Alex Fox, ein Antiquar aus San Francisco, will einer tragisch geendeten Liebe entfliehen und beginnt in der magischen Schönheit Andorras ein neues Leben. Aber für ihn wie für die rätselhaften Menschen, die seine Freundschaft suchen, erweist sich das Damals als ein schicksalhaftes Land, dem man niemals entrinnen kann. (Verlagsbeschreibung)
FLUCHT NACH ANDORRA...
Alex, auf der Flucht vor quälenden Erinnerungen an eine zunächst rätselhafte persönliche Tragödie, hat sein Antiquariat in San Francisco aufgegeben, um in Andorra ein neues Leben zu beginnen. Die Hauptstadt umgibt ihn mit bizarrer, aber rätselhaft einladender Architektur. Mit ihrem geheimnisvollen Spiel von Licht und Schatten. Mit gleißender Sonne und funkelndem Meer. Und an den ersten Tagen, frei und gleichzeitig geborgen in seinem ovalen, mit wunderschönen Antiquitäten ausgestatteten Zimmer im Hotel Excelsior, scheint es tatsächlich magisch, im Leben einfach die Seite umzublättern und ein neues Kapitel zu beginnen.
Aber dann begegnet Alex den schillernden, stets ein wenig melancholischen Menschen in Andorra. Da ist die schöne und faszinierende Mrs. Dent, verheiratet mit einem an seiner Mittelmäßigkeit leidenden Komponisten, mit dem sie ein schreckliches Geheimnis zu teilen scheint. Die kajakfahrende Sophonsobia, Herrscherin über den Quay-Clan und somit auch über ihre schönen Töchter Jean und Nancy, deren viktorianischen Reize Alex verwirren. Da ist die verarmte Mrs. Reinhardt, die von den letzten Resten ihrer spärlichen Rente im Hotel Excelsior untergekommen ist und eine manische Liebe zu Büchern kultiviert...
All diese Menschen, die um Alex' Liebe und Freundschaft buhlen, enthüllen dem Neuankömmling nach und nach die abgründigen Schicksalsschläge, die sie nach Andorra führten. Als schließlich binnen weniger Tage zwei Leichen an den Ufern Andorras angespült werden, gerät Alex unter Mordverdacht, und seine eigene Vergangenheit holt ihn letztlich ein....
"Es war unmöglich, diesen Kiesweg am Meer entlangzugehen und nicht Palmwedelschatten zu denken, denn sein Spitzenmuster überzog nicht nur den Weg, sondern auch mich, meine Haut, wie eine Art atmende, schimmernde Tätowierung." (S. 13)
So, Moment mal. Meer, Ufer, Strand? Der Zwergstaat Andorra liegt in einem Hochtal der Pyrenäen, zwischen Frankreich und Spanien - und hat keinerlei Zugang zum Meer. Da hat Peter Cameron entweder nicht sorgfältig recherchiert oder aber dieses Detail läuft unter dem Motto "dichterische Freiheit". Auch ansonsten (Klima, Licht) entsprechen die Schilderungen Andorras nicht zwangsläufig dem, was uns beispielsweise Wikipedia über das kleine Land verrät. Aber dass es im Gebirge liegt, immerhin, das gesteht der Autor ihm zu.
Tatsächlich haben mich diese kleinen Stolpersteine nicht sonderlich gestört. Ich war fasziniert von der Atmosphäre, die Peter Cameron hier kreiert, von dem leisen Roman voll sprachlicher Schönheiten - aber auch voll zu ahnender menschlicher Abgründe. Während zu Beginn der Reiz des Neuen überwiegt, wird schon bei den ersten Begegnungen deutlich, dass die Harmonie des Erlebens kleine Risse erhält - nichts, was sich mit einem Lächeln und wohlgesetzten Worten nicht wieder glätten ließe, und doch bleibt da etwas zurück. Der Leser erlebt das Geschehen ausschließlich aus der Sicht von Alex Fox, der zwar ein Tagebuch führt, dies jedoch erst mit seiner Ankunft in Andorra zu schreiben beginnt - die Vergangenheit bleibt lange im Dunklen verborgen.
"Und dann steuerte ich den Tabakladen an und ging hinein (...) "Kann ich Ihnen helfen?" fragte eine junge Frau, die hinter der Theke stand. Sie hatte einen weißen Laborkittel an, als wäre sie Wissenschaftlerin. Ich habe diese Art von schamloser Hochstapelei in der äußeren Aufmachung stets verabscheut: Hinter Ladentischen von Drogerien herumlungernde Kosmetikerinnen, die sich als Atomphysiker verkleiden. Das verwischt die scharfen Konturen der Welt." (S. 90)
Nach anfänglichen leichten Irritationen gleitet die Handlung zunehmend auch ins Kafkaeske ab, ins Traumhafte, Unwirkliche. Die Absurditäten nehmen zu, aber der Roman entwickelt trotz allem einen ganz eigenen Sog. Ein poetischer Roman über Liebe und Verrat, über Erinnern und Vergessen. Und mit der dominierenden Frage: Kann man seinem eigenen Ich entfliehen? Das Ende bietet dann eine ungeahnte, krasse Antwort, verbunden mit einer handfesten Überraschung.
Ein klug konzipierter Roman mit wohlgefeilten, oft sprachlich schönen Sätzen und mit einem verstörenden Gegensatz zwischen äußerer Schönheit und gehobenem Stil auf der einen Seite sowie innerer Zerrissenheit und persönlichen Abgründen auf der anderen. Lesenswert!
© Parden
https://www.deutschlandfunk.de/damals-ist-ein-fernes-land-100.html
AntwortenLöschenDa erklärt Cameron sein "Andorra"