Freitag, 2. Juli 2021

Kutscher, Volker: Der stumme Tod

DER ZWEITE RATH - ROMAN

Man hält die 20ziger Jahre des 20. Jahrhunderts für vieles, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet. Mal grell und glitzernd, dekadent, großes Theater, großes Filmtheater, Unterwelt, Varité, Rotlicht-Etablissements.  Große Armut und am Ende eine gewaltige Wirtschaftskrise. Straßenschlachten zwischen NS-Schutzstaffel und kommunistischer Rotfront und dem Rotfrontkämpferbund, preußische Polizei dazwischen und einen unnachgiebigen sozialdemokratischen Berliner Polizeipräsidenten namens Zörgibel...

Volker Kutschers Bücher blicken „polizeilich“ auf diese Zeit. Er schickt den Kriminalkommissar Gereon Rath zum zweiten Mal ins Rennen. Hat er im ersten Band einen NASSEN FISCH bearbeitet, so ist es jetzt ein STUMMER TOD. Es dauert nicht lang und die Leserin, der Leser versteht,  der Tod der Schauspielerin Betty Winter mitten in einem Dreh hat dann auch was mit dem Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm zu tun. Sie wird von einem Scheinwerfer erschlagen. Hinzu kommen eine weitere Reihe toter Frauen, nicht nur Schauspielerinnen, denen zudem die Stimmbänder fachmännisch entfernt wurden. Hat da einer was gegen Tonfilme?

Gereon Rath, der aus Köln nach Berlin kam, arbeitet weiter in der Mordkommission, immer im Clinch mit dem Oberkommissar Böhm, jedoch gelegentlich unterstützt vom Inspektionsleiter Kriminalrat Gennat. Er ist ein eigenwilliger Typ, der bereits Bekanntschaft mit Kokain gemacht hat, einen amerikanischen Buick fährt, dessen Finanzierung ein Bündel Geldscheine im Briefkasten ermöglichte, einer der zumindest eine Größe der Berliner Unterwelt kennt. Zu diesen Handlungssträngen kommt natürlich noch Charlotte Ritter dazu, die wir schon aus dem ersten Teil kennen und die hier immer im Kopf des Rheinländers präsent ist, wogegen auch eine aktuelle Freundin nichts ausrichten kann. Im Laufe der Ermittlungen kommt Gereon auf den Hund...

Auch im zweiten Fall erleben wir ein einerseits aufgeregtes und dann wieder irgendwie normales Berlin und wir bekommen ein weiteres Mal preußisch-deutsche Polizeigeschichte präsentiert. Eher schleichend kündigt sich die Zeit des Nationalsozialismus an, es sind nur drei Jahre bis zum Machtantritt Hitlers, so richtig präsent ist er noch nicht. Genau diese Mischung macht die Gereon - Rath – Reihe so interessant. 

Die Geschichte findet sich in der dritten Staffel von Babylon Berlin wieder, in der Handlungen der Bücher von Volker Kutscher filmisch sehr ansprechend verdichtet werden. Sowohl die filmische, ziemlich freie Umsetzung des Stoffes wie auch die Bücher sind für sich ein Seh- und Lesegenuss. Die oft gestellte Frage, was nun besser wäre, der Film oder das Buch, erübrigt sich hier.

Der zweiter Gereon Rath Roman kam bereits 2009 heraus, geschrieben vom 1962 geborenen Volker Kutscher, der sich nach dem Studium von Germanistik, Philosophie und Geschichte - „brotlose Künste“ auf das Schreiben von Romanen warf. Erfolgreich und es scheint mir seltsam, dass ich erst durch die Serie Babylon Berlin auf diese Reihe aufmerksam wurde.

Gelesen hat den hier ungekürzten Roman David Nathan, der den Berliner ton sehr gut trifft.





Das Gereon Rath- Universum: Der nasse Fisch (2007) / Der stumme Tod (2009) / Goldstein (2010) / Die Akte Vaterland (2014) / Märzgefallene (2014) / Lunapark (2016) / Marlow (2018) / Olymipa (2020) / Transatlantik / Moabit + Mitte mit Kat Menschik / Der nasse Fisch als GN (Arne Jysch)

© Bücherjunge (14.11.22)


1 Kommentar:

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