Freitag, 7. Januar 2022

Riley, Lucinda: Die Mondschwester

Sieben Töchter hatte einst der Titan Atlas, der den Erdball auf den Schultern trägt, mit Pleione, welche die Seefahrer beschützt. Das Sternbild der Plejaden ist nach diesen benannt. Die sieben Schwestern hießen Alkyone, Asterope, Elektra, Kelaino, Maia, Merope und Taygete. Asterope heiratete einst den Menschen Sisyphus. Das ist der, der bis in alle Ewigkeit einen Stein auf einen Hügel rollt, der ihm kurz vor dem Ziel immer wieder entgleitet. Dafür schämt sie sich, daher der Schleier, der den Stern Asterepoe nicht so hell strahlen lässt, wie die anderen sechs.

In der Familie fiel zuerst das Buch auf, in dem es um Taygete geht. Dafür gibt es einen Grund: Auf dem Cover ist die Alhambra abgebildet, die schon mehrmals Gegenstand in unserem Blog war. In der Rezension zum historischen Roman über eine Maurin und in einer Geschichte über Prinzessinnen – beheimatet in Andalusien, in Granada.

Granada hat es uns angetan und erst vor kurzem waren wir wieder einmal dort. Im letzten September war es, da besuchten wir auch den Albaicín und Sacramonte, das Viertel mit den Höhlen der andalusischen Gitanos – der Wiege des Flamencos.


Die Mondschwester ist Taygete, genannt Tiggy. Es war also das fünfte Buch, welches da im Buchhandel den Weg zur Kasse fand. Twiggy bewirbt sich in Schottland um eine Stelle als Wildpflegerin auf den Besitzungen eines schottischen Lairds. Ein erstes Ziel besteht darin, Wildkatzen auszuwildern. Auf dem Land lebt in einer Hütte ein alter Mann, Chilly. Obwohl Tiggy den Alten noch nie gesehen hat, weiß der so einiges über die junge Frau. Einst wurde ihm prophezeit, dass er die Enkelin von Lucia la Cantela zurück in die Heimat schicken würde. Lucia ist die Großmutter von Tiggy. Doch die sieben Schwestern wurde alle von Pa Salt adoptiert, Tiggy kennt ihre eigene Geschichte noch nicht.

Durch den alten Chilly bekommt Tiggy den ersten Hinweis zu ihrer Herkunft. Chilly erzählt ihr und den Lesern die Geschichte von Maria und José und deren Tochter Lucia. Eine Familie spanischer Gitanos, das sind Zigeuner, die leben in Höhlen auf dem Sacramonte, gegenüber der Alhambra. Die Männer spielen meisterhaft Gitarre und singen, die Frauen tanzen – den Flamenco. Ansonsten sind sie bitterarm...

Als Lucia ungefähr zehn Jahre alt ist, lässt ihr Vater sie auf einem Fest auf der Burg tanzen. Lucia ist berauscht von dem Erfolg und beide ziehen nach Barcelona. Es dauert Jahre, bis der andauernde Erfolg zu Wohlstand führt. Im spanischen Bürgerkrieg, in welchem Francos Schergen auch gegen die Gitanos vorgehen, fliegt die cuadro (Künstlergruppe) nach Portugal, dort stoßen Maria und Lucias Halbbruder Pepe dazu. Südamerika, die Vereinigten Staaten sind weitere Stationen. Maria kehrt mit ihrer Tochter zurück nach Granada, als die sehr erfolgreiche Tänzerin mit Isadora schwanger ist, Tiggys Mutter....


Die Kühle Schottlands und die Hitze Andalusiens, die payo (Spanier) und die Gitano, Schulmedizin und Naturmedizin, das sind die Themen des Romans. Die Handlung wechselt regelmäßig zwischen der Gegenwart und der Geschichte um die Familie Albaycin, der Familie Tiggys in Andalusien den Orten des immer größer werdenden Erfolgs der Großmutter, bis die Familie auf dem Sacromonte zusammengeführt wird. Die Flamenco-Kultur steht im Mittelpunkt, die macht diesen „Frauenroman“ so interessant auch für mich und das hat seinen Grund:

Mit einem Taxi fuhren wir die schmale Straße im Darro-Grund, der Darro trennt Albaicin und Sacramonte vom Burgberg der Alhambra, bis vor die Show-Höhle der Maria la Canastera, um endlich einmal unmittelbar einen Ausschnitt der Flamenco-Kultur zu erleben. Die Zuschaueranzahl blieb begrenzt, obwohl es im Nachhinein kaum vorstellbar ist, dass in die Höhle einhundert Gäste passen sollen. Viele berühmte Gäste weilten schon in der Höhle, in der neben 100en Fotos Alltagsgegenstände der Gitano-Kultur auf dem Sacramonte zu bewundern sind. 



Heute sind es die Nachkommen, der 1913 geborenen Maria la Canastera, das heißt „Die Korbflechterin“, die mit Gesang zu Gitarre, Solostücken auf der Flamenco-Gitarre und Tanz begeistern. 

Die Menschen, deren Gesichter, die präzisen, schnellen rhythmischen Tanzbewegungen, die stampfenden Füße, die irrsinnig schnellen Finger auf der Flamenco-Gitarre: liest man das in Lucinda Rileys Roman, dann erscheint vor unserem geistigen Auge die Familie der ehemaligen Korbflechterin, Mutter und Tochter ungefähr im Alter der Isadora und der Twiggy, während die Großmutter Maria sogar noch älter war als Lucia la Cantela. Im Gegensatz zu Lucia hatte Maria la Canastera allerdings Erfolg in Granada, ihre Familienhöhle zeugt davon eindrucksvoll, es gibt ein Denkmal und eine Straße ist wohl auch nach ihr benannt. Es war unmöglich, die vermutlich verschiedenen Stile zu unterscheiden,  die Alboreá, The Cuchachá, The Mosca, The Fandango Albayzín und die Tangos von Sacromonte, einheimische Lieder und Tänze der Gegend um den den Sacramonte. Vielleicht war auch die  Bulería, die die Lucia tanzte. Die bunten Kleider, die die Autorin der Tänzerin auf „den Leib schneiderte“, bewegten sich beim Lesen, denn diverse Handy-Videos sind als Erinnerung an eine großartige Aufführung immer wieder gelaufen.

Die Gitanos sind die Zigeuner des Sacramonte. Der Zambra ist der Tanz der Zigeuner. Doch wenn wir mit dem Roman in diese Kultur hinschauen, dann erleben wir auch die Heilerinnen, die Brujas, Menschen mit einem „zweiten“ Gesicht, die in die Zukunft sehen können, das ist an sich nicht mein Fall. Obwohl, insbesondere die Verwendung allerlei Kräuter zur Heilung oder Linderung sicherlich  zu den Völkern gehört, die sonst nicht ganz so seßhaft sind wie die Gitanos auf dem Sacramonte.


Die sieben Schwestern
nannte Lucinda Riley den ersten Band von insgesamt acht Büchern. Sechs Bücher erzählen von sechs Schwestern und das siebente von der verschwundenen Schwester. Alles sieben, die Plejaden, wurden von „Pa Salt“ adoptiert. Der Titan Atlas ist der Vater der Plejaden. Pa Salt, wie er von  die Mädchen genannt wird, ist vor kurzem verstorben, an Genfer See lebt Ma in einem großen Anwesen, Salt, war ein reicher Mann. Mit dem Namen SALT hat Riley den Leserinnen und Lesern ein Logogriph, ein Buchstabenrätsel gestellt: SALT ist ein Anagramm, denn die Buchstaben lassen sich mühelos zu ATLAS umstellen. 

Jedoch konnte Riley den achten Roman, ATLAS - Die Geschichte von Pa Salt,  nicht zu Ende bringen, sie starb 2021 an einem Krebsleiden. Da sie aber umfangreiche Notizen hinterlassen und einige Passagen bereits geschrieben hatte, wird auf ihren ausdrücklichen Wunsch ihr Sohn die Geschichte beenden, die im Jahr 2023 veröffentlicht werden soll.

Sternbild aus wikipedia


Ja, es sind bestimmt Frauenromane, aber die Mondschwester macht Appetit auf mehr, denn der (noch) mysteriöse Salt, der auf dem Sacramonte einst versprach, Taygete „zurückzubringen“, macht neugierig, wie diese oder jene Schwester schon jetzt, vor allem die verschwundene. Vielleicht muss man(n) ja nicht alle Bücher lesen. 


Zambra Maria la Canastera  (2019) youtube



© Bücherjunge (09.04.2022)





















3 Kommentare:

  1. Auch bei mir war der grund die Alhambra, auf dem Cover und das Setting Granada, dass ich mich besonders auf diese geschichte freute. Ich habe aber auch die vorhergehenden Romane gelesen. Andalusien habe ich 2018 entdeckt, als meine Tochter für ein halbes Jahr dort studierte. Wir haben es besucht und waren begeistert. Cordoba, Sevilla, Granada...wunderschöne Städte, die mich verzauberten. Irgendwann möchte ich nochmals hin....

    Buchtechnisch hat mich allerdings die Mondschwester nicht wirklich überzeugen können.
    Liebe Grüße
    Martina

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  2. "Buchtechnisch"? Liest du weiter? Es sind ja nur drei...
    Liebe Grüße und danke für den Kommentar.
    Uwe.

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  3. Ich hatte mich schon gewundert, dass du zu diesem Buch gegriffen hast. Aber die Alhambra, natürlich... Keine Reihe für mich, acht dicke Bände, Hilfe! Aber es gibt viele begeisterte Stimmen zu den Büchern... Schöne Foto-Collagen, Uwe!

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