Sonntag, 29. August 2021

Kutscher, Volker: Olympia

DER ACHTE RATH - ROMAN

Olympiade-Boykott? Vierzig Jahre später gab es einen solchen, man boykottierte sich im Kalten Krieg gegenseitig. 1936 nahm nur eines der großen Länder nicht an der Olympiade teil und das war die Sowjetunion. Die USA ließ sich überreden und in Deutschland wurden von Parkbänken die „Nicht für Juden“ Schilder für ein paar Wochen abgenommen und Gretel Bergmann trainierte plötzlich  wieder in Deutschland, um dann trotzdem nicht starten zu dürfen, im Hochsprung. Zweiter im Männerhochsprung wurde ein schwarzer US-Amerikaner namens Dave Albritton und der spielt eine Rolle im achten Roman um den Kriminaloberkommissar Gereon Rath.

Es ist Olympiade und Friedrich „Fritze“ Tormann darf als guter Sportler seiner HJ-Schar in den Jugendehrendienst, der im olympischen Dorf im Service arbeitet. Als er versucht, von Jesse Owens ein Autogramm zu ergattern, so ganz hat der ursprünglich begeisterte Hitlerjunge die Rassen-Grundsätze des Führers nicht verinnerlicht, trifft er auf den Hochspringer Albritton, der den weißen Jungen amüsiert losschickt, einen „Burger“ und eine „Coke“ zu hohlen. Der hält Coke für Kokain und lehnt erst mal ab. Während der Junge auf die Bestellung wartet, stirbt ein dicker Amerikaner im Kreise amerikanischer Sportler...

Der SD hat den ehemaligen Ziehvater des Jungen ebenfalls ins olympische Dorf geschickt, der soll alles verhindern, was deutschem Ansehen schadet, doch es stellt sich nach und nach heraus, das es ein Mord gewesen sein könnte. Wieder einmal sollen Kommunisten die Hände im Spiel haben. Es wird gefährlich für den Jungen und für Gereon...

Der Kellner des Deutschen Lloyd, dem Fritze die Bestellung aufgibt, beobachtet den Tod des Mannes ebenso. Ehlers ist in der SA doch war er einmal in der Kommunistischen Partei und das reicht, um direkt in die Prinz-Albrecht-Straße gebracht zu werden.

Wieder einmal muss Rath zusehen, wie eine „Vernehmung“ aussehen kann und, ich erwähnte das schon in Marlow, es läuft einem eiskalt den Rücken runter, denn Volker Kutscher macht seinen Leserinnen und Lesern ganz sicher nichts vor.

Mit weiteren Todesfällen wird auch beschlossen, Gereon Rath zu beseitigen. Ob Gräf, der ehemalige Freund und jetzige SS-Untersturmführer zurückdenken kann an bessere, an andere Zeiten?


(1) Dave Albritton & Jesse Owens
Auch im vorerst letzten Roman hat Volker Kutscher „neben“ dem Kriminalfall ein großes bekanntes Ereignis quasi als Rahmenhandlung benutzt, hier nun sind es die olympischen Spiele von 1936, in deren Mittelpunkt hier der schwarze Hochspringer steht, bewusst als Kontrast gesetzt. Es ist mal nicht Jesse Owens, dem der Junge in die DIE BÜCHERDIEBIN nacheifert und der deswegen verspottet wird. Auch wenn Fritze zu Beginn nach einem Autogramm des weltbekannten vierfachen Goldmedaillengewinners sucht, es ist ein Silbermedaillengewinner, auf den er stößt. Aber wer weiß schon auf Anhieb, dass beide in Alabama geboren wurden und die Ohio State University besuchten? 

Dass der „Führer“ bei Siegerehrungen schwarze Sportler brüskierte oder diese nicht in seiner Loge empfing, ist bekannt. Hier im Roman bedeutet es für unseren Fritze einen Stich, dass Hitler, der „es ermöglichte, dass Jungen wie er vom Straßenjungen zum Jugendehrendienst kommen können", dies bei Albritton ebenfalls tat. Auch sein neuer Ziehvater, der HJ-Bannführer Rademann, hält die „Negersportler“ für Tiere, „man lässt doch auch keine Pferde gegen Menschen antreten“. Fritze, der die Teilnahme am Jugendehrendienst seinen Sprachkenntnissen verdankt, bei denen ihm Charly und Gereon entscheidend geholfen haben, fängt an nachzudenken. Das ist ein nächster Schritt, nach dem der Junge schon nicht einsehen wollte, dass seine Lieblingskinderbücher, das vom Emil* und das vom fliegenden Klassenzimmer jetzt verboten sein sollen.

Charly Rath hat sich entschieden: Sie hilft, gemeinsam mit dem ehemaligen Oberkommissar Böhm, anderen, Deutschland verlassen zu können. Gereon hingegen hängt immer noch der alten Kripo an. Doch ahnt er, dass es den alten preußischen Kripobeamten nicht mehr gibt, so zwischen Gestapo und SD.

Kutscher hat angekündigt, dass da noch etwas folgen soll, denn er fand, dass er den 9. November 1938, die sogenannte Reichspogromnacht (Reichskristallnacht) nicht unerzählt lassen kann. Doch wird sich, denkt man an den Schluss von OLYMPIA, so einiges ändern. In Lankhurst gab es zum Glück auch 62 Überlebende...




* Emil und die Detektive von Erich Kästner war das einzige Buch des Autors, welches im NS-Staat nicht verboten wurde. Die Geschichte war wohl zu bekannt

Das Gereon Rath- Universum: Der nasse Fisch (2007) / Der stumme Tod (2009) / Goldstein (2010) / Die Akte Vaterland (2014) / Märzgefallene (2014) / Lunapark (2016) / Marlow (2018) / Olymipa (2020) / Transatlantik / Moabit + Mitte mit Kat Menschik / Der nasse Fisch als GN (Arne Jysch)


© Bücherjunge (14.11.22)

1 Kommentar:

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