Sonntag, 11. Juli 2021

David, Wolfgang: Im Aufwind der Macht

Napoleon: Für die allermeisten nicht nur ein Name. Verbunden mit Eroberer, Kaiser, Befreiungskriege, die Grande Armeé in Russland, Borodin, Moskau, Jena-Auerstedt, Leipzig, Waterloo... Die Deutschen, die meist gleich in den Sinn kommen, heißen von Stein, Blücher, Scharnhorst, Gneisenau, Theodor Körner und noch so einige, ganz abgesehen von den Monarchen, die die in blutigen Schlachten aufeinandertreffenden Truppen teils selbst im Feld führen.

Weniger ist zum Beispiel davon die Rede, dass dieser Bonaparte Verbündete mit Würden belohnte, wegen denen er durchaus als Königsmacher bezeichnet werden kann. Da ist dieser Murat, König von Neapel und ein gewisser Friedrich August I. Soeben, 1806, stand er noch als sächsischer Kurfürst an der Seite Preußens im Krieg gegen Frankreich, nun gehört er nach dem Potsdamer Frieden dem Rheinbund an, „gewinnt“ die „Cottbuser Enklave“ zu Sachsen dazu, was ihm, dem nunmehr ersten Königs von Sachsen, den Zorn des preußischen Königs einbringt


Nach der französischen Revolution gibt es nicht Wenige, die nach dem bürgerlichen Frankreich schauen und den selbsternannte Kaiser, das französische „Vive l’Empereur“ entgegenrufen, darunter auch ein sächsischer Kavallerieoffizier namens Johann Adolf Thielmann. Der zieht als sächsischer General mit der großen Armee auf den Russlandfeldzug. Thielmann, bewegt sich „Im Aufwind der Macht“.

Inhalt: Im Jahre 1812 zieht eine Armee mit Soldaten aus vieler Herren Länder unter französischer Fahne nach Russland. Bonaparte hofft, dass der russische Zar sich bereitfindet, in Friedensverhandlungen zu treten. Doch die Russen unter Kutusov ziehen sich vorerst immer weiter zurück. Es wird immer schwieriger, diesen riesigen Heereswurm zu versorgen. Vor Borodino kommt es zur Schlacht.



Abb 1: Angriff auf die Rajewski Schanze vor Borodino


Generalmajor Thielmann
, der die sächsische Kürassier-Brigade führt, zeichnet sich durch militärisches Geschick und Initiative aus, sein König macht ihn dafür zum Generalleutnant.

Als Moskau später brennt, muss sich die Armee zurückziehen. An der Beresina kommt es erneut zur Schlacht.

Wieder zurück in Sachsen vertraut der König seinem General die große Festung Torgau an, die keinem, ausdrücklich keinem übergeben soll. Thiemann muss die sächsische Armee wieder auf Vordermann bringen. Bald wollen alle in die Festung. Die Franzosen wie die Alliierten. Der Zar und der Preußenkönig, von Stein und Scharnhorst sprechen mit dem General, dessen König sich nach Prag verzogen hat in Dresden... 

* * *

Das Buch: Wolfgang David hat ein Anti-Kriegsbuch geschrieben, einen historischen Roman, der insbesondere die Schlachten bei Borodin und an der Beresina sehr eindrücklich beschreibt. Vor allem das Elend der Soldaten auf dem Rückzug, die fehlende Verpflegung, verbrannte Dörfer, krepierte Pferde und Hundefleisch im Kochtopf, die Feldschere, deren Hauptwerkzeug eine Knochensäge ist...


Neben den Stabsoffizieren und den historischen Personen hat Wolfgang David zwei die Handlung tragende Figuren eingefügt: Den Maler Pakosz „rekrutiert“ Thielmann als Schlachtenmaler, ohne Sold aber mit Pferd und Verköstigung in seinem Zelt. Der Autor hat den Krieg teilweise durch die Augen seines fiktiven Malers gesehen und beschrieben. Das Gemälde von Lawrence Alma-Tadema zum Brückenbau über die Beresina, könnte so ein Bild sein, dem Übergang über den Fluss auf dem Rückzug beschreibt David sehr eindringlich. Die Suche nach einer geeigneten Furt, die Pontoniere, deren Material im eisigen Winter teils Opfer der Lagerfeuer wurde...



Abb 2: Brüchenbau an der Beresina


Unter dem Stichwort Borodino wird auf den Schlachtenmaler Albrecht Adam (1786 – 1862) verwiesen. Er beschrieb eine Situation so: 

„Bluttriefend schleppten sich die Soldaten aus dem Kampfe, an vielen Stellen war das Feld mit Leichen bedeckt; was ich an Verwundungen und Verstümmelungen an Menschen und Pferden an diesem Tag gesehen, ist das Gräßlichste, was mir je begegnete, und läßt sich nicht beschreiben.“ [1]

So ähnlich finden wird Beschreibungen auch bei Wolfgang David, wenn Thielmann erklärt, dass russische Infanterie sich totstellt und nach dem Überreiten hinterherschießt. „Schärfen Sie den Leuten ein, dass sie auf jeden Liegenden einzustechen haben, er mag so tot aussehen, wie es beliebt.“



Abb 3: Zastro - Kürassier
Eine zweite fiktive Person ist der Wachtmeister Grentsch, wenn man so will eine Art rechte Hand des Generals für die Mannschaften. Ein sympathischer erfahrener Soldat dem in Jahren dieses Berufs und des Krieges die Moral nicht abhanden gekommen ist. Der Maler malt den Sturm auf die Rajewski-Schanze bei Borodino, der Wachtmeister steckt inmitten der Soldaten im Kampf, zum Beispiel unter den Zastrow-Grenadieren.

Diese drei Personen, Thielmann – Pakozs – Grentsch bilden eine Art Dreieck der Handlung, die etwas abrupt beendet wird. Hier hätte ich mir etwas mehr gewünscht; Wolfgang David hat jedoch keine Biografie schreiben und sehr bewusst nur diesen Abschnitt im Leben des Generals Johann Adolf, Freiherr von Thielmann erzählen wollen: Vom Marsch durch Russland für Napoleon bis zum persönlichen Übertritt zu den Alliierten, nachdem sich seine Sicht auf Bonaparte entschieden gewandelt hat.

* * *

Dieser General Thielmann, von dem viele Leserinnen und Leser vermutlich nur gehört haben, wenn sie bestimmte historische Romane gelesen haben oder sich für Kriegsgeschichte interessieren, ist etwas umstritten. Gegen Ende des Romans erkennt der Leser das, wenn sich die Offiziere seines Stabes über die Option, zu den Alliierten zu wechseln, völlig uneinig sind. Selbst der Jugendfreund Thielmanns, der Generalmajor Sahrer von Sahr, verweist darauf, dass sie nur dem eigenen Monarchen, dem sächsischen König, zu gehorchen haben, Befehl sei Befehl, egal mit wem es gegen wen geht.

Über den Russlandfeldzug haben viele geschrieben. Borodino ist besonders bekannt geworden, zum Beispiel durch KRIEG UND FRIEDEN von Lew Tolstoi. Theodor Fontane hat VOR DEM STURM (1878) geschrieben, in diesem Roman findet sich ein Bericht eines Soldaten aus der Brigade Thielmann. [2] 



Abb 4: Historische Romane (Link)


Historische Romane haben sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte geändert. Vom Heldentum, gepaart mit Ritterlichkeit, größtem Mut und gewaltigem Nationalstolz, werden historisch genauere, breit recherchierte Romane, die das Grauen der Kriege auch als solches benennen. In einem solchen lernte ich diesen Thielmann bereits bei Sabine Ebert in 1813 – Kriegsfeuer und 1815 – Blutfrieden kennen. Wolfgang Davids Roman aus dem SALON Literatur VERLAG ist ein solcher Roman.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar. LITERATURTEST.



© Bücherjunge


  • Fußnoten
  • [1] Zitat! Hyacinth Holland: Albrecht Adam (1786–1862). Aus dem Leben eines Schlachtenmalers; Selbstbiographie nebst einem Anhange. Verlag Cotta, Stuttgart 1886, S. 190. Zitat gefunden in Bruno Bushart, Matthias Eberle, Jens Christian Jensen: Museum Georg Schäfer. Erläuterungen zu den ausgestellten Werken. 2. Auflage. Schweinfurt 2002, ISBN 3-9807418-0-X, S. 25.
  • [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Borodino


7 Kommentare:

  1. Ich mag es, wie du Bücher immer auch in einen größeren Kontext stellst...

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  2. Lieber Bücherjunge,
    der "etwas abrupte" Schluss soll - im Sinne eines Cliffhangers - Interesse am Fortgang der Handlung in einem Folgeband wecken. Der allerdings nicht heute oder morgen erscheinen wird.
    MfG, Wolfgang David

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    1. Vielen Dank für diesen Kommentar. Ein Band über die letzten 10 Lebensjahre? Da würden mich die Jugendjahre aber auch interessieren.
      Viele Grüsse

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  3. Wir sprechen über ein Gelege, das noch längst nicht komplett ist, darum bis auf weiteres: Pssst!!

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