Drei Jahre hat Robert Galbraith alias J. K. Rowling sich für diese Folge aus der Reihe um Cormoran Strike und Robin Ellacott Zeit gelassen. Eine lange Zeit, die sich meines Erachtens aber gelohnt hat. Denn dieser vierte Band toppt seine bereits erfolgreichen Vorgänger noch - an Raffinesse und Komplexität.
Diesmal geht es um einen britischen Minister in der Klemme, die Klassenunterschiede in Großbritannien, immer wieder um Pferde - und das alles im Umfeld der Olympischen Spiele in Lonodon. Ein wilder Mix, bei dem nichts zusammen zu gehen scheint - doch J.K.R. ist eine Meisterin ihres Fachs. Ein epischer Krimi von ungeheurer Länge, und doch schloss ich das Buch letztlich mit einem leisen Bedauern: schon wieder vorbei. Mein erstes Highlight in diesem Jahr!
Inhalt: (Quelle: Random House Audio)
Ein verstörter junger Mann bittet den privaten Ermittler Cormoran Strike
um Hilfe bei der Aufklärung eines Verbrechens, das er – so glaubt er –
als Kind mit angesehen hat. Strike ist beunruhigt: Billy hat
offensichtlich psychische Probleme und kann sich nur an wenig im Detail
erinnern, doch er wirkt aufrichtig. Bevor Strike ihn allerdings
ausführlich befragen kann, ergreift der Mann panisch die Flucht. Um
Billys Geschichte auf den Grund zu gehen, folgen Strike und Robin
Ellacott – einst seine Assistentin, jetzt seine Geschäftspartnerin –
einer verschlungenen Spur, die sie durch die zwielichtigen Ecken
Londons, in die oberen Kreise des Parlaments und zu einem prachtvollen,
doch düsteren Herrenhaus auf dem Land führt. Zugleich verläuft auch
Strikes eigenes Leben alles andere als gradlinig: Er hat es als
Ermittler zu Berühmtheit gebracht und kann sich nicht länger unauffällig
hinter den Kulissen bewegen. Noch dazu ist das Verhältnis zu seiner
früheren Assistentin schwieriger denn je – zwar ist Robin für ihn
geschäftlich mittlerweile unersetzlich, ihre private Beziehung ist
jedoch viel komplizierter …
MIT JEDER SEITE NIMMT DAS LESEVERGNÜGEN ZU!
Der vorangestellte Klappentext verdeutlicht gut, um welche
Problematik sich der vierte Fall von Cormoran Strike und seine Partnerin
Robin Ellacott dreht - mehr zum Inhalt möchte ich an dieser Stelle auch
gar nicht verraten. Die Länge der Beschreibung durch den Verlag deutet
auch schon auf die Komplexität dieses Kriminalromans hin - einfach auf
den Punkt bringen lässt sich hier jedenfalls nichts.
Folgelektüre? |
Nach
einem Prolog, der drängende Fragen aus Band drei beantwortet, folgen 69
Kapitel und ein Epilog - genug also, um die 864 Seiten zu füllen. Jedem
Abschnitt ist dabei ein Zitat aus Henrik Ibsens 'Rosmersholm'
vorangestellt, was ich erwähnenswert finde - denn aus einem einzelnen
Werk ausreichend passende Zitate für diese große Anzahl an Kapiteln zu
finden, ist für sich genommen schon eine Kunst.
Das
Buch lässt sich trotz der hohen Seitenzahl flüssig lesen und schließt
nahtlos an die Geschehnisse aus dem dritten Band an. Robert Galbraith
alias Joanne K. Rowling schreibt gewohnt bildhaft und lässt so Szenen,
Orte und Charaktere gelungen vor den Augen des Lesers entstehen. Dabei
lässt sich immer wieder feststellen, welch genaue Beobachterin die
Autorin ist - gerade die am Rande erwähnten kleinen Details lassen das
Gelesene so authentisch und lebensecht erscheinen.
Lebendige
Dialoge wechseln mit sorgfältigen Beschreibungen ab, wodurch sich das
Leseerlebnis abwechslungsreich und unterhaltsam gestaltet. Besonders
gefallen haben mir dabei auch die wiederholten und unerwarteten Einwürfe
humorvoller Szenen, die die ansonsonsten oft eher düstere Stimmung
angenehm durchbrachen.
Den
Haupt-Charakteren widmet JKR diesmal wieder viel Zeit. Diesmal steht
eher die Entwicklung von Robin Ellacott im Vordergrund, die nach den
Erlebnissen im vergangenen Fall mit Panikattacken zu kämpfen hat, die
sie jedoch zu verheimlichen sucht, damit Strike gar nicht erst auf die
Idee kommt, sie schonen oder gar entlassen zu wollen. Zudem steht ihre
Ehe mit Matthew unter keinem besonders guten Stern - diese Krise setzt
Robin noch zusätzlich zu. Über einen Mangel an Arbeit braucht sie sich
dagegen nicht zu beklagen. In ihrem Undercover-Einsatz im Ministerium
könnte sie rund um die Uhr arbeiten.
Cormoran
Strike kommt vor lauter Arbeit kaum noch zu einem Privatleben, was
seine Freundin Lorelei anfangs noch geduldig hinnimmt. Seine Ex-Verlobte
Charlotte taucht im Verlauf der Ermittlungen unerwartet wieder auf, und
Strike muss höllisch aufpassen, dass da alte Wunden nicht wieder
aufreißen. Gleichzeitig bemüht er sich sehr um einen möglichst neutralen
Umgang mit seiner Geschäftspartnerin Robin, denn die Gefühle, die er
für sie entwickelt hat, scheinen ihm einfach nur fehl am Platz. Die
Unbeschwertheit vergangener Tage lässt sich so kaum noch
heraufbeschwören. Doch der Fall beansprucht Cormoran derart, dass er
sich darüber meist gar keine Gedanken machen kann.
Auch
Nebencharaktere werden von JKR ausreichend skizziert, und obwohl diese
meist etwas klischeehaft geraten, passen die ihnen zugedachten Rollen
genau. Dabei lässt die Autorin ordentlich Seitenhiebe regnen auf die
Upperclass, die Politiker sowie auf hochstilisierte Veranstaltungen wie
die Olympiade 2012 in London und lässt dabei auch moralische sowie
rechtliche Grauzonen nicht aus. Das lässt zeitweise durchaus ein
Unbehagen beim Lesen entstehen, doch gestattet JKR dem Leser, eine
eindeutige Position zu den Vorfällen zu beziehen.
Die
Handlung selbst konzentriert sich nicht ausschließlich auf den
Kriminalfall, sondern widmet sich ebenso der Entwicklung der Charaktere
sowie den o.g. Themen. Die Autorin lässt sich viel Zeit beim Erzählen,
was vor allem zu Beginn durchaus auch Längen entstehen lässt, insgesamt
aber einen ungeheuren Sog entwickelt.
Etwa
zur Mitte hin ziehen Spannung und Tempo allmählich an, wobei der Fall
derart komplex angelegt ist, dass bei mir bis kurz vor Schluss eine
absolute Ratlosigkeit vorherrschte, wie zum Teufel das bloß alles
zusammenhängen kann und wer denn nun tatsächlich hinter all den
Geschehnissen steckt. Nun, ein Showdown fehlt hier ebensowenig wie eine
absolut befriedigende Lösung - und letztlich lässt mich der Krimi sehr
zufrieden zurück, mit einer gewissen Sehnsucht nach einer baldigen
Fortsetzung.
Alles
in allem also ein weiterer überzeugender und düsterer Krimi aus der
Reihe um Cormoran Strike. Aufgrund der Entwicklung der Charaktere sollte
man die Bände in der vorgesehenen Reihenfolge lesen - ansonsten gibt es
hier von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung an alle Liebhaber
epischer Krimis.
© Parden
Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
- Gebundene Ausgabe: 864 Seiten
- Verlag: Blanvalet Verlag (27. Dezember 2018)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Wulf Bergner, Christoph Göhler & Kristof Kurz
- ISBN-10: 3764506989
- ISBN-13: 978-3764506988
- Originaltitel: Lethal White (Cormoran Strike 4)
- Reihe: Cormoran Strike (Bd. 4)
Die Vorgänger:
- Band 1: Der Ruf des Kuckucks ► zur Rezension
- Band 2: Der Seidenspinner ► zur Rezension
- Band 3: Die Ernte des Bösen ► zur Rezension
Informationen zum Autor: (Quelle: Verlagsgruppe Random House)
Robert Galbraith ist das Pseudonym von J.K. Rowling, Autorin der Harry-Potter-Reihe und des Romans Ein plötzlicher Todesfall.
Hallo,
AntwortenLöschenden Fall und seine Komplexität fand ich auch großartig! Ich habe nach ein paar Kapiteln beschlossen, dass ich "Rosmersholm" mal lesen sollte.
Ich muss gestehen, dass mir die ganzen Passagen, in denen es um Robin und Matthew, Strike und Lorelei oder Strike und Charlotte ging, irgendwann einfach zu viel waren, in meinen Augen hätte man da gut straffen können, ohne dass das Buch darunter gelitten hätte... Ich fand es auch nicht ganz glaubhaft, dass eine mutige Frau wie Robin sich wirklich über ein Jahr mit einer unglücklichen Rehe abfindet.
Aber im Großen und Ganzen hat mir dieser Band auch wieder gefallen, auch wenn es nicht mein Lieblingsband der Reihe ist.
LG,
Mikka
Ich habe Band vier gleich im Anschluss an Band 3 gelesen und fand diesmal die Mischung gelungen, auch wenn es durchaus Längen gab, da stimme ich Dir zu... Aber ich fand es herrlich, wie sehr ich in diesen Krimi eintauchen konnte. Die langsame Erzählweise habe ich diesmal einfach nur genossen...
LöschenLG, Anne
Ich habe keine Zeit. Zum Glück liest du, liebe Anne, wozu ich nicht komme.
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