Freitag, 3. Mai 2019

Kang, Han: Deine kalten Hände

Die südkoreanische Autorin Han Kang ist in diesem Blog keine Fremde. Bereits zwei Bücher von ihr durfte ich hier vorstellen, und entsprechend neugierig war ich auf ihr neuestes Werk. Ich durfte es im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin lesen, wofür wir die Leseexemplare vom Verlag gestellt bekamen. Herzlichen Dank wieder einmal dafür!

Wobei - neuestes Werk stimmt nicht so ganz. Erst im Laufe der Lektüre erfuhr ich, dass dieser Roman weit vor 'Die Vegetarierin' und 'Menschenwerk' entstand. Ob mich Han Kangs früher Roman trotzdem überzeugen konnte? Lest selbst:





Inhalt: (Quelle: Aufbau Verlag)

Ein großer Roman über die Einsamkeit der menschlichen Existenz.
 

Eines Tages verschwindet der Bildhauer Jang Unhyong beinahe spurlos. Er hinterlässt seine faszinierenden Gipsabdrücke von Händen und Körpern – und ein bewegendes Tagebuch, das seine lebenslange Suche nach Nähe und Wahrhaftigkeit in einer Welt voller Masken schildert.










AUF DER SUCHE NACH NÄHE UND WAHRHAFTIGKEIT...


Quelle: Pixabay
Nachdem ich 'Die Vegetarierin' und 'Das Menschenwerk' von Han Kang vor einiger Zeit gelesen habe, war ich neugierig auf den neuesten Roman der südkoreanischen Autorin. Anfangs war ich etwas irritiert, denn wenn ich eines gelernt habe, dann die Tatsache, dass Han Kangs Schreiben in jedem Fall eines kennzeichnet: Verstörung. Dies war hier beim Lesen jedoch nur rudimentär der Fall, was mich verwunderte. Als ich schließlich erfasste, dass sie diesen Roman bereits 2002 veröffentlicht hatte - also deutlich vor den anderen beiden genannten Werken -, klärte sich die Verwirrung. Es wirkt tatsächlich wie ein Roman 'davor', beispielsweise aufgrund von deutlich weniger surrealen Szenen.

In eine kurze Rahmenhandlung eingebunden, wird die Erzählung um den Bildhauer chronologisch präsentiert, entsprechend der Einträge von Jang Unhyong in dessen Tagebuch. In meist recht kurz gehaltenen Kapiteln wechseln Zeit und Ort, wobei das Atelier des Künstlers schon eine dominante Stellung einnimmt. Wie auch in ihren anderen Romanen, wählt Han Kang hier einen distanzierten Schreibstil, klar und wenig poetisch, so dass der Leser die Figuren zwar genau betrachten kann, ihnen aber zu keinem Zeitpunkt wirklich nahe kommt. Dies wirkt phasenweise befremdlich und kühl, pointiert damit andererseits aber deutlicher die eigentliche Fragestellung des Romans.

Han Kang beschränkt sich in dieser Erzählung auf wenige Charaktere, wobei der Bildhauer Jang Unhyong im Mittelpunkt steht. Andere Figuren werden namentlich nicht erwähnt, sondern mit P., L. und E. abgekürzt, ebenso wie die Schriftstellerin H., die als Ich-Erzählerin der Rahmenhandlung fungiert. Von klein auf erkennt Unhyong, dass die Menschen stets ihr wahres Wesen hinter einer Maske verstecken - alles ist mehr Schein als Sein. Hände drücken oft mehr aus als das Gesicht eines Menschen, weshalb der Bildhauer eine Zeitlang fasziniert von diesen Körperteilen ist und Gipsabdrücke von ihnen fertigt. Aber auch Hände können Wahrheiten verbergen, und Unyhongs Suche gilt dem wahren Kern eines Menschen und damit der wahren Nähe zu ihm. Eine große Einsamkeit begleitet ihn dabei zeitlebens, denn die Wahrhaftigkeit will sich ihm einfach nicht zeigen.

Die Handlung selbst ist meist wenig aufregend, die inneren Vorgänge sind da weitaus spannender. Die Fragestellung: 'Wer sind wir wirklich - wer die anderen?' durchzieht den Roman und beschäftigt nicht nur den Bildhauer Unhyon, sondern lässt auch mich als Leser nicht kalt. Und auch die Autorin bekennt in ihrem Nachwort:


"Der Roman (...) veränderte meinen Blick, meine Art zu hören und zu lieben. Still brachte er meine Seele an Orte, an denen sie noch nie gewesen war." (S. 312)


Ein früher Roman der südkoreanischen Autorin Han Kang, der auf ihr wirkliches Können hindeutet, allerdings noch weniger Spuren der Verstörung aufweist als die späteren Werke. Eine Erzählung, durch die ich mühelos gleiten konnte, deren existenzielle Fragestellung mich beim Lesen beschäftigte und die ich trotz aller Distanziertheit wirklich mochte.


© Parden










Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
  • Gebundene Ausgabe: 312 Seiten
  • Verlag: Aufbau Verlag; Auflage: 1 (15. Februar 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung:  Kyong-Hae Flügel
  • ISBN-10: 3351037627
  • ISBN-13: 978-3351037628



Informationen zur Autorin: (Quelle: Aufbau Verlag)

Han Kang ist die wichtigste literarische Stimme Koreas. 1993 debütierte sie als Dichterin, seitdem erschienen zahlreiche Romane. Seit sie für "Die Vegetarierin" gemeinsam mit ihrer Übersetzerin 2016 den Man Booker International Prize erhielt, haben ihre Bücher auch international großen Erfolg. Zuletzt erschien von ihr bei Aufbau der Roman "Menschenwerk", der mit dem renommierten italienischen Malaparte-Preis ausgezeichnet wurde. Derzeit lehrt sie kreatives Schreiben am Kulturinstitut Seoul.






Weitere Romane der Autorin hier im Blog:

Zur Rezension
Zur Rezension








1 Kommentar:

Durch das Kommentieren eines Beitrags auf dieser Seite, werden automatisch über Blogger (Google) personenbezogene Daten, wie E-Mail und IP-Adresse, erhoben. Weitere Informationen findest Du in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google. Mit dem Abschicken eines Kommentars stimmst Du der Datenschutzerklärung zu.

Um die Übertragung der Daten so gering wie möglich zu halten, ist es möglich, auch anonym zu kommentieren.