Freitag, 10. Mai 2019

Traven 04 oder WER IST B. TRAVEN von Torsten Seifert

Abschluss einer hier begonnenen Rezension. 

Vor wenigen Monaten wurde ich auf einen Roman aufmerksam, der sich dem Schriftsteller B. Traven widmet. WER IST B. TRAVEN?  von Torsten Seifert verleitete mich, nach wenigen Seiten umzuschwenken und mich erstmal mit einem der Traven-Romane zu beschäftigen: DER SCHATZ IN DER SIERRA MADRE wurde sofort Arbeitsgegenstand und der gleichnamige Film noch dazu. 


Die Idee, die Buchbesprechung über mehrere „Zwischenschritte“ zu bearbeiten, wie in Traven 02 angedacht, müsste jetzt zwangsläufig zur Beschäftigung mit dem Roman DAS TOTENSCHIFF führen. doch scheint es mir nun besser, zuerst einmal den Seifert Roman zu behandeln. 



 Traven 01: Litterae-Artesque liest fremd - Bloggestöber * Traven 02: Wer ist B. Traven? - Beginn einer Rezension *
Traven 03: Der Schatz in der Sierra Madre - Eine Rezension * Traven 04: Wer ist B. Traven - Die Rezension
* Traven 05: Das Totenschiff * Traven 06: Die weiße Rose *





Der erste Blick in das eBook bescherte einen eigentümlichen Beginn, der gleich Lust auf mehr machte.

Der erfolgreiche Journalist „Archi Tucker hatte Geschmack. Er saß in diesem ziegelroten Traum mit Achtzylindermotor, Automatikschaltung, Weißwandreifen und der Silhouette eines Torpedos, als wäre er ein Filmstar...  Es gab kaum keinen schöneren Platz für einen großen Auftritt als den Strand von Huntington Beach, an dem sein Cadillac Convertible Cabrio mit Blick aufs Meer parkte. Nur der Umstand, dass große Teile seines Gehirns über die mit beigem Leder bezogene Garnitur verspritzt waren und das Blut aus seinem Schädel auf der Rückbank ein hässliches Muster hinterlassen hatte, trübte das Bild, Aber irgend was war schließlich immer.“ (Seite 7)

Damit können wir den Archi Tucker gleich vergessen. Aber ein anderer Journalist namens Leon Borenstein hat davon die ersten Fotos gemacht, lehnt sich zufrieden zurück und wird zu seinem Chef gerufen. Der fragt ihn ob er einen Bruno Traven kennt. Kennt er nicht. Aber der geheimnisvolle Typ hat ein Buch geschrieben und dieses wird gerade in Mexiko verfilmt. Die Handlung wäre schnell erzählt:

„Drei Taugenichtse tun sich zusammen, um in Mexiko nach Gold zu suchen, Sie gehen in die Berge und werden tatsächlich fündig. Doch anstatt die Beute brüderlich zu teilen, misstrauen sie einander, bis sie ihre Habgier in die Katastrophe treibt.“ (Seite 9)

Mit einem gewissen Humphrey Bogart in einer Hauptrolle. Bronenstein solle seine Sachen packen, sich dahin scheren, und mit einem Mann namens Groves Kontakt aufnehmen, der für diesen Traven vor Ort sein soll. Oder aber selber dieser Traven ist.

Im Jahr 1948 weiß keiner genau, wer dieser Autor ist. Der Chef erklärt, von Jack London, der seinen Selbstmord vorgetäuscht hätte, einem Spion Stalins, einem entflohenen Häftling aus Fort Leavenworth bis zu einem mexikanischem Revolutionsgeneral sei alles möglich.

Leon macht auf den Weg und trifft erst einmal einen erstaunlich gut informierten Amerikaner, der ihn auf den Roman stößt, aber über diesen Traven weiß der auch nicht viel. Leon fängt erst mal an zu lesen und kommt zu folgendem Eindruck: 

„Als Kind hatte er gern Abenteuerromane geschmökert oder Vaters Westernhefte hervorgekramt, in denen Rinderherden über die endlose Prärie getrieben wurden, Sheriffs ihre Städte verteidigten und derjenige, der die meisten Indianer abknallte, am Ende das schönste Mädchen bekam. Dagegen wirkte B. Traven wie ein Bote aus einer anderen Welt. Einer, der keine heldenmütigen Phantasien zu Papier brachte, sondern Abenteuer so beschrieb, wie er sie selbst erlebt hatte, ganz ohne falsche Romantik. Seine Worte übten auf ihn eine magische Wirkung aus.“ (Seite 35)

Auch wenn der Rezensent keine Westernschmöker las, neben den vielen Abenteuerbüchern der Reihe „Spannend erzählt“ stachen, als er etwas älter war, die Romane dieses Traven genauso heraus.

Szenenbild
Am Drehort jedenfalls kommt er mit Bogart und dem Regisseur Huston zusammen, Bogart erzählt ihm bei mehreren Schachpartien von der Filmhandlung und dem Roman DER SCHATZ IN DER SIERRA MADRE. Wieder erhält er den Tipp, Travens Romane zu lesen, Bogart erzählt von DAS TOTENSCHIFF und schenkt es Leon das Buch.

Nur dieser Groves, der da rumschleicht und sich mit dem Regisseur streitet, an den komm er schnell nicht ran. Humphrey kann auf diesen Typ bezogen nur wage Andeutungen machen.  Dafür kann das aber eine Maria und es würde Seiferts Roman ja etwas fehlen, wenn da nicht was von Liebe und Erotik zu lesen wäre. Wie wäre es mal mit einem Beichtstuhl? 

Also, Leo bekommt nicht viel raus und dann wird das Projekt auch noch eingestampft, der Zeitungschef meint, im Zeitalter des neu aufkommenden Fernsehens werden die gedruckten Medien sowieso nicht mehr reißen können. Er kann nicht wissen, dass eBooks und rearBooks das Drucken von Büchern Jahrzehnte später auch nicht beeinflussen werden.

Traven lässt diesen Leon Bronenstein nicht los. Ob er an diesen Groves oder gar an Traven selbst noch rankommt? Torsten Seifert schickt ihn weiter auf einen Abenteuerkorso und die Leser gleich mit...

* * *

Für die Leserin, den Leser, der die Traven-Romane kennt, ist es bestimmt fesselnd, eine Biografie über diesen Schriftsteller zu lesen, die beinhaltet viel Abenteuer und überaus interessante Geschichte. Aber Traven wird gerade nicht viel gelesen. Die vorhandenen Biografien scheinen auch ziemlich umfangreich und kompliziert zu sein, daher kommt dieses Buch gerade richtig, den Köder auf moderne Leser auszuwerfen.



In DER FEUERSTUHL, einem erst 2019 herausgegebenem Buch mit Texten zu Traven, wird im Vorwort des Herausgebers erläutert, dass sich kaum einer an den Schriftsteller erinnert, lediglich im Namen der Widerstandsgruppe der Geschwister Scholl [1] kommt der Titel eines Romans vor: DIE WEISSE ROSE ist so ein Roman, der das Schicksal von Indianern in der Auseinandersetzung mit einem Ölkonzern erzählt. Dazu passt das Zitat aus einem Brief der Maria an Leon:



Travens Chancen, in der ganzen Welt gelesen zu werden, waren noch nie so gut wie heute. Der Erfolg von Sierra Madre ist ein trojanisches Pferd, in dessen Bauch die anderen, die revolutionären Werke lauern. Es ist Zeit, dass alle Arbeiter hören, was er zu sagen hat. Travens Romane erzählen mehr über Revolutionen als sämtliche Bücher von Marx und Engels zusammen. Sie helfen den Menschen zu verstehen, dass sie ihr Leben nicht einfach hinnehmen müssen, sondern dass es sich lohnen kann, für die Freiheit zu kämpfen., Traven sagt ihnen, wer ihre Feinde sind.“ (Seite 98)



Dieser Traven hat sich immer bedeckt gehalten. Zeitweise dürfte das politisch notwendig gewesen sein, denn der (vermutlich) als Otto Feige 1882 in Schwiebus geborene spätere Autor war eher als Red Marut bekannt. Nach dem suchte auch Erich Mühsam, nachdem sich Traven nach Mexiko abgesetzt hatte. Dieser Red Marut war übrigens aktiv in der Bayerischen Räterepublik nach der Revolution von 1918 tätig, und zwar als Zensor! [2]  Als solcher wurde er nach Zerschlagung der roten Republik verhaftet und hatte wohl Grund, zu emigrieren.

Gegenüber seines Verlages, der Büchergilde Gutenberg. hat er dargelegt:

Wikipedia - gemeinfrei
„Mein Lebenslauf wäre nicht enttäuschend. Aber mein Lebenslauf ist meine Privatangelegenheit, die ich für mich behalten möchte. Nicht aus Egoismus. Vielmehr aus dem Wunsche heraus: in meiner Sache mein eigener Richter zu sein. Ich möchte es ganz deutlich sagen. Die Biographie eines schöpferischen Menschen ist ganz und gar unwichtig. Wenn der Mensch in seinen Werken nicht zu erkennen ist, dann ist entweder der Mensch nichts wert, oder seine Werke sind nichts wert... In seinen Werken setzt er seine Persönlichkeit und sein Leben der Kritik aus.“ [3]

Zeit seines Lebens hat sich Mann bedeckt gehalten, selbst gegenüber seiner Ehefrau, die über seine Kinderzeit nicht viel wusste. Ein Grund für Torsten Seifert zum TRAVENologen zu werden.

Wie man sieht, wird die Recherche zu Traven ziemlich umfangreich. Daher macht Torsten Seifert mit seinem Roman auf wirklich spannende Art und Weise auf diesen B. Traven alias Ret Marut alias Otto Feige alias alias alias... aufmerksam. Gerade auch mit den Bezügen zu zwei der bekanntesten Romane und zur ersten Verfilmung macht Seifert Leserinnen und Lesern förmlich „das Maul wässrig“ – wer auf Abenteuerliteratur steht, der kommt hier voll auf seine Kosten. Und einen Traven-Roman liest sie oder er im Anschluss vielleicht auch.


Quelle bei Klett-Cotta
Seifert hat in dem oben erwähnten Feuerstuhl eine kleine Geschichte mit veröffentlicht, die TEQUILA MIT DEN SKIPPER [4] heißt. Darin träumt er sich ähnlich wie in seinem hier nun besprochenen Roman in die Figur des revolutionären Schriftstellers rein. Es scheint quasi eine Nachbereitung des Romans zu sein, für den er im Jahre 2017 den Blogbuster-Preis der Literaturblogger erhielt. Torsten Seifert wurde 1968 in Görlitz geboren und ist seit 1997 als freier Autor, Texter und PR-Journalist tätig. [5]

Ich jedenfalls bleibe dran am Traven-Projekt.



 



© Bücherjunge (08.10.2023)


1 vgl. Simone Barrientos / Karsten Krampitz in: DER FEUERSTUHL, Aschaffenburg 2019, Seite 12
2 Zu Red Marut wurde er schon im Jahr 1907, er behauptete aus San Francisco zu stammen, wo durch einen Brand alle möglichen Meldeunterlagen vernichtet wurden. siehe dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/B._Traven; 27.04.19, 19.40 Uhr
3 siehe Barrientos / Krampitz, Seite 11/12
4 siehe Ebenda, Seite 19
5 vgl. Ebenda, Seite 238

1 Kommentar:

  1. Klingt nach einer interessanten Spurensuche - viel Spaß auch weiterhin mit Deinem Projekt!

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