Diesen Roman des japanischen Autors durfte ich mit freundlicher Unterstützung des Verlags im Rahmen einer Leserunde bei Whatschareadin lesen - dafür meinen herzlichen Dank!
Der Autor ist durch seine Romane 'Der Dieb' oder 'Die Maske' in Deutschland bereits bekannt. Nun ist auch sein Debüt im Diogenes Verlag veröffentlicht worden - erfolgreich? Wie mir der Roman gefallen hat, könnt Ihr hier nachlesen:
Inhalt: (Quelle: Diogenes Verlag)
Fuminori Nakamuras Figuren sind abgründig, manchmal nah am Wahnsinn,
seine Geschichten kunstvoll gewoben. So auch sein Debüt, in dem
Nishikawa, Student an der Universität in Tokio, an einem regnerischen
Abend bei einem Spaziergang durch die Straßen Tokios eine Leiche findet.
Statt die Polizei zu rufen, nimmt er den Revolver an sich, der neben
dem Toten liegt. Von diesem Moment an beginnt die Geschichte einer
Obsession, die den Leser immer tiefer in die verworrenen und absurden
Gedanken Nishikawas hineinführt. Die Waffe weckt etwas Dunkles in ihm
und wird mehr und mehr zum Zentrum seines Lebens. Seit er ihn besitzt,
fühlt sich der sonst eher introvertierte und zurückhaltende Mann stark
und unbesiegbar, und so beginnt er in der Folge gleich zwei lockere
Affären. Und plötzlich steht auch die Polizei vor seiner Tür. Im
Hochgefühl seiner Allmacht war Nishikawa leichtsinnig geworden, und
obwohl er eigentlich nichts zu befürchten gehabt hatte, denn nichts
führte von dem Ermordeten zu ihm, befindet er sich nun in einer prekären
Situation. Noch immer könnte er sich ohne Probleme freisprechen, doch
das würde bedeuten, seinen geliebten Revolver herzugeben. Am Ende ist es
nicht mehr genug für Nishikawa, den Revolver nur zu besitzen, er muss
ihn auch benutzen. Ein psychologisches Kammerspiel, eine
existenzphilosophische Studie über die Frage der menschlichen Freiheit,
die wie nebenbei zum spannenden Thriller gerät.
OBSESSION...
Quelle: Pixabay |
Der Student Nishikawa findet an einem regnerischen Abend in Tokio die
Leiche eines Mannes. Statt die Polizei zu rufen, nimmt er den Revolver
an sich, der neben dem Toten liegt. Es beginnt die Geschichte einer
Obsession, die den Leser immer tiefer in die verworrenen und absurden
Gedanken Nishikawas hineinführt. Die Waffe weckt etwas Dunkles in ihm
und wird mehr und mehr zum Zentrum seines Lebens.
"Da lag er, der Revolver, als hätte er schon immer
dagelegen (...) Es fühlte sich an, als würde der Revolver mir helfen,
aus meiner verschlossenen Welt auszubrechen, als würde er mich dahin
führen, wo alles möglich war." (S. 20)
Mit knapp 200 Seiten ist diese Erzählung eher eine Novelle denn ein
Roman. Der Student Nishikawa nimmt als Ich-Erzähler den Leser mit in
seine Welt, die aus einem engen, kleinen Zimmer besteht, einem
unauffälligen Leben als fleißiger Student, oberflächlichen
Freundschaften und lockeren Affären. Gleichgültigkeit prägt den jungen
Mann, was sich mit dem Fund des Revolvers allerdings zu ändern beginnt.
Nishikawa musste gar nicht darüber nachdenken, wie er auf den Fund
der Leiche reagieren sollte. Der Revolver gab den Ausschlag - der junge
Mann nahm ihn an sich und rannte mit ihm davon, bange hoffend, dass ihn
niemand gesehen hatte. Seither fühlt er sich von einem Glücksgefühl
durchdrungen, das er sich nicht erklären kann, das er aber auch nicht
mehr missen möchte. Nishikawa fühlt sich nun stark und unbesiegbar und
gibt seine übliche Zurückhaltung zunehmend auf.
Doch die Veränderungen haben ihren Preis. Bald schon reicht es nicht
mehr aus, den Revolver alleine nur zu besitzen und jeden Tag zu polieren
- der Ruf der Waffe wird immer lauter. Nishikawa will nicht zurück in
ein Leben voller Überdruss und Langeweile. Doch wird er dem zunehmend
unwiderstehlichen Drang wirklich nachgeben, den Revolver tatsächlich zu
benutzen?
"...es wurde immer schwieriger, jenes Glücksgefühl nur
durch das Bewundern und Befühlen des Revolvers hervorzurufen. Am
liebsten hätte ich die Zeit zurückgedreht - zu jenem Abend am Fluss, als
der Revolver und ich noch gleichberechtigte Partner gewesen waren. Doch
das war nicht mehr möglich. Der Revolver war ein Teil von mir geworden,
hatte mein ganzes Denken und Handeln durchdrungen. Zu schießen war die
eigentliche Bestimmung eines Revolvers, und so war es nur logisch, dass
auch ich das wollte..." (S. 94)
Eine friedlich beginnende, trostlose Erzählung driftet zunehmend ab
ins Wahnhafte und Böse. Der Ich-Erzähler bietet trotz der Einblicke in
seine Gedankenwelt sowie einigen Rückblenden in seine Vergangenheit
wenig mehr als seine glattgeschliffene Fassade, unter der es jedoch
erkennbar immer mehr zu brodeln beginnt. Die Spannung wird durch die
Frage aufrecht erhalten, wie sich Nishikawa letztlich entscheiden wird:
schafft er es, sich vom Revolver zu trennen, der immer mehr Macht über
seine Gedanken gewinnt, oder ist er bereit, dem Ruf der Waffe unter
Missachtung jeglicher Konsequenzen zu folgen?
Der Schreibstil ist durch meist kurze, prägnante Sätze geprägt,
passend zu der eher nüchternen Charakterdarstellung. Der Text liest sich
dadurch flüssig, auch wenn das Verhalten und die Gedanken des jungen
Studenten immer verstörender scheinen. Interessant fand ich hier auch
die Einblicke in die japanische Lebenswelt (z.B. heißer Kaffee in Dosen
aus Automaten), durchaus durchzogen von einigen gesellschaftskritischen
Passagen - auch und gerade bezogen auf den westlichen Einfluss, v.a. die
USA.
Alles in allem ein durchaus lesenswertes Debüt des japanischen
Schriftstellers, dessen spätere Werke wie 'Der Dieb' oder 'Die Maske'
bereits bei Diogenes erschienen sind. Ich jedenfalls bin neugierig
geworden auf diesen Autor.
© Parden
Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
- Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
- Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (25. September 2019)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Thomas Eggenberg
- ISBN-10: 3257070616
- ISBN-13: 978-3257070613
Informationen zum Autor: (Quelle: Diogenes Verlag)
Fuminori Nakamura, geboren 1977 in Tokai, studierte Öffentliche
Verwaltung und Staatsverwaltung an der Universität Fukushima. 2002
erschien sein Debüt ›Ju‹ (›Der Revolver‹). Inzwischen hat er in Japan
über ein Dutzend Romane veröffentlicht, die in viele Sprachen übersetzt
und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Fuminori Nakamura lebt
in Tokio.
Da ist was dran: "Zu schießen war die eigentliche Bestimmung eines Revolvers..." - aber in den allermeisten Fällen gibt sich das wieder...
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