Ford Madox Fords "The Good Soldier" heißt auf Deutsch "Die
allertraurigste Geschichte" und gilt vielen seiner
Schriftstellerkollegen als perfekter Roman. Manche bezeichnen ihn gar als einen der lesenswertesten Romane der Weltliteratur. Tatsächlich haben sich Schriftsteller wie Graham Greene, Ruth Rendell oder auch Ian McEwan von diesem Klassiker inspirieren lassen.
"Die allertraurigste Geschichte" - gibt es ein größeres Leseversprechen? Hier war meine Neugier wahrlich geweckt. Traurig war der Roman dann letztlich in der Tat. Nämlich für mich und mein ganz persönliches Leseerlebnis. Leider...
Inhalt: (Quelle: Diogenes Verlag)
Am Vorabend des Ersten Weltkriegs verbringen die Ehepaare Ashburnham und
Dowell alljährlich glückliche Tage in Bad Nauheim. Erst nach dem Tod
seiner Frau entdeckt John Dowell, dass der Schein in all den Jahren
getrogen hat, und er beginnt, den wahren Charakter seiner Freunde und
seiner Frau zu erkennen. Ein bewegender Roman, der den Leser mit jedem
seiner betörenden Sätze tiefer in das Labyrinth der menschlichen Seele
lockt.
Ford Madox Ford wollte mit ›Die allertraurigste Geschichte‹ zeigen, was
er konnte, und tatsächlich ist dieses Buch ein Meisterwerk geworden –
die ebenso raffinierte wie bewegende Geschichte zweier Ehepaare, die
untrennbar miteinander verbunden sind durch Liebe, Täuschung und Verrat.
Durch Andeuten und Verschweigen, langsame Entwicklung und schockierende
Enthüllung schafft der Autor ein literarisches Vexierspiel, das den
Leser darüber rätseln lässt, was Realität und was Vorspiegelung ist, was
moralisch richtig, was falsch. Und genau das macht aus diesem Buch mehr
als nur einen fesselnden Psychothriller, nämlich ein großes Kunstwerk.
VON DOPPELMORAL UND ENGEM GESELLSCHAFTLICHEN KORSETT - UND GROSSER LANGEWEILE...
Bad Nauheim um 1910 - Quelle |
Nachdem ich mich buchstäblich Seite für Seite durch den
Roman gequält und geärgert habe, fühle ich mich mit der Aufgabe
überfordert, eine wertneutrale Rezension zu schreiben. Am liebsten würde
ich herausschreien: langweilig, überflüssig, unmöglich! Aber derlei
Meinungsäußerungen benötigen ja eine Begründung, da sie ansonsten nicht
nachvollziehbar sind.
Ich
finde es eigentlich sehr bereichernd, gelegentlich einen Klassiker zur
Hand zu nehmen oder auch unbekannte Werke zu lesen. Als ich also die
Gelegenheit erhielt, diesen Titel im Rahmen einer Leserunde
kennenzulernen, zeigte ich mich von der Idee sehr angetan. Und ich muss
gleich dazu sagen, dass es zu diesem 1915 erstmals erschienenen Roman
durchaus begeisterte und positive Stimmen gibt. Nur kann ich mich ihnen
in keinster Weise anschließen.
Tatsächlich
litt Ford Madox Ford (1873-1939) schon zeitlebens unter einem Mangel an
Lesern, wie das Nachwort verrät - als Verleger und Kritiker hatte er
deutlich mehr Erfolg als mit seinen Romanen und Gedichten. Trotzdem gilt
'Die allertraurigste Geschichte' - zunächst erschienen unter dem Titel
'The Good Soldier' - als eines der wichtigsten Werke der englischen
Literatur der frühen Moderne. Wie das?
Nun,
Ford Madox Ford lässt den Ich-Erzähler John Dowell konsequent als
unzuverlässigen Erzähler fungieren - mit anderen Worten: ihm kann man
kein Wort glauben. Und tatsächlich widerspricht sich die Geschichte
immer wieder, manchmal schon im selben Satz. Als Leser ist man es
gewohnt, der Erzählung zu vertrauen, dem Gesagten zu folgen und seine
Schlüsse daraus zu ziehen. Das funktioniert hier nicht. Überhaupt nicht.
Das
beginnt bereits damit, dass John Dowell sich als Außenstehender zu
präsentieren versucht, der das geschilderte Geschehen zugetragen
bekommen oder auch zum Teil beobachtet haben will - in Wirklichkeit
steckt er aber selbst mittendrin. Dowell selbst erscheint als äußerst
naiver, gutgläubiger Zeitgenosse, der in jedem Menschen das sieht, was
dieser ihn sehen lässt. Er hinterfragt nichts und unterstellt jedem
zunächst nur positive Attribute. Doch als unzuverlässiger Erzähler
widerspricht er dem nur zu bald, und tatsächlich entpuppen sich die
Figuren nach und nach als etwas gänzlich anderes.
Was
sich hier vielleicht wie ein genialer Schachzug liest und von anderen
Rezensenten auch als solcher bezeichnet wird, konnte mich leider nicht
begeistern. Abgesehen davon, dass ich nie wusste, was ich nun glauben
sollte, fühlte ich mich mit der umständlichen und verschachtelten Art
des Erzählens überfordert, mit der Detailverliebtheit der Schilderungen,
den ständigen Zeitsprüngen, Abschweifungen und Einschüben, die einzig
und allein der Verwirrung des Lesers zu dienen scheinen. Die Erzählung
plätschert von Anfang bis Ende vor sich hin ohne auch nur ansatzweise so
etwas wie Spannung zu erzeugen - und tatsächlich erschließt sich mir
auch nach der Lektüre nicht, wofür dieses Buch überhaupt geschrieben
wurde.
Ja, die
Themen Doppelmoral, enge gesellschaftliche Konventionen statt
individuelle Entwicklungsmöglichkeiten, der Moralkodex der katholischen
Kirche - all dies findet sich in diesem Roman. Doch werden diese Themen
allenfalls angerissen und angedeutet - und verlieren gleich im nächten
Absatz wieder an Bedeutung. Für eine Gesellschaftskritik ist mir das
viel zu wenig.
Und
auch der Entwicklung der Figuren kann ich hier nichts abgewinnen. Zwar
blickt man mit John Dowell allmählich hinter die glattgeschliffenen
Fassaden der Gutbürger, doch abgesehen von der veränderten Perspektive
ändert sich hier wenig. Das Leben findet statt zwischen den Polen
Langeweile und Drama, was letztlich Konsequenzen nach sich zieht. Was
bei mir am Ende bleibt ist leider lediglich ein Achselzucken.
Langeweile
- das war auch mein hauptsächliches Empfinden während der Lektüre. Und
deshalb kann meine Bewertung des Romans auch nicht höher ausfallen.
Immerhin ist das Buch sehr hochwertig und hübsch aufgearbeitet, so dass
dies für mich ein Pluspunkt war. Ansonsten gibt es diesmal von mir
leider keine Leseempfehlung.
© Parden
Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
- Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
- Verlag: Diogenes; Auflage: New edition (28. November 2018)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Gertraude Krueger, Helene Henze, Fritz Lorch
- ISBN-10: 3257070381
- ISBN-13: 978-3257070385
- Originaltitel: The Good Soldier aka The Saddest Story
Informationen zum Autor: (Quelle: Diogenes Verlag)
Ford Madox Ford, geboren 1873 in Merton (Surrey), entdeckte als
Herausgeber der ›English Review‹ und der ›Transatlantic Review‹ eine
junge Schriftstellergeneration, darunter D. H. Lawrence, Ezra Pound, H.
G. Wells. Vor allem aber arbeitete er eng mit Joseph Conrad zusammen,
mit dem er mehrere Bücher verfasste. An seinem 40. Geburtstag setzte er
sich hin, »um zu zeigen, was er konnte«, und schrieb ›Die
allertraurigste Geschichte‹. Ford starb 1939 in Deauville (Normandie).
Ich habe noch DAS ENDE DER PARADEN als Hörbuch / Hörspiel auf dem Smartphone. Komme aber irgendwie nicht richtig klar damit.
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