Sonntag, 28. April 2019

Llewellyn, Ralph: Die Politik und ihr Wahnsinn - Der Reichstag

In dem nun zu besprechenden Büchlein steht vorn eine Widmung: „Viel Spaß beim Lesen ... Ralph Llewellyn, 10.04.2018“. Es kommt ja immer überall und viel dazwischen, für einen Literaturblogger vor allem noch andere Bücher, aber das hier ist ein Exemplar vom Autor, und da sollte man sich schon ein wenig verpflichtet fühlen. 

Ich verrate ja nicht, dass es nicht der Titel des Büchleins war sondern der Name des Autors, der mich aufmerksam werden lies. Llewellyn: Im ersten Moment unaussprechlich scheinend, wurde ich an eine bestimmte Figur in einem Abenteuerroman eines Österreichers erinnert... Spaß beiseite, es war dann schon der Titel und der Klappentext, der mich eine Bitte „ausschreiben“ lies.

So kam ich zu diesem Büchlein.




Österreicher ist Ralph Llewellyn nicht. Er ist Deutsch-Amerikaner, Fantasy-Schriftsteller, Diplominformatiker und Immobilienmakler. Den Freimaurern gehört er an. Ansonsten steht im Wikipedia eine Liste von sechs Romanen. Und natürlich schreibt der Geschäftsführer der RSL-Immobilien über Fantasyimmobilien. Wie in diesem bitter-ernsten und doch humorigen Buch, das im letzten Jahr herauskam.

Fantasy-Immobilien. Wenn der Reichstag zur Immobilie wird, die an ein großes nicht unwichtiges Land auf der nördlichen Erdhalbkugel verscheuert werden soll, dann fällt einem angesichts des Titels des Büchleins und nach Recherche über die Person des Verfassers schon so ein Begriff ein. 
Vier Immobilienmakler sind reichlich desillusioniert und treffen sie zufällig in einer Bar. Eigentlich besuchen sie ein Symposium, aber so interessant ist das wohl nicht. Jedenfalls kippen sie sich eine Menge Alkohol hinter die Binde. So entsteht ein Plan. Hans, ein Sauberkeitsneurotiker, der schwule Ronaldo, die männerhassende Susanne und der Fast-Alkoholiker Frank bekommen es nun mit Regierungen und Geheimdiensten zu tun...


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„In der Gesellschaft waren Immobilenmaker nicht hoch angesehen, dabei waren sie oftmals umfassen geschulte Allroundtalente: Seelentröster, Illusionisten, Menschenkenner und Fußabtreter. Eine Kombination, die jedoch nicht geschätzt wurde.“ (Seite 148)
Der Rezensent würde aus eigener Erfahrung noch „Betrüger“ und andere schlimme Bezeichnungen finden, aber das gehört nicht hier her und ist sicherlich unfair. 

Die Makler sind zwar die Hauptfiguren in dem Bändchen aber eigentlich geht es „um Menschen, die sich Gedanken machen um die Gesellschaft und die genug haben von der desillusionierenden Politik der Mächtigen, von der Scheinheiligkeit und Doppelzüngigkeit unserer Gesellschaft, von der täglichen Konfrontation mit Ignoranz und Dummheit.“ (Klappentext)
Außerdem wird „der Finger in eine alte historische Wunde gelegt“. 

Ich schwankte gelegentlich hin und her. Irgenwie an „Reichsbürger“ erinnert, an die Frage, wer der Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches ist, wie souverän Deutschland vor und nach der Wiedervereinigung war bzw. ist, lies mich immer mal wieder googeln. Die Ergebnisse der „Recherche“ führten von G. Gysi im Bundestag zur Souveränität, über Ausführungen über die „inszenierte Reichsbürgerlüge zur gezielt politischen Verfolgung“ bis zu einer Leseprobe mit diesem Titelblatt, das mich in genau diesem Sinne zu Beginn der „Lesung“ kurz beeinflusste ...

Bissig und auch mit Humor stellt er einen Teil der aktuellen Stimmungslage in Deutschland vor. Das Stilmittel der Überhöhung, übertriebene Beschreibungen, erzeugt Spannung, lässt einen den Kopf schütteln und doch gelegentlich ernsthafte Gedanken aufkommen.

Ein Umstand lässt mich zusätzlich nachdenklich werden: Der Text kam zuerst bei neobooks München als Online-Ressource im Jahr 2017 heraus unter dem Titel: DER REICHSPALAST: DEUTSCHLAND, DEUTSCHLAND, DEINE LÜGEN heraus. 

Im Jahr 2018 veröffentlichter der Engelsdorfer Verlag Leipzig das Buch unter dem hier verarbeiteten Titel. Der Titelwechsel dürfte dabei Kalkül gewesen sein – vermutlich auch für den Verkauf notwendig.

Die Frage des Deutschen Reiches und seiner Rechtsnachfolger steht am Ende gar nicht so weit im Vordergrund, die Politik, insbesondere die deutsche und die US-amerikanische, dafür umso mehr. Griechenland-Politik, Flüchtlingspolitik, der Brexit, die Türkei kommen hauptsächlich zur Sprache und der Gedanke, dass hier reichsbürgerische Verschwörungstheorien verbreitet würden, verschwand mit zunehmendem Lesen und Googeln. Das Ende des Buches zeigt an, dass wir es hier mit Satire zu tun haben.

Natürlich bin ich nicht mit allen Dingen, die da geschrieben worden einverstanden. Ein Lapsus ist dem Autor auch unterlaufen, das betrifft den 2+4 Vertrag. Dieser wurde nicht einfach „sehr spät nach dem 2. Weltkrieg in Kraft gesetzt“, sondern betraf überhaupt nur die deutsche Einigung 1990. Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion verhandelten mit der BRD und der DDR die Beitrittsbedingungen. Dabei ging es natürlich um den Vier-Mächte-Status, Berlin zum Beispiel,  und damit auch um Fragen der Souveränität. Regeln zur Nachkriegszeit beinhaltete der nicht. Hier hat also nicht nur der BND-Chef unrecht, der dazu ungenaues Zeug erzählt, hier irrt der Autor selbst. (Seite 119)

Was habe ich nun gelesen? Ein bitterböses, durchaus satirisch-humoriges Buch, eine Art Polit-Fantasy mit einem Schwung Wahrheiten und ein paar Oberflächlichkeiten. Eine Fiktion, von der wohl einige Leute annehmen, dies könnte bitterer Ernst sein oder werden.

Die letzte Frage lautet: „Wem gehört die Golden Gate Bridge in San Francisco?“ 
Das Brandenburger Tor ist wahrscheinlich zu billig. (Scherz)

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DNB: Der Reichspalast
DNB: Die Politik und ihr Wahnsin - Der Reichstag
► Engelsdorfer Verlag / Aschaffenburg 2019 / ISBN: 978-3-96145-246-0 / 209 Seiten.

© Bücherjunge


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