Freitag, 13. August 2021

Kutscher, Volker: Märzgefallene

DER FÜNFTE RATH - ROMAN

Rosenmontag. Der Kölner Gereon Rath, Kriminalkommissar in der Inspektion A des Berliner Polizeipräsidiums, feiert diesen mal wieder zu Hause. Ohne Charly, die nicht wissen darf, dass er mit einem riesigen Kater und einer anderen Frau aufwacht, mit der er ins Kontor seines Freundes Paul „eingedrungen“ ist. Der macht ihm heftige Vorwürfe, denn Paul hat einen Narren an der Verlobten seines Freundes gefressen... 

Immer noch weiß Gereon nicht, wer der Schwarze war, den er mit seiner Zukünftigen einmal in einem Restaurant beobachtet hat . Was Charly während ihres Studienaufenthaltes in Paris noch alles studiert hat, darf wiederum der Kölner nicht wissen, welcher schleunigst wieder nach Berlin muss, denn es ist nicht einfach der Faschingsdienstag, es ist der Faschingsdienstag des Jahres 1933 und es brennt der Reichstag – Zeichen für eine andere Zeit, die nun anbricht. 


Die Inspektion A, die „Mord“, muss Beamte an die PP ausleihen, die politische Polizei, die übrigens einmal von einem Bernhard Weiß gegründet wurde, dem bereits 1932 entlassenen jüdischen stellvertretenden Polizeipräsidenten. Die PP jagt Kommunisten, die schnell als „Brandstifter“ ausgemacht wurden.

Am Nollendorfplatz wird ein Obdachloser erstochen. Der Gerichtsmediziner wird feststellen, dass dem Mann, einem Kriegsveteranen, ein dreieckiges spitzes Gerät durch die Nase ins Gehirn gestoßen wurde. Könnte dies ein Grabendolch gewesen sein? Der Ermordete gehörte, dies ergeben die Ermittlungen, zu einer Gruppe Soldaten, die im März 1917 in Nordfrankreich die „Operation Alberich“ durchführten. Sie finden zufällig etwas Wertvolles. Sechzehn Jahre später behauptet ein ehemaliger Leutnant in einem auch von Goebbels beachteten Weltkriegsroman, dass deren ehemaliger  Hauptmann, ein Jude namens Engels, hinter den Morden steckt, denn der Obdachlose bleibt nicht der einzige Tote. Ein jüdischer Ex-Hauptmann, das ist ein gefundenes Fressen für die PP, doch Gereon Rath hat da im Laufe der Ermittlungen seine Zweifel...

Zurück aus der PP erbt er den Fall vom KOK Böhm, der dem jetzigen Polizeipräsidenten ein Dorn im Auge ist. Von unseren beiden Polzisten, dem KK Gereon und der KKAin Charlotte ist es die bessere Hälfte, die zu ihren einstigen Förderer hält und die den Dienst unter den Nazis quittieren wird.

Ob die beiden tatsächlich heiraten werden? Schon einmal hat Charly einem Straßenkind helfen wollen, nun werden es gleich zwei: Hanna und Fritz... Nicht unbedingt das, was sich Gereon Rath so vorstellt von seiner Zukünftigen.

* * *

Volker Kutscher versteht es meisterhaft, uns in die kommende graue Zeit einzuführen, die so viele befürworten, wie zum Beispiel Gräf, der langjährige Partner Raths, der, bisher zu faul für einen Komissarslehrgang, die Beförderung in der PP mit „Handauflegen“ erhält. Aber nicht nur daran  zerbricht eine Freundschaft...

Im Mittelpunkt stehen trotzdem die Ermittlungen zu den „Märzgefallenen“ (im März 17 und nun im März 33). Fast beiläufig erzählt der Autor von der „Vorbereitung“ der Reichstagswahl im März. Die bestehen darin, am Wahltag möglicht viele Kommunisten in polizeilichem Gewahrsam zu halten, damit sie ihre Stimme nicht abgeben können. Soviel also zur angeblich letzten freien und demokratischen Wahl, wie selbst heute noch gelegentlich erzählt wird.

In einer Kritik las ich vor kurzem, dass Kutscher hätte mehr erzählen können über die politischen Zustände im beginnenden Dritten Reich, für mich hat er die richtige Mischung wiederholt gefunden. Charly und Gereon, Hanna und Fritz bilden den Kontrast zur Zeit, wobei Charlotte die Konsequentere ist in ihrer Ablehnung der Nazis. Gereon und sein Vater, ins Abseits gestellter Kriminaldirektor in Köln und Freund Konrad Adenauers, glauben immer noch, dass der Spuk einmal vorbei gehen wird, wenn der Reichspräsident Hindenburg einmal genug hat von dem braunen Spuk.



Genau das ist es, was Kutscher uns nun zum fünften Male erzählt, eine Kriminalgeschichte in einer Zeit des Umbruchs, der die Welt fast ins Verderben gestürzt hat. Dass der Fall außerdem noch spannend ist und für Verwirrung sorgt bringt der Leserin, dem Leser einen weiteren kriminalen Lesespaß, auch wenn uns gelegentlich der Spaß, ob der äußeren politischen Umstände, vergeht.



DNB / ARGON / Kiepenheuer & Witsch / ISBN: 978-3-7324-5399-3 / 19 h, 22 Min

  • DNB / Argon / K&W / ISBN: 978-3-462-04903-9 / 608 Seiten / 20 Std. 29 min

Das Gereon Rath- Universum: Der nasse Fisch (2007) / Der stumme Tod (2009) / Goldstein (2010) / Die Akte Vaterland (2014) / Märzgefallene (2014) / Lunapark (2016) / Marlow (2018) / Olymipa (2020) / Transatlantik / Moabit + Mitte mit Kat Menschik / Der nasse Fisch als GN (Arne Jysch)


© Bücherjunge (14.11.22)

1 Kommentar:

  1. David Nathan lausche ich auch gerne. Volker Kutscher ist dagegen für mich immer noch ein Unbekannter...

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