Mittwoch, 4. Dezember 2013

Segev, Tom: Die ersten Israelis

Israel: umstritten, gehasst, geliebt. Die einen würden nie im Leben dahin fahren, die anderen auf jeden Fall.Im Jahr 2009 hatte ich die Gelegenheit, an einer ► Studienreise der Gewerkschaft der Polizei (GdP) teilzunehmen. Das Interesse am Land hatte meine besondere Affinität für Geschichte geweckt. Hinzu kam das Buch von Leon Uris EXODUS und der gleichnamige Film. Erst nach der Reise fing ich an, Sachbücher zu lesen. Neben dem Buch ► DIE ISRAELIS von Donna ROSENTHAL fand ich Tom SEGEVS Sachbuch DIE ERSTEN ISRAELIS besonders eindrucksvoll. wiederkehren. Hier möchte ich meine Rezension aus dem Jahre 2010 bei buchgesichter.de nicht vorenthalten. Zum Themengebiet Israel folgt sicherlich noch mehr.

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Wohl kaum ein Staat ist so vielschichtig und umstritten wie das 1948 entstandene Israel. Nach der UNO - Resolution von 1947, in der die Bildung eines jüdischen und eines arabischen, besser palästinensischen, Staates beschlossen wurde, proklamierte David Ben-Gurion am 14. Mai 1948 die Gründung Israels und verliest die Unabhängigkeitserklärung (vom britischen Mandat) in Tel Aviv.

Tom Segev ist ein bekannter und sehr profilierter Journalist, der in Jerusalem lebt. Der Publizist und Historiker hat bereits mehrere, auch ausgezeichneten, Bücher über Palästina, Israel und auch den Holocaust geschrieben. In diesem Buch beschreibt er die Jahre unmittelbar nach der Staatsgründung, frei von Parteinahme und mit schon fast mythologischen Ansichten aufräumend.


© URDD 2009: Eretz Israel
Was ist dieses Israel? Ein an westlicher Demokratie orientierter, auf sozialistischen Ideen beruhender, von verschiedenen Religionen beeinflusster, kapitalistischer und ständig kämpfender, oft Krieg führender "jüdisch" genannter Staat. Ursprünglich von der Sowjetunion und den Staaten des Ostblockes unterstützter und später vor allem mit den USA zusammenarbeitender Staat. Seine Bürger? Juden, Christen, Drusen, Israelis, Araber, Palästinenser. Menschen aus vielen Ländern der Erde. Zerrissen, zerstritten aber einig im Willen um den Fortbestand dieses Staates, gegründet auf den Ideen des Zionismus und jahrtausende alter jüdischer, biblischer Tradition. Aber auch Feinde. Vor allem ringsum.

Das Verhältnis von Juden, alteingesessenen und eingewanderten, und Arabern ist Inhalt des ersten Kapitels. Widerspruchsvoll und konträr. Da schreibt Segev von Vertreibung, Plünderung, Umsiedlung und Wiederbesiedlung, Versöhnungsversuchen und erneutem Kampf.

Weiter erklärt Segev unter Nutzung vielfältiger, erst in den letzten Jahren freigegebener Quellen, das Paradoxon, das Alteingesessene und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. eingewanderte Juden vor allem aus Osteuropa einerseits Juden aus allen möglichen Ländern einwandern lassen, andererseits diese aber teilweise als weniger intelligente, niedere Menschen ansahen. Dies traf vor allem auf Juden aus Nordafrika und dem Jemen zu.

© URDD 2009: Knesseth
Problematisch war auch das Zusammenkommen von orthodoxen / ultraorthodoxen, also religiösen und säkularen Juden. Geprägt von z.B. sozialdemokratischen und sozialistischen Ideen wanderten viele nicht religiöse Juden ein und trafen auf Gruppen, sogar auf religiöse Parteien in der Knesseth (Parlament) , die auf die direkte Umsetzung der Gebote aus der Thora setzten, Lebensregeln in jahrtausende alter Tradition.

So suchen Juden, bzw. Israelis immer noch nach ihrer Identität. Ein Land, dass allen Juden in der Welt verspricht, sie hätten in Israel ein Heimatland ohne zu berücksichtigen, was arabische Israelis (israelische Araber), Palästinenser dazu sagen. Dies dürfte den immer währenden Konflikt nicht so bald aus der Welt schaffen können.

Tom Segev hat ein Geschichtsbuch geschrieben. Ein Sachbuch, das nur einen kleinen Teil israelischer Geschichte darstellt. Sehr viele Quellen hat er verarbeitet und eine Menge Zitate verwendet. Israel ist uns weitgehend unbekannt und unverständlich. Einen Teil besseres Verständnis, d.h. nun nicht unbedingt für die betriebene Politik, kann das Buch erreichen.

Segev ist Israeli. Das zeigt er auch. Trotz immenser Kritik und dem Versuch, die Mythologie der Staatsgründung sachlich, umfassend und direkt darzustellen.

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Lovelybooks:
Pioniere und Überlebende: Ein Porträt des jungen jüdischen Staates Die Staatsgründung Israels im Mai 1948 war eines der wichtigsten und folgenreichsten Ereignisse der letzten hundert Jahre. Wie kein Zweiter versteht es Tom Segev, ein Zeitgemälde der ersten Generation der Israelis mit all ihren Widersprüchen zu entwerfen. Indem er gleichermaßen die großen politischen Zusammenhänge und die individuellen Perspektiven zusammen führt, beschreibt Segev das Bild einer jungen Gesellschaft, die einerseitseine Notgemeinschaft und zugleich tief gespalten war: Immigrierte Holocaust- überlebende trafen auf Siedler der ersten Stunde, Juden trafen auf Palästinenser.

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Tom Segev wurde als Einwanderersohn 1945 in Jerusalem geboren. Er studierte Geschichte und Politikwissenschaften an der Hebräischen Universität in Jerusalem und promovierte an der Boston University. Als Angehöriger einer Gruppe Historiker, die man auch "Neue Historiker" nennt, arbeitet er mit an einer aktuellen Bewertung von Zionismus, Politik und der Geschichte des Staates Israel. So stellte er in DIE SIEBTE MILLION die These auf, dass die in Palestina geborenen Sabre, beziehungsweise die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingewanderten Juden mehr an der Gründung eines eigenen Staates als an der Rettung europäischer Juden interessiert gewesen seien. Das löste scharfe Reaktionen aus. Im vorliegenden Buch räumt er auf ähnlich direkte Weise mit schon fast "mythischen" Vorstellungen über die Staatsgründung auf. (vgl. wiki)

► Tom Segev in der DNB
DNB /  Pantheon  / München / 2010 / 978-3-570-55113-4 / 414 Seiten

© Bücherjunge

3 Kommentare:

  1. Da fällt mir ein: "Exodus" habe ich hier ja auch noch. Ungelesen. Ungesehen. Muss ich dringend mal nachholen!

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    1. So, nun kannst du dich ja mal entscheiden. Die Rezension zu EXODUS hast du nun bestimmt gesehen.

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  2. Exodus ist wirklich ein interessanter Roman.

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