, Krimi, Gesellschaftskritik, philosophischen Anklängen, Liebesgeschichte, Sachbuch - und all das gespickt mit magischem Realismus bis hin zu kafkaesken Elementen. Wie ein roter Faden zieht sich jedoch die Frage hindurch: Wer will ich eigentlich sein und was halte ich dafür aus? Jedenfalls ist dem Roman anzumerken, wie engagiert Nakamura hier geschrieben hat, wie wichtig ihm die angesprochenenThemen sind. Ein Herzensprojekt? Der Eindruck drängt sich auf.
Wer sich auf die herausfordernde und durchaus auch unbequeme Lektüre einlässt, der wird belohnt mit einem ungeschminkten Blick auf Japan und seine Vergangenheit, aber eben auch über den Tellerrand hinaus. Selten habe ich mehr gelernt durch einen Roman und selten bin ich dabei so sehr ins Grübeln gekommen. Beeindruckend!
© Parden
Hört sich gut an, derweil, der Baustellen sind zu viele....
AntwortenLöschen