"Wie war ich so reich damals, als ich arm war!"
Auf den Spuren Peter Rosegger`s
"i g a i k schul, kann eh lesn, un schreibn a !"
Peter Rosegger (1843 - 1918) um 1888
Bildquelle: Wikipedia
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"i g a i k schul, kann eh lesn, un schreibn a !"
Dieser scherzhaft verkürzte Satz in steirischer Mundart, der sich mir erst auf den zweiten Blick erschloss, steht in großen Buchstaben mit weißer Kreide auf einer alten Schiefertafel geschrieben, welche in einem ehemaligen Klassenzimmer der Waldschule in Alpl bei Krieglach steht.
Der Urheber dieser Zeile zählt heute zu den leider fast vergessenen Schriftstellern, und doch war er gegen Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts zumindest in Österreich der meistgelesene Autor seiner Zeit!
Die Rede ist von dem österreichischen Heimatschriftsteller
Peter Rosegger (*31. Juli 1843 in Alpl/Krieglach, + 26. Juni 1918 in Krieglach),
dessen Buch "Waldheimat" ich hier vorstellen möchte.
"Ich gehe auch in keine Schule, kann eh lesen, und schreiben auch !"
In diesen Worten steckt viel Wahrheit:
Rosegger hat als Kind nie eine Schule besucht! Der Sohn eines armen, des Lesens und Schreibens unkundigen Waldbauern, wurde
von seiner Mutter und, zusammen mit anderen Bauernkindern aus der Umgebung, zeitweilig von einem aus Staatsdiensten entlassenen Lehrer unterrichtet. Man schätzt heute, dass seine Unterrichtszeit zusammengenommen maximal etwa 1 bis 2 Schuljahre betragen haben dürfte!
Peter Rosegger
Bildquelle: Internet
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Zunächst möchte ich einmal über meine Begegnungen mit dem ehemaligen Waldbauernbuben berichten, und wie es überhaupt zu dieser Rezension gekommen ist - denn, ich gebe es zu:
Auch ich hatte Peter Rosegger im Laufe der Jahre fast schon vergessen, seitdem ich in den 1980´iger Jahren die Fernsehverfilmung der ergreifenden Abenteuer des Waldbauernbuben verfolgt hatte. In jener Zeit erwarb ich auch das Buch und las die Geschichten des Waldbauernbuben.
Gut 30 Jahre später verbrachte ich zum Jahreswechsel einen Kurzurlaub in der Steiermark.
Nahe der beschaulichen Ortschaft Krieglach führt die Straße hinauf bis zu einem unscheinbaren Abzweig, der zur Waldschule führt. Bis dorthin kann man heutzutage fahren, den Rest des Weges hinauf zum Kluppeneggerhof, dem Geburtshaus des Schriftstellers, muss man wie zu Zeiten Roseggers auf Schusters Rappen bewältigen. Bevor ich mich aber auf den Weg mache, besuche ich das altehrwürdige Schulhaus, das heute ein Museum beherbergt.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts besaß die Gemeinde Krieglach noch keine Schule und es gab auch noch keine allgemeine Schulpflicht. Rosegger, zu dieser Zeit bereits ein bekannter Schriftsteller, beschloss, seinem Heimatdorf eine Schule zu stiften und rief für diesen Zweck eine Spendenaktion ins Leben. Er selbst steuerte seinen Teil bei, indem der Erlöse aus Lesungen, für die er sich eigens auf Reisen begab, spendete. Im Jahre 1902 war der Bau vollendet und Rosegger übergab das Gebäude seinem Zweck.
Peter Rosegger verfügte am 31. Dezember 1901:
"Das Schulhaus ist Eigentum der Gemeinde Krieglach. Sollte in Alpl die Schule einmal überflüssig werden, so ist das Schulhaus in irgendeiner guten anderen Art dienstbar zu machen. Zugunsten der Alpler, oder wenn solche nicht mehr vorhanden sein sollten, zugunsten der ganzen Gemeinde Krieglach - aber stets nur für Lehrzwecke (ist) der Ertrag zu verwenden."
In der Schule wurden bis in die 1970´iger Jahre hinein unterrichtet. Zum Schluss gab es noch 2 Schüler, die aber bald in eine andere Schule wechseln mussten. Nach der Schließung wurde die Schule renoviert und beherbergt seit 1982 ein Museum. Besichtigen kann man u.a. ein original erhaltenes Klassenzimmer mit den originalen Schulbänken von 1902. Die Metallbeschläge an den Tischen, in welche die Tintenfässchen eingestellt wurden, tragen Gravuren, aus denen hervorgeht, dass die Möbel aus Berlin stammen:
Sie waren die Spende eines Berliner Industriellen.
Auch die "Rosegger-Stube", in welcher der Schriftsteller oft nächtigte, ist im Originalzustand erhalten.
Besonders berührend aber sind zahlreiche historische Fotos an den Wänden, die
Die Fotos legen Zeugnis davon ab, dass diese Kinder in harten, entbehrungsreichen Zeiten aufwuchsen.
Peter Roseggers Jugend
Nach dem Besuch der Waldschule machte ich mich nachdenklich auf den Weg
hinauf zum Kluppeneggerhof.
Zeitgenössische Aufnahme des Kluppeneggerhofs
Bildquelle: Internet
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Die Luft ist eiskalt, so dass mein Atem in der Luft zu kleinen Wölkchen kondensiert. Die Sonne steht bereits tief im Westen, als ich den steilen Waldweg, der sich in regelmäßigen Spitzkehren den Berg hinaufwindet, beschreite.
Die Luft trägt mir den Duft von Baumharz zu. Er stammt von den geschlagenen Baumstämmen, welche Holzrücker in den Spitzkehren am Wegrand ordentlich aufgestapelt haben.
Der "Kluppeneggerhof" ist jetzt, Anfang Januar, nicht für Besichtigungen geöffnet. Infolgedessen begegnet mir auch kaum eine Menschenseele auf meiner Wanderung:
Nur ein oder zweimal kommen mir andere Wanderer auf ihrem Weg ins Tal entgegen.
Im Wald herrscht tiefe Stille und nur der Schnee knirscht leise unter meinen Schritten. Eine gute halbe Stunde bin ich stramm bergan marschiert, als links von mir ein Bauerngehöft durch die Waldbäume hindurch sichtbar wird. Ich nehme die letzte Kehre des Weges, der mich auf die Bergkuppe führt.
Nun liegt der "Kluppeneggerhof", das Geburtshaus Roseggers mit Wohnhaus, Stallungen und Geräteschuppen, direkt an den Hang gebaut, einsam und schweigend unterhalb des Weges.
Ich bin vollkommen allein hier. Niemand sonst ist da.
Der Schnee liegt hier oben gut knöchelhoch und es geht ein kalter Wind. Die Sonne berührt bereits nahezu die Berggipfeln zu, als ich
durch den Schnee den Hang langsam abwärts zum Hof gehe, wobei ich ein halb offenstehendes Holzgatter in der Umzäunung passiere.
Schließlich stehe ich am Eingang zum Wohnhaus und ein seltsames Gefühl beschleicht mich.
Es ist so, als wäre hier oben die Zeit stehen geblieben und fast erwartet man, dass sich in jedem Moment die verwitterte, aus massiven Bohlen grob gezimmerte Haustüre öffnet und der Waldbauernbub heraustritt, um sich auf den mehrstündigen Weg zu machen, "Christtagsfreude" zu holen.
Das Haus und die dazugehörigen Wirtschaftsgebäude und Stallungen sind im steirischen Stil aus groben, dunklen Balken gezimmert. Die winzigen Fensterscheiben rundherum lassen nur wenig Licht ins Innere fallen. Das Dach ist gedeckt mit verwitterten Holzschindeln und an der talwärts gewandten Giebelseite gibt es einen hölzernen Balkon.
Durch die kleinen Fenster erhasche ich einen eingeschränkten Blick in die im Halbdunkel liegende "Große Stube". Man erkennt einen hölzernen Tisch mit grob gezimmerten Bänken, blank gescheuerte Holzdielen, ein Spinnrad und weiteres, spärliches Mobiliar. Es soll sich, so lese ich später im Internet, hierbei um das Originalmobiliar der ehemaligen Bergbauernfamilie Roßegger, handeln (Peter Roßegger änderte seinen Namen später in Rosegger, um Verwechslungen mit gleichnamigen Personen auszuschließen).
Ich gehe einmal rund um das Haus und versuche mir vorzustellen, wie das Leben um 1850 hier wohl gewesen ist. Die Stallungen neben dem Wohngebäude sind zugänglich, die Stalltüren unverschlossen. Drinnen stehen teilweise Futterraufen und ich versuche mir vorzustellen, wie die Roseggerkinder im Sommer bei ihren vier Ziegen in deren heugefüllten "Futterbarren" nächtigten und Peter, der Älteste unter ihnen, die Geschwister mit seinen Geschichten unterhielt.
Nachlesen kann man diese Episode in der Geschichte "Dreihundertvierundsechzig und eine Nacht".
Die Sonne nähert sich bereits dem Horizont, als ich mich nachdenklich auf den Rückweg mache. Gern hätte ich noch mehr Zeit hier oben verbracht. Und eines ist sicher: Ich komme wieder, aber dann im Sommer, wenn hier oben die Wiesenblumen blühen!
Ich gehe einmal rund um das Haus und versuche mir vorzustellen, wie das Leben um 1850 hier wohl gewesen ist. Die Stallungen neben dem Wohngebäude sind zugänglich, die Stalltüren unverschlossen. Drinnen stehen teilweise Futterraufen und ich versuche mir vorzustellen, wie die Roseggerkinder im Sommer bei ihren vier Ziegen in deren heugefüllten "Futterbarren" nächtigten und Peter, der Älteste unter ihnen, die Geschwister mit seinen Geschichten unterhielt.
Nachlesen kann man diese Episode in der Geschichte "Dreihundertvierundsechzig und eine Nacht".
Die Sonne nähert sich bereits dem Horizont, als ich mich nachdenklich auf den Rückweg mache. Gern hätte ich noch mehr Zeit hier oben verbracht. Und eines ist sicher: Ich komme wieder, aber dann im Sommer, wenn hier oben die Wiesenblumen blühen!
Die Verse Roseggers sind zeitlos |
Die Geschichten aus Roseggers Waldheimat sind durchweg originell und anrührend. Sie schildern kleine Episoden aus Roseggers Kindheit und Jugend und lassen erahnen, wie beschwerlich und hart das Leben einer einfachen Bergbauernfamilie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewesen sein muss.
Die Geschichte "Als ich Christtagsfreude holen ging" ist eine der bekannteren aus dieser Sammlung, und ich lege sie den Lesern besonders an´s Herz.
Der Satz:
"Wie war ich so reich damals, als ich arm war!"
charakterisiert Peter Rosegger als einen Mann, der zeitlebens, auch als er bereits wohlhabend war, von diesen Kindheitserinnerungen gezehrt hat, die ihn für das Leben geprägt haben.
Als ich um Hasenöl geschickt wurde
Die Geschichten Peter Roseggers über sein Kindheit in der Waldheimat sind in vielen Ausgaben im Buchhandel und auch im Antiquariat erhältlich. Beispielhaft sind unten zwei Ausgaben aufgeführt:
als Kindle-Edition bei Amazon: 0,49 Euro! Als ich noch der Waldbauernbub war
als gebundene und Taschenbuchausgabe u.a. bei
Amazon erhältlich
Kindle-Edition bei Amazon für 49 Cent!
Amazon
Hier geht´s zum Hörbuch von audible
Hinweis: Alle verwendeten Fotos sind gemeinfrei oder stammen vom Verfasser
Eine sehr schöne Darstellung, Rudi. Deine persönlichen Erlebnisse so mit dem Buch bzw. Autor zu verknüpfen, gefällt mir sehr. Und das Gedicht zu Neujahr ist natürlich bekannt - und in der Tat zeitlos.
AntwortenLöschenIst das Zufall, diese beiden Buchbesprechungen hintereinander?
LöschenAlso ich konnte den Rosenegger gar nicht vergessen, denn es ist das erste Mal , dass ich von dem lese.
AntwortenLöschenEs tauchen doch immer mal wieder versunkene Posts auf. Das bedeutet, es treiben sich doch ein paar Leute auf unseren Seiten herum.
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