Donnerstag, 10. Januar 2019

Fitzmaurice, Ruth: Der Schwimmclub der traurigen Heldinnen

Wieder einmal fiel mir ein Buch in die Hände, das mich durch seinen ungewöhnlichen Titel auf sich aufmerksam machte. Erfahrungsberichte lese ich eher selten, aber es kommt vor. 

Ein wenig Sorge hatte ich, dass dieses Buch zu sehr ins Sentimentale abdriftet, aber obschon es natürlich Sorgen, Ängste und auch traurige Momente beinhaltet, vermittelt es vor allem eines: eine Botschaft vom Überleben. Alles Weitere lässt sich hier nachlesen:








Inhalt: (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)

Ein ergreifende wahre Lebensgeschichte aus Irland: Ruth Fitzmaurice, eine junge Ehefrau und Mutter, meistert mit der Kraft ihrer Liebe ein schweres Schicksal. Ihr geliebter Mann Simon leidet an der unheilbaren Motoneuron-Krankheit, an der auch Stephen Hawking litt. Ein berührendes irisches Familienschicksal!
 
Als Ruth Fitzmaurices Mann Simon die Diagnose Motoneuron-Krankheit erhält, bricht für die junge irische Familie eine Welt zusammen. Die Ärzte geben ihm höchstens noch drei Jahre zu leben. Allen Warnungen zum Trotz, lässt Ruth ihren Mann zu Hause pflegen inmitten ihres Haushalts, der aus fünf Kindern unter zehn Jahren, einem alten Hund und bald auch einer Heerschar von Pflegern besteht. Doch Simons Zustand verschlechtert sich zusehends. Schließlich kann er nur noch mit seinen Augen via Computer kommunizieren. Aber er überlebt seine Drei-Jahres-Diagnose getragen von der Liebe seiner Frau und seinen Kindern. Für Ruth ist die Belastung enorm. Doch sie gibt nicht auf und findet ihren Platz zum Auftanken und Loslassen an der Greystone Bay. Dort trifft sich "der Schwimmclub der traurigen Heldinnen" fast täglich, um in die wilden Fluten der irischen See zu springen. Denn beim Schwimmen im eiskalten Wasser vergessen die Freundinnen ihre Trauer und ihre Sorgen und können dem Alltag danach mit neuer Kraft, Humor und Liebe begegnen. Die Geschichte einer bemerkenswert starken Frau, die unter die Haut geht und zum Nachdenken anregt.











WIEVIEL KRAFT KOSTET DIE AKZEPTANZ EINES TODESURTEILS?


Irland / Atlantik (Quelle: Pixabay)
In kurzen Kapiteln lässt Ruth Fitzmaurice uns teilhaben an ihren Gedanken, Gefühlen, Abläufen in ihrem Leben. Seit der Nachricht, dass ihr Mann unheilbar an der Motoneuron-Krankheit leidet und voraussichtlich nur noch drei Jahre zu leben hat, steht die Welt der Familie Kopf. Trauer, Angst und Wut stehen im Widerstreit mit dem festen Willen alles zu tun, damit Simon in Würde leben kann, auch wenn sich sein Zustand zusehends verschlechtert - damit die Familie noch als Familie funktioniert, auch wenn sich Gruppen von Pflegern die Klinke in die Hand geben, damit Ruth selbst der Gegenwart und Zukunft mit Mut und Kraft begegnen kann, auch wenn sie dem Schicksal nicht entrinnen kann.

Titel, Cover und Klappentext implizieren, dass besagter Schwimmclub der traurigen Heldinnen hier einen besonderen Stellenwert einnimmt. Dies stimmt jedoch nur bedingt. Eindeutig ist sowohl die Gemeinschaft der drei Freundinnen, die alle auf ihre Art traurig sind, als auch das eigentliche Schwimmen im Meer ein Bestandteil im Leben, der Ruth Kraft gibt. Dieses Schwimmen gibt dem Tag eine feste Struktur und sorgt gleichzeitig dafür, dass Ruth für einige Minuten ihre Gedanken loslassen kann und nur sie selbst ist. Doch nehmen die Schilderungen dieser Szenen nur einen kleinen Teil des Buches ein.

Rasch aufeinanderfolgende Kapitel zeigen auf, wie sehr sich das Leben für Ruth - und für alle anderen in ihrer Familie - verändert hat seit der Diagnose. Das Bemühen, weiterhin positiv zu denken und stark zu sein - für Simon, für die fünf Kinder, für das Leben. Aber auch die grauen Tage, die Mutlosigkeit, die Trauer, der Blick auf das Unvermeidliche. Nicht chronologisch, sondern wild hin und her springend in den Zeiten - Szenen vor der Erkrankung, die allmähliche Verschlechterung von Simons Zustand, die Reaktionen der Kinder und von Simons Mutter, die Entscheidung, trotz fortgeschrittener Erkrankung ein weiteres Kind zu bekommen (es wurden dann Zwillinge), sowieso immer wieder ein: Trotzdem!

Mit der Bewertung derartiger Bücher tue ich mich immer wieder schwer. Die Art des Springens in den Zeiten sowie häufig auch von einem Gedanken zu einem ganz anderen Thema empfand ich oftmals als verwirrend, kann aber nachvollziehen, dass Erinnerungen, Empfindungen, Gedankenfetzen sprunghaft kommen und die Art der Darstellung insofern wieder passend ist. Der Schreibstil ist eher einfach, und immer wieder schleichen sich Wiederholungen ein - aber kommt es bei einem solchen Erfahrungsbericht wirklich darauf an? In jedem Fall gehört eine gewaltige Portion Mut dazu, sich nicht nur der Krankheit - und hier gibt es kein Happy End - zu stellen, sondern diese und das eigene Leben auch einem Publikum zu präsentieren. Sicher eine Form der Trauerbewältigung für Ruth Fitzmaurice, aber vielleicht auch etwas, das anderen Betroffenen Mut machen kann. Denn Ruth hat überlebt.

Bei allem Elend vermeidet es die Autorin jedenfalls, auf die Tränendrüse zu drücken. Es geht ihr nicht darum bemitleidet zu werden, es geht ihr darum, Stärke zu demonstrieren, zu zeigen, wozu Liebe in der Lage ist und was Zusammenhalt bedeutet. Natürlich gibt es auch berührende Szenen, vor allem gegen Ende, und es ist zu ahnen, wie schwer ihr allein die Erinnerungen gefallen sein müssen. Aber letztlich ist es wirklich das Buch einer Überlebenden, einer Kämpferin, einer starken Frau. Und dafür zolle ich ihr meine Hochachtung...


© Parden










Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
  • Broschiert: 224 Seiten
  • Verlag: Knaur HC (20. August 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Maria Hochsieder
  • ISBN-10: 3426214393
  • ISBN-13: 978-3426214398
  • Originaltitel: I Found my Tribe



Informationen zur Autorin: (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)

Ruth Fitzmaurice, geboren 1976 in Irland, arbeitete viele Jahre beim Irischen Radio. 2008 erhielt ihr Ehemann Simon die Diagnose Motoneuron-Krankheit, an der auch Stephen Hawking litt. Die Ärzte gaben ihm noch drei Jahre zu leben. Getragen von der Liebe seiner Frau und Kinder überlebte Simon die Diagnose um sechs Jahre. Er starb im Winter 2017 im Kreis seiner Familie.



4 Kommentare:

  1. Hallo Anne,
    ich mag solche wahren Geschichten, auch wenn sie nicht immer perfekt stilistisch geschrieben sind. Ich vergleiche es mit meiner eigenen Einstellung, mit meinen Tiefen, mit meinen Höhen. Dass Ruth etwas gefunden hat, das ihr Kraft gibt - das Schwimmen - ist sehr weise. Ihr Haushalt hört sich liebenswert chaotisch an.
    LG
    Daniela

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    1. Herzlichen Dank für Deinen netten Kommentar. Ich glaube, wenn man derartige Bücher liest, stellt man zwangsläufig Vergleiche an, das bleibt wohl kaum aus.
      LG Anne

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  2. Es gibt so Schicksale...
    Du stehst für ganz besondere Literatur auf unserem Blog.

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    1. Ich bin für alles dankbar, was mir an derartigen Schrecknissen erspart bleibt.

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