In einer Welt, die sich ihrer radioaktiven Altlasten stellen muss, entwirft Rolf Sakulowski ein Szenario, das gleichermaßen realistisch wie mystisch ist. Die Atompriester erzählt die Geschichte von Elias Thomsen, der durch eine schicksalhafte Begegnung mit der geheimnisvollen Blanca in einen Orden gerät, dessen Aufgabe es ist, das Wissen über Atommüll über Jahrtausende hinweg zu bewahren.
Der Orden lebt abgeschieden in den Pyrenäen und folgt einer Mission, die zwischen Wissenschaft und Spiritualität oszilliert. Elias wird Teil eines Systems, das nicht nur die Zukunft schützen will, sondern auch die Gegenwart infrage stellt. Als sich persönliche Gefühle mit globaler Verantwortung vermischen, steht Elias vor einer Entscheidung, die weit über sein eigenes Leben hinausreicht.
Hochspannung trifft Tiefgang: Sakulowski gelingt es, eine reale ethische und wissenschaftliche Herausforderung in eine fesselnde Handlung zu übersetzen. Allerdings besteht die wissenschaftliche Herausforderung meiner Meinung nach in der Frage nach geeigneten Endlagern, weniger nach einer Warnung für in weiter Zukunft lebender Generationen. Sollte man nicht davon ausgehen, dass sich, sollte die Menschheit in tausenden Jahren noch existieren, auch der Fortschritt soweit entwickelt hat, dass radioaktive Endlager unserer Zeit keine Gefahr darstellen, zumindest insofern, dass man sie alle kennt?
Mystische Kulisse: Das abgelegene Pyrenäenkloster und der geheimnisvolle Orden schaffen eine dichte, fast sakrale Atmosphäre. Der autokratische Orden, der sich aus einer vermeintlichen Elite rekrutiert, ist als Idee sicher nicht neu. Verblüffend war, dass Sakulowski im Nachwort auf einen gewissen Thomas A Sebeok (1920-2001) verweist, der genau eine solch krude Idee entwickelte. Der Professor für Linguistik und Semiotik entwickelte so etwas wie die Atomsemiotik:
Die Herausforderung der Atomsemiotik entstand aus der Erkenntnis, dass radioaktive Abfälle über extrem lange Zeiträume gefährlich bleiben – weit über die Lebensdauer heutiger Sprachen, Institutionen und Technologien hinaus. Wie kann man also Menschen in 10.000 oder sogar 100.000 Jahren davor warnen, ein Endlager zu betreten?
- Halbwertszeiten radioaktiver Stoffe wie Plutonium-239 (24.000 Jahre) oder andere Isotope mit Millionen Jahren Halbwertszeit machen langfristige Warnsysteme notwendi
- Kulturelle und sprachliche Barrieren: Schrift und Symbole können über Jahrtausende unverständlich werden – Keilschrift oder Indus-Schrift sind heute nur von Spezialisten lesbar
- Emotionale Dynamik: Die Liebesgeschichte zwischen Elias und Blanca verleiht dem Thriller eine menschliche Dimension und verstärkt die moralischen Konflikte.
- Gesellschaftskritik und Zukunftsvision: Der Roman regt zum Nachdenken über Verantwortung, Macht und die Langzeitfolgen technologischer Entscheidungen an.
- Visuelle Marker: z. B. „Stachel-Landschaften“ oder bedrohliche Skulpturen, die intuitiv
- Gefahr signalisieren sollen.
- Narrative Systeme: Mythen oder Geschichten, die das Endlager als verfluchten Ort darstellen.
- Multimodale Kommunikation: Kombination aus Symbolen, Architektur, Ritualen und Sprache.
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| Wikipedia |
Semiotik als Begriff war für mich bisher hauptsächlich oder nur mit Umberto Eco verbunden. Es ist die Wissenschaft von Zeichen und Zeichensystemen – sie untersucht, wie Zeichen entstehen, funktionieren und Bedeutung vermitteln, sowohl in der menschlichen Kommunikation als auch in Natur und Technik. Man unterscheidet sprachliche, visuelle, akustische, biologische und technische Zeichen.
Es gibt also reale Überlegungen in diesem Sinne. Trotzdem überzeugt mich letztens nicht. dass Wissenschaftler sich auf diesen seltsamen Orden einlassen sollen und das es notwendig sein könnte, zukünftige Generationen warnen zu müssen.
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Das Ende des Romans kommt unerwartet und ist doch in sich logisch, doch verstärkt es die Skepsis des Rezensenten.
Fazit: Die Atompriester ist mehr als ein Thriller – es ist ein literarischer Diskurs über Zeit, Ethik und die Grenzen menschlicher Voraussicht. Wer Spannung mit Substanz sucht, wird hier fündig, für mich bleibt es jedoch auch eine überzogene Geschichte, die trotz der bereits in den 80iger Jahren erfolgten Überlegungen von Leuten wie Sebeok, eher wie Verschwörungen anmuten. Nichts davon ist jedoch zur Umsetzung gekommen.
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Recht vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar. Die kursiven Teile wurden unter Verwendung von Copilot erstellt.
- DNB / Emons: / Köln 2025 ISBN: 978-3-7408-2478-5 / 412 S.
- Rolf Sakulowski - Wikipedia / Webseite
- Rolf Sulkowski auf Litterae-Artesque: Verlorenwasser / Das Elisabeth-Rätsel
© Bücherjunge


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