EIN ÖSTERREICHISCHES VOLKSSTÜCK...
Im Mittelpunkt des Geschehens steht Pfarrer Hell - sein Gegenspieler, der Graf von Finsterberg, tritt nur in der ersten und letzten Szene auf, spielt jedoch letztlich eine bedeutsame Rolle. Der feudal-klerikale Graf und der josephinisch freisinnige Pfarrer (der Josephinismus war eine wichtige Basis für die Katholische Aufklärung) stellen zwei Gegenpole dar, deren ganze Ausprägung allerdings erst am Ende des Stückes deutlich wird.
Pfarrer Hell ist in seiner kleinen Gemeinde sehr angesehen und geachtet. Die Wirtshausschlägereien haben nachgelassen, seit er nach Kirchfeld versetzt wurde, der Alkoholkonsum unter der Woche ebenso, und er selbst ist über jeden Zweifel erhaben. Als er von einem alten Kollegen gebeten wird, die junge Waise Anna in seinen Haushalt aufzunehmen und sie seiner Haushälterin Brigitte zur Seite zu stellen, ahnt er nicht, dass sich dadurch alles verändern wird: Pfarrer Hell verliebt sich in Anna, und auch wenn er sich sehr zusammenreißt, bleiben das Gerede und die Gerüchte nicht aus.
Die Bigotterie ist in diesem Volksstück ebenso Thema wie hier 'von gemischter Konfession, von gemischter Ehe und von einer aufdämmernden Notwendigkeit der Priesterehe die Rede ist'. Themen also, die wenigstens z.T. bis heute nicht ad acta gelegt worden sind, und bei denen man sich bildhaft vorstellen kann, für welche Aufregung sie in einem kleinen Bergdorf der damaligen Zeit sorgen konnten.
Die Sprache des Stückes war für mich gewöhnungsbedürftig - nicht allein aufgrund der Altertümlichkeit des Stils, sondern v.a. auch deshalb, weil das Volksstück tatsächlich im breitesten Dialekt geschrieben wurde. Da ich dialektfrei aufwuchs, fiel mir das reine Sprachverständnis schon nicht immer leicht, auch wenn der Sinn sich aus dem Zusammenhang ergeben mochte.
"Dös hab' ich auch 'glaubt - das hab' ich auch g'sagt, aber dö Letfeigen hab'n ja nit auf mich g'hört - und da hab' ich in sie 'neing'schrien - da sein dö grob word'n - ich net höflich - dö hau'n her - ich hau' z'ruck - und so hab' ich mein Teil kriegt."
Sehr gefallen haben mir dabei meist die eingefügten Lieder, deren Texte oftmals frech-frivol sind und die die oft eher düstere und melancholische Stimmung des Stückes selbst unerwartet auflockern. Die Liedertexte stammen zwar nicht aus der Feder Anzengrubers, doch da das Stück stets mit Gesang aufgeführt wurde, entschloss man sich schließlich, die Lieder im Buch auch mit abzudrucken.
Interessant fand ich auch im Anhang die zeitgenössische Theaterkritik eines Heinrich Laube aus dem Jahre 1870, der sich sowohl zum Stück selbst als auch zu der Art der Aufführung äußerte.
Die 159 Seiten meiner ererbten (und vergriffenen) Ausgabe des Textes waren letztlich rasch gelesen und zeigen, dass sich ein Blick in die Vergangenheit immer einmal lohnt.
© Parden
Anzengruber wurde am 29.11.1839 in Wien geboren, er stammte aus oberösterreichischem Bauerngeschlecht. Zuerst besuchte er die Realschule, er mußte sie aber wegen Geldmangels vorzeitig verlassen. Dann begann er eine Buchhandelslehre. Von 1860-1868 war Anzengruber Schauspieler bei verschiedenen Wandergruppen, mit denen er die Provinztheater bereiste. Sein Stück "Der Pfarrer von Kirchfeld" machte ihn berühmt. Später war Anzengruber Theaterdichter am "Theater an der Wien" und danach am Volkstheater. Er starb am 10.12.1889 in Wien.
Mein erster Gedanke war, das hat der Zinnsoldat aus Unna geschrieben ;)
AntwortenLöschenKeine typische Lektüre für mich, zugegeben. Aber Du weißt ja: immer für eine Überraschung gut! :)
LöschenManchmal will es der Zufall, das Beiträge zueinander passen, obwohl es nicht abgesprochen war. Dieser nette Beitrag von Anne zu Ludwig Anzengruber´s Volksstück passt ja wie die Faust auf´s Auge zu meinem Beitrag über Peter Rosegger!
AntwortenLöschen