MOABIT oder wie kommt Charlotte "Charly" Ritter zu Oberkommissar Böhm? - Auf den Spuren von Charly -
Gehört und Gelesen
In MARLOW, dem siebenten Band der Gereon-Rath-Reihe brütet der ehemalige Oberkommissar Böhm über einen seiner „Nassen Fische“, die Akten enthält er Charlotte "Charly" Ritter vor. Was soll sie nicht lesen? Oder hat er etwas neues heraus gefunden über den Tod von Christian Ritter, dem Oberaufseher in der Haftanstalt Zellengefängnis Moabit, ihrem Vater?
Hat der Chinese Liang, die rechte Hand Dr. Marlows einem der ehemaligen Unterweltbosse in Berlinwas damit zu tun?
Volker Kutscher lässt uns gemeinsam mit Kat Menschik einen Rückblick unternehmen. Einmal tat er das mit einem Hörbuch, welches nicht nur von David Nathan gelesen wurde. Im Hörbuch beginnt Marc Hosemann, er spricht die Rolle des sogenannten Schränkers, dem Boss des Ringvereins Berolina, den während eines Gefängnisaufenthaltes in Moabit der „rote Hugo“ vertritt. Geht es hier um die Macht im Ringverein Berolina? Die Figuren tauchen am Rande der Handlungen der Rath-Bücher auf, meist im Zusammenhang mit Marlow, dessen Geschichte wiederum im gleichnamigen Buch erzählt wird.
Winkler, heißt der Mann der Unterwelt und gewisse Umstände veranlassen ihn, dem Oberaufseher Ritter einen Brief zu schreiben und ein geheimes Treffen Bei Mathilde anzubieten. Der Bericht Winklers endet genau dort vor Ort und David Nathan gibt nun dem Oberaufseher seine Stimme und lässt ihn berichten. Von seiner Tochter und diesen Umständen, dem Fall da im Gefängnis, bei dem besagter Winkler beinahe umgekommen wäre und der erfolglose Mörder Bekanntschaft mit dem Schlagstock des Oberaufsehers machte. Und den nun der Kommissar Böhm ermittelt, welcher in der Wohnung der Ritters die junge Lotte kennenlernt, die Stenografie und Schreibmaschine lernt. Zu Beginn, nach dem Abitur der Tochter, hat der Vater eine Schreibmaschine der Marke Orga privat aus dem Gefängnis mit nach Hause genommen, damit Lotte darauf üben kann. Jahre später wird Böhm gern darauf zurückgreifen.
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Adolf Winkler, der "Schränker" Christian Ritter, der Oberaufseher & seine Tochter Lotte, genannt Charly |
Hier finden wir also die Ursprünge, wegen der wir Charly, wie Lotte Ritter von ihrer schwedischen Freundin Greta genannt wird, in der Roten Burg begegnen, als ein gewisser Kölner Kommissar dort einige Jahre später seinen Dienst antritt...
Karoline Herfurth erzählt die Geschichte der Lotte Ritter. Ausgehen, Tanzen, Spaß haben, gemeinsam durch die Nacht ziehen und sich heimlich in der Frühe in die elterliche Wohnung schleichen. Die „Knasttochter“, an derem Lyzeum viel zu viel „höhere Gänse“ in ihre Klasse gingen, hat in Greta, die aus einem vermögendem Elternhaus stammt, die richtige Begleitung dafür. Gretas Freundschaft wird sie über Jahre begleiten...
Die Idee, Charly Ritters Geschichte zu erzählen, als sie bereits Frau Rath ist, ergänzt die Buchreihe, zumal wir lange Lesezeit nur ahnen konnten, wieso diese Stenotypistin nicht nur vom Kriminalrat Gennat, sondern gleichermaßen von diesem bärbeißigem und knurrig erscheinenden Oberkommissar Böhm geschätzt wird. Es gibt da also etwas in der Vergangenheit der Lotte „Charly“ Ritter. MOABIT ist als „neuntes“ Boch der Schlüssel dazu.
Das Besondere am Hörbuch waren die drei Erzähler, die auf unterschiedliche Art die Geschichte Winkler/Ritter erzählen. Winkler erzählt von sich in der zweiten Person Singular, er spricht sich praktisch mit DU selber an. Christian Ritter wählt die Ich-Form, während Karoline Herfurt auktorial von Lotte erzählt, quasi von außen auf das Geschehen blickend.
Jetzt aber liegt vor mir der schmale Band MOABIT, in Leinen und geprägt, in den Farben Blau und Orange, der als ein sehr schönes Buch bezeichnet werden kann. Die in blau-schwarz-orange gehaltenen Illustrationen von Kat Menschik machen das Buch zu etwas Besonderen.
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Passende Illustrationen mit sparsamen Farben. Ob vom Rasieren oder von Zigaretten die Rede ist, oder vom pflichtvergessenen Skatrunden in der Haftanstalt, auch dieses Buch bringt uns nach Berlin, in die zwanziger Jahre, was man an den Frisuren von Greta & Charly erkennt, |
Ich habe es gerade probiert: Hören und Lesen gleichzeitig, eine Form, in der die vielen Bilder, keine Doppelseite ohne ein Bild, erst recht zur Geltung kommen.
Die in Berlin lebende freie Illustratorin Kat Menschik hat eine Reihe „Lieblingsbücher“ gestaltet, in der die Leserin, der Leser Kafka, Shakespeare und E.T.A. Hoffmann finden, demnächst auch in
MITTE die Geschichte des Jungen Friedrich Thormann, der uns seit
MÄRZGEFALLENE bekannt ist, der vom Straßenjungen zum Jugendehrendienst der HJ bei der 1936er Olympiade kam und sich danach wieder verstecken muss. Ich jedenfalls bin sehr gespannt.
So ansprechend das gedruckte Buch ist oder sich das Hörbuch hören lässt: Die darin erzählte Geschichte funktioniert meines Erachtens nur, wenn die Leserschaft diese Charly bereits kennt. Ohne dieses Wissen könnte es schwer sein, die Handlung nachzuvollziehen, auch wenn sich mit dem dritten Teil des Büchleins die Handlung abrundet.
MOABIT erschien im Jahr 2017, zwischen
LUNAPARK und
MARLOW. Genau dazwischen gelesen, wäre die Wirkung vielleicht noch größer gewesen. Mit dem Wissen um MOABIT bestätigt sich ein Tatbestand im siebenten Rath-Band. Wer ist dieser Mann vor der Kneipe BEI MATHILDE, den Ritter gesehen hat? Für Leserinnen und Leser, die die Reihe um Gereon und Charlotte mögen, bietet das Buch sowohl eine nützliche als auch eine schöne Ergänzung. So bestätigt sich zum Beispiel
A Propos Ergänzungen: Es gibt auf dem Buchmarkt immer mehr interessante und oft ansprechende Projekte, in denen Romane eine illustrierte Ergänzung erhalten. MOABIT ist so eine, ebenso wie die Graphic Novel DER NASSE FISCH von Arne Jysch, es folgt dem ersten Buch der Gereon-Rath- Romane. Über dieses Buch wird hier noch geschrieben werden.
"Nasse Fische" nennt man in der Inspektion A des Berliner Polizeipräsidiums, in der Roten Burg die ungelösten Fälle. Hier arbeitet dieser Kommissar Böhm und der Fall Ritter/Winkler ist einer seiner nassen Fische.
© Bücherjunge (10.10.22)
Das Cover fällt farblich doch etwas aus dem Rahmen - die anderen Cover der Reihe haben Wiedererkennungswert...
AntwortenLöschenSelbst wenn das "nur" eine Ergänzung ist, fände ich es günstiger, wenn das auch äußerlich erkennbar wäre...
LöschenDas liegt an der Illustratorin, die da diese "Lieblingsbücher"-Reihe gestaltete.
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