Montag, 24. Januar 2022

Herron, Mick: Spook Street

River Cartwright ist einer dieser Abservierten. Sein Großvater dagegen, einst Nummer 2 des MI5, ist heute alt und vergesslich und deshalb ein potentielles Risiko, aber nicht hilflos. Als eines Abends ein Fremder an seiner Tür steht und sich als sein Enkel ausgibt, erschießt er ihn sofort. Der echte Enkel findet in den Taschen des Toten eine Fahrkarte nach Frankreich – zufällig in den Ort, in dem sein Großvater immer »Urlaub« gemacht hatte. (Klappentext)
 
 
  • Herausgeber ‏ : ‎ Diogenes; 1. Edition (29. September 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Übersetzung  : Stefanie Schäfer  
  • Broschiert ‏ : ‎ 464 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3257300840
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3257300840
  • Originaltitel ‏ : ‎ Spook Street
  • Reihe:  Slough House (Band 4)  
 
 
 
 
 
 
Wenn es ginge, würde ich für diesen Thriller 6 oder mehr Sterne vergeben - aber mehr als 5 gehen ja auf den meisten Portalen nicht. Haben mich Band 2 und 3 schon begeistern können, gab es hier ganz klar noch einmal eine Steigerung. In jedem Fall hoffe ich, dass die anderen im Englischen bereits erschienenen Bände auch von Diogenes übernommen werden! Woher meine Begeisterung rührt, könnt Ihr hier nachlesen:
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 WENN LEGENDEN DEMENT WERDEN...

Ein Punkt, über den ich noch nie nachgedacht habe - warum auch? Was geschieht, wenn legendäre Geheimnisträger wie Rivers Großvater, genannt O.B. ("Old Bastard"), dement werden und damit die Gefahr besteht, dass genau diese sensiblen Geheimnisse (von nationaler Bedeutung) plötzlich publik werden könnten? Wie der Thriller verrät, gab es früher in England ein Altersheim für abgehalfterte - sorry, sich im Seniorenalter befindliche - Geheimagenten, doch aus Kostengründen... Welche Möglichkeit bleibt da noch, um die Geheimnisse sicher verwahrt zu wissen? Na, hm?

Doch so einfach scheint es nicht zu sein. Denn die Spur des vermutlichen Attentäters - nahezu ein Doppelgänger von O.B.s Enkel River - führt nach Frankreich. Zu einem Ort, der bei O.B. etwas klingeln lässt, denn dort hat er sich in seiner Vergangenheit immer wieder einmal aufgehalten. Aber wieso? River versucht im Alleingang, die Spur jenseits des Ärmelkanals aufzunehmen und somit herauszufinden, wer seinen Großvater umbringen will. Denn es ist kaum vorstellbar, dass dies der Versuch eines Einzeltäters sein soll...

Auch im vierten Band der Reihe hat Mick Herron wieder einen überaus komplexen Thriller rund um die Slow Horses geschrieben - so werden die abgehalfterten Mitarbeiter:innen des englischen Geheimdienstes genannt, die ihr Gnadenbrot im Slough House erhalten. Seit den Geschehnissen im vorherigen Band gibt es wieder Zuwachs in der "administrativen Besenkammer des Geheimdienstes" (S. 17). Und auch die neuesten Mitarbeiter:innen  weisen, hm, sehr besondere Züge auf. Wenn ich's recht bedenke, ist die unfreiwillige Fluktuation in der Bruchbude voller Loser-Typen doch erstaunlich hoch, das aber nur mal nebenher...

Mick Herron ist ein Erzähler. Er kreiert mit seiner Agenten-Reihe voller Verlierertypen eine besondere Art des Spionagethrillers und spart dabei nicht mit Kritik an gängigen Praktiken der Geheimdienste und der Verantwortlichen in der Regierung. Neben der packenden Handlung ist auch der bildhafte Schreibstil lobend zu erwähnen, der eine atmosphärische Dichte ebenso hervorruft wie er Bilder im Kopf des Lesers erzeugt. Das Düstere, Hoffnungslose, Melancholische gewinnt zeitweise derart an Kontur, dass man beim Lesen gelegentlich glaubt, Teil des Ganzen zu sein.

Der Autor lässt sich Zeit mit seiner Erzählung, und doch scheint auch diesmal kein Wort zu viel. Perspektivwechsel mit geschickt eingebauten Cliffhangern sorgen für ausreichende Spannung, die gegen Ende ebenso wie das Tempo noch einmal deutlich anzieht. Überragend auch diesmal wieder der Humor: trocken, schwarz, zynisch und - ja, englisch eben. Herrlich und immer wieder an unerwarteten Stellen eingebaut, sorgten diese Einlagen ebenso wie die teilweise bitterbösen Dialoge bei mir selbst an Punkten höchster Anspannung für etliche Lacher. 

Hach, ich bin einfach begeistert. Und wer zwischendurch das Gefühl hat, den Überblick zu verlieren - gegen Ende gibt es hier noch einmal eine geschickt präsentierte Zusammenfassung, so dass alle Zusammenhänge auf wenigen Seiten deutlich werden. 

Wer mit der Reihe anfängt: nicht von Band 1 verschrecken lassen. Ich fand den nämlich nur so mittelmäßig. Aber ab Band 2 überzeugt Mick Herron. Versprochen.

Mir bleibt jetzt nur noch, auf die Veröffentlichung von Band 5 zu warten. Hoffentlich bald...


© Parden

 
 
 
 
 
 
 
 
 


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  









 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Mick Herron, geboren 1963 in Newcastle-upon-Tyne, studierte Englische Literatur in Oxford, wo er auch lebt. Seine in London spielende ›Jackson-Lamb‹-Serie wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem CWA Gold Dagger for Best Crime Novel, dem Steel Dagger for Best Thriller und dem Ellery Queen Readers Award. (Quelle: Diogenes Verlag)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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