Samstag, 4. Oktober 2025

Haas, Wolf: Wackelkontakt

 

Franz Escher wartet auf den Elektriker. Seine Steckdose hat einen Wackelkontakt. Um sich die Zeit zu vertreiben, liest er ein Buch über den Mafia-Kronzeugen Elio Russo. Elio sitzt im Gefängnis und wartet auf die Entlassung. Er hat so viele Leute verraten, dass er um sein Leben fürchtet. Aus Angst liegt er nachts wach und liest ein Buch. Es handelt von Franz Escher. Der wartet auf den Elektriker. Seine Steckdose hat einen Wackelkontakt. Wolf Haas' neuer Roman zündet ein erzählerisches Feuerwerk: Was beginnt wie zwei halbwegs übersichtliche Lebensgeschichten, verwirbelt sich zu einem schwindelerregenden Tanz - mit einem toten Handwerker, familiären Verstrickungen und vielen ungelösten Geheimnissen, funkenschlagend und spannend bis zum finalen Kurzschluss. (Verlagsbeschreibung)

DNB / Hanser Literaturverlage / 2025 / ISBN: 978-3-446-28272-8 / 240 Seiten

Wolf Haas bei Litterae Artesque: Eigentum


Kurzmeinung: Dieser Plot ist eine grandiose Überraschung - man fühlt sich gefangen in einer kuriosen Unmöglichkeit und findet am Ende doch alles logisch.














ERFRISCHEND ANDERS!




Viele werden die Bilder des niederländischen Künstlers und Grafikers M.C. Escher kennen, charakteristisch durch die Darstellung perspektivischer Unmöglichkeiten und optischer Täuschungen. Man betrachtet die Bilder, denkt hä?, staunt, und doch scheint es trotz des Wissens, dass das Gesehene gar nicht real sein kann, wahr. Genauso erging es mir mit dem neuesten Roman von Wolf Haas, in dem einer der Hauptcharaktere zufällig ebenfalls Escher heißt. Tatsächlich erinnert der Aufbau an M.C. Eschers sich gegenseitig malenden Hände.

Buch im Buch, Ping-Pong-Geschichte, Doppelhelix, Verwirrspiel - viele Bezeichnungen geisterten mir während des Lesens durch den Kopf. Tatsächlich werden hier zwei Geschichten parallel erzählt: die des Trauerredners Franz Escher und die des Mafia-Kronzeugen Elio Russo. Ein Erzählstrang endet jeweils mit dem Griff zum Buch, in dem dann die Geschichte des jeweils anderen weiter erzählt wird. Doch es bleibt nicht bei den säuberlich voneinander getrennten Lebensgeschichten. Im Verlauf vernetzen sich die beiden Erzählstränge immer mehr, verwirbeln miteinander, sehr zur Verwirrung der Protagonisten - und der Leserin / des Lesers. Während des Lesens versuchte mein Gehirn mich immer wieder zu überzeugen: Quatsch, verrückt, kann nicht sein - bis ich am Ende dachte: passt doch. Wirklich schräg.

Tatsächlich möchte ich hier nicht mehr zum Buch verraten, weil es viel zu viel Spaß macht, die Personen und den Verlauf selbst zu entdecken. Der Roman steht auf der Longlist des Österreichischen Buchpreises 2025 - ich würde ihm den Sprung auf die Shortlist gönnen.

Dieser Plot war für mich eine grandiose Überraschung - man fühlt sich gefangen in einer kuriosen Unmöglichkeit und findet am Ende doch alles logisch. Gerade als Vielleserin freut es einen doch, wenn man von etwas so Neuartigem (und gleichzeitig gut Lesbarem!) überrascht wird. Von mir gibt es 5 begeisterte Sterne!


© Parden








Wolf Haas wurde 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer geboren. Für sein Werk erhielt er u. a. den Bremer Literaturpreis, den Wilhelm-Raabe-Preis und den Jonathan-Swift-Preis. Er veröffentlichte die Romane »Das Wetter vor 15 Jahren« (2006), »Verteidigung der Missionarsstellung« (2012) und »Junger Mann« (2017) sowie neun Brenner-Krimis, zuletzt »Müll (2022). Bei Hanser erschien zuletzt der Roman »Eigentum (2023), der mit dem Erich Kästner Preis 2024 ausgezeichnet wurde. Wolf Haas lebt in Wien. (Quelle: Hanser Literaturverlage)


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