Schaut dieses Cover nicht bezaubernd aus? Von diesem Roman erwartete ich mir - auch aufgrund des Klappentextes - märchenhafte Lesestunden.
Was ich dann wirklich bekam, fand ich - ernüchternd. Zwar spielte die Fantasie hier eine bedeutsame Rolle, doch das Magische blieb weitestgehend aus. Stattdessen hielt hier etwas Einzug, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Ob mir der Roman dennoch gefallen hat? Lest selbst:
Inhalt: (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)
Entdecken Sie mit Robert Dinsdales "Die kleinen Wunder von Mayfair"
Londons einzigartigen Spielzeug-Laden und einen ergreifenden Liebes- und
Familien-Roman zum Anfang des 20. Jahrhunderts.
Alles beginnt mit einer Zeitungsannonce: »Fühlen Sie sich verloren? Ängstlich? Sind Sie im Herzen ein Kind geblieben? Willkommen in Papa Jacks Emporium.« Die Worte scheinen Cathy förmlich anzuziehen, als sie nach einer neuen Bleibe sucht. Denn im England des Jahres 1906 ist eine alleinstehende junge Frau wie sie nirgendwo willkommen, zumal nicht, wenn sie schwanger ist – und so macht Cathy sich auf nach Mayfair. In Papa Jacks Emporium, Londons magischem Spielzeug-Laden, gibt es nicht nur Zinnsoldaten, die strammstehen, wenn jemand vorübergeht, riesige Bäume aus Pappmaché und fröhlich umherflatternde Vögel aus Pfeifenreinigern. Hier finden all diejenigen Unterschlupf, die Hilfe bitter nötig haben. Doch bald wetteifern Papa Jacks Söhne, die rivalisierenden Brüder Kaspar und Emil, um Cathys Zuneigung. Und als der 1. Weltkrieg ausbricht und die Familie auseinander reißt, scheint das Emporium langsam aber sicher seinen Zauber zu verlieren …
Nostalgisch, rührend und zauberhaft romantisch erzählt Robert Dinsdales "Die kleinen Wunder von Mayfair" von einer jungen Frau, zerrissen in ihrer Liebe zu zwei Männern mit einzigartigen magischen Talenten. Ein Liebes-Roman für alle Leserinnen und Leser von Erin Morgenstern und Jessie Burton und alle, die sich von einem Spielzeug-Laden voller Wunder verzaubern lassen.
EIN MÄRCHEN MIT WENIGER MAGIE ALS ERWARTET...
Quelle: Pixabay |
Dieser Roman war aufwühlend, in der Tat. Doch weniger, wie
im vorangestellten Klappentext postuliert, aufgrund einer dramatischen
Liebesgeschichte, womöglich einer Dreiecksbeziehung, und auch nicht,
weil die Erzählung den Leser entführen würde in eine magische Welt, die
zauberhafter nicht sein könnte. Beides hätte ich aufgrund der
Beschreibung irgendwie erwartet - und habe beides nicht wirklich
bekommen.
"Es
gibt Hunderte verschiedener Uhren im Emporium. Einige sind im Einklang
mit der Londoner Zeit, andere zeigen die Stunde jenes fernen
Küstenstreifens an, den die Godman-Brüder früher ihre Heimat nannten.
Wieder andere messen die Zeit auf eine sprunghafte, unberechenbare
Weise: Eine zählt jede dritte Sekunde rückwärts, um die Zeit zwischen
den ungeliebten Pflichten zu verlängern; eine andere dehnt die
Abendstunden aus, um das Schlafengehen hinauszuzögern. Sie alle messen
die Zeit, so wie Kinder es tun - etwas, das die Erwachsenen verlernt
haben. Nur Kinder wissen, warum der eine Tag eine Ewigkeit dauern kann,
während der andere in einem Wimpernschlag vergeht." (S. 41)
Zugegeben,
Papa Jacks Emporium ist schon kein gewöhnlicher Spielzeugladen. Viele
Dinge entwickeln hier durchaus ein Eigenleben und ziehen Groß und Klein
in den Bann, wenn das Geschäft mit dem ersten Frost des Jahres seine
Pforten öffnet. Allerdings - bei aller Begeisterung über die kufenlosen
Schaukelpferde, das über allem schwebende Wolkenschloss und
sekundenschnell hochschießende Papierbäume - erinnerte manches Detail
doch sehr an Begebenheiten aus den Harry Potter Romanen, und zudem gab
es hier für mich von Beginn an einen dunklen Unterton in der Erzählung.
Cathy,
die sich mit 16 Jahren aufgrund einer verfrühten Schwangerschaft
gezwungen sieht, ihre Familie zu verlassen und nach einer anderen
Unterkunft zu suchen, begibt sich aufgrund einer Zeitungsannonce in Papa
Jacks Emporium. Während der trubeligen Verkaufstage und ihrer Gewöhnung
an all die ungewohnten, nahezu magischen Spielzeuge kommt Cathy kaum
zum Luftholen, doch dann erfährt sie zu ihrer Verzweiflung, dass der
Spielzeugladen mit dem Erblühen des ersten Schneeglöckchens seine
Pforten wieder schließt - und alle Angestellten bis zum nächsten Frost
anderweitig unterkommen müssen.
Zum
Glück hat sie mit beiden Söhnen des alten Papa Jack inzwischen
Freundschaft geschlossen: Emil, der fleißige 18Jährige, der immer ein
wenig im Schatten seines ein Jahr älteren Bruders Kaspar steht, der im
Gegensatz zu Emil ausreichend Fantasie besitzt, um in die Fußstapfen
seines Vaters zu treten. Beide Brüder mögen Cathy, und so kann sie sich
in einem kleinen Spielhaus verstecken, das einst Papa Jack selbst erbaut
hat. Cathy mag auch beide Brüder, doch noch lieber als den ernsthaften,
von Ehrgeiz und Neid zerfressenen Emil, der stets das Gefühl hat, sich
irgendwie beweisen zu müssen, mag sie den verspielten Kaspar, dem eine
gewisse Leichtigkeit und Nonchalance zueigen ist.
Doch
anders als jetzt vielleicht zu erwarten wäre, geht es im Folgenden kaum
einmal um die Gefühle der beiden Brüder zu Cathy und umgekehrt. Auch
Papa Jacks Emporium steht hier nicht zwangsläufig im Mittelpunkt des
Geschehens, zumindest nicht hinsichtlich der Magie. Die Realität hält
Einzug, die Illusion des Ewig-Kindlichen hält dem nicht stand - der
erste Weltkrieg fordert seinen Tribut. Und Kaspar kommt vollkommen
verändert wieder, kann nicht da anknüpfen, wo er vor dem Krieg aufgehört
hat.
"Du
bist auch ein neuer Mensch, Kaspar. Man kann nicht die Dinge sehen, die
du gesehen hast, die Dinge tun, die du getan hast, und danach seinen
alten Platz in der Welt einnehmen." (S. 344)
Emil
dagegen, ausgemustert wegen eines schwachen Herzens, hat Papa Jacks
Emporium aufrechtgehalten. Doch eben auf seine Art. Da ihm Fantasie und
magisches Vorstellungsvermögen fehlen, hat er sich auf das gestürzt, was
er kann: die Produktion von Spielzeugsoldaten. Man kann sagen, der
Laden und das Buch wimmeln vor Spielzeugsoldaten, sie sind
zwischenzeitlich die heimlichen Protagonisten, reizen die Kinder der
Väter, die mit ungewissem Ausgang an der Front sind, zu eigenen
Kriegsspielen, niemals endend. Ein Aspekt, mit dem ich nicht gerechnet
hatte - und einer, der mir auch nicht wirklich gefiel.
Tatsächlich
räumt Robert Dinsdale diesen Spielzeugsoldaten eine große Rolle ein.
Ohne hier zu viel verraten zu wollen: sie sind es, die sich in dem Roman
weiterentwickeln, die Charaktere dagegen leider nicht. Emil, Kaspar und
Cathy werden älter, bleiben allerdings in alten Verhaltensmustern bzw.
Traumata verhaftet - ein weiterer Aspekt, der mir missfiel, ebenso wie
die oberflächliche und eindimensionale Zeichnung der Charaktere.
Im
Grunde hat mich die Erzählung über weite Strecken an ein Märchen
erinnert, zauberhafte Elemente inbegriffen, was für mich auch erklärt,
weshalb die Figuren stets auf Distanz blieben. Trotzdem hat mich das
Buch an einigen Stellen unerwartet sehr berühren können, was ich zu den
Pluspunkten zählen möchte. Doch Dinsdale verändert die Erzählweise mit
Eintritt des Krieges - eine Realität hält nun Einzug, die fast schon
schmerzt, philosophische Gedankengänge drängen sich in den Vordergrund,
das magische Emprium befindet sich auf dem absteigenden Ast,
unaufhaltsam.
Sehr
überrascht hat mich das Ende, das den Bogen zum Magisch-Märchenhaften
wieder schloss, wobei mir einige Aspekte wenig durchdacht schienen.
Während ich zwischenzeitlich fast geneigt war, die Lektüre abzubrechen,
konnte mich das Ende wieder für sich einnehmen, wenn auch nicht
vollkommen überzeugen. Im Grunde passt der fast durchgehende
melancholisch-traurige Ton des Verfalls gut zu der Erzählung, war aber
keinesfalls das, was ich erwartet hatte.
Definitv
schürt der Klappentext falsche Erwartungen, was m.E. hier zwangsläufig
zu Ernüchterungen und / oder Enttäuschungen führen muss. Eine wilde
Mischung aus Sehnsucht nach der Kindheit, traumatischen
Kriegserlebnissen, Rivalität unter Geschwistern, philosophischen
Anklängen und Antikriegs-Gedanken, die sich als anstrengend und in der
Fülle für mich auch als überladen erwies. Kein Buch, das mich begeistern
konnte - aber immerhin stellenweise berühren. Und das ist ja auch schon
etwas...
© Parden
Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
- Gebundene Ausgabe: 464 Seiten
- Verlag: Knaur HC (1. Oktober 2018)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Simone Jakob
- ISBN-10: 3426226723
- ISBN-13: 978-3426226728
- Originaltitel: The Toymakers
Informationen zum Autor: (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)
Robert Dinsdale, Jahrgang 1981, wuchs in North Yorkshire auf. Er lebt
mit seiner Tochter in Essex und arbeitet als Literaturagent. Wenn er sie
nicht gerade zur Schule fährt, geht er am Meer spazieren, arbeitet am
Computer oder besucht die örtliche Bibliothek (das kann er sehr
empfehlen!). »Die kleinen Wunder von Mayfair« ist sein dritter Roman.
Jetzt habe ich die Rezension zum zweiten Mal und genauer gelesen. Neugierig bin ich auch geworden. Zumal deine Zeilen ein wenig über dich verraten, ich meine, wie du über Bücher denkst.
AntwortenLöschenAber auch weil ich die Rezension von astrolibrium gelesen habe, der ähnlich anfängt, aber das Buch für die Zielgruppe des englischen Covers anpreist. Schau doch mal nach und leih mir dieses Buch.