Ein Buch, ein Film und eine Reise…
"Millionen von Lesern wurden durch diesen in viele Sprachen übersetzten Roman zum ersten Mal mit der größten Tragödie des 20. Jahrhunderts konfrontiert. Dem Autor ist es gelungen, die sich überstürzenden Ereignisse vor und nach dem Zweiten Weltkrieg mit Leben zu füllen: Er erzählt die Geschichte einer amerikanischen Krankenschwester, eines jüdischen Freiheitskämpfers und zahlreicher weiterer Menschen, die hineingerissen werden in den schicksalshaften Kampf eines Volkes um Freiheit und Eigenständigkeit." (Buchdeckel)
Es ist Jahre her, da sah ich im Fernsehen einen historischen
Film mit ► Paul Newman in der
Hauptrolle. Die Geschichte handelte von einem Schiff, welches mit 300 Juden von
Zypern nach Palästina fährt. Die Juden, Männer, Frauen und Kinder kamen aus
Internierungslagern aus Zypern. Es ist das Jahr 1946. Nach einem Hungerstreik
gestatten die Briten das Auslaufen nach Palästina, in ihr Mandatsgebiet… Das
Schiff heißt ► EXODUS.
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Die Geschichte ist wahr, wenn auch nicht so ganz wie im
Roman von Leon Uris erzählt. Diesen fand ich 2007 im Bücherschrank bei
Verwandten und begann darin zu lesen.
Es ist die Geschichte der US-Amerikanerin Kitty Freemont,
die im Jahr 1946 nach Zypern kommt. Über den Kommandeur der britischen
Streitkräfte Brigadier General Sutherland kommt sie mit den Internierungslagern
in Berührung, in denen die Briten Juden aus den europäischen Ländern gefangen
halten, denn die Einwanderung nach Palästina so mindestens gedrosselt werden.[1]
Hier stößt Kitty auf Ari ben Kanaan, (Foto Mitte) einen Sabre[2]
und Sohn eines um die Jahrhundertwende eingewanderten ukrainischen Juden namens
Rabinowitz…
Kitty wird auf ein Mädchen aufmerksam, welches sich um
jüngere Kinder kümmert und auf der Suche nach ihrem Vater ist, der sich in
Palästina befinden soll. Karen Clement Hansen wurde als achtjähriges Mädchen
nach Dänemark geschickt und überlebte den Krieg dank der Pflegeeltern Hansen.
Ein klein wenig älter ist Dov Landau, ein Junge aus dem Warschauer Getto, der
im Konzentrationslager Ausschwitz im Sonderkommando arbeitete und dort befreit
wurde…
Ari besorgt Lastwagen in der Uniform der „SMJTZ“ (Seiner
Majestät jüdische Truppen auf Zypern – ironische Bezeichnung der Agenten der ►Aliyah Beth) und bringt 300 Kinder auf einen alten Dampfer, der dann EXODUS
genannt wird nach der biblischen Geschichte des Auszuges aus Ägypten.[3]
Nach einem Hungerstreik und weltweitem Protest lassen die
Briten das Schiff nach Palästina auslaufen. Kitty, die Karen gern adoptieren
will, kommen nach GAN DAFNA, einem kibbuzähnlichen Jugendcamp im Huletal, im
Norden Israels.[4] Dov
schließt sich später den Makkabäern (► IRGUN) an, einer jüdischen
Terrororganisation, die gegen die Briten kämpft um einen jüdischen Staat in
Palästina zu ermöglichen…
Im Huhletal leben die die Araber von Abu Yecha mit den Juden
in YAT EL friedlich zusammen, Taha, der Muktar von Abu Yecha ist mit Ari
gemeinsam aufgewachsen…
Als die UNO in ihrer Resolution von 1947 für die Teilung
Palästinas stimmt, kommt es zu Kämpfen zwischen Arabern und Juden, als Ben
Gurion 1948 den Staat Israel proklamiert, zum Krieg…
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Die Geschichte von Leon Uris aus dem Jahr 1958 wurde bereits
im Jahr 1960 verfilmt. Seit einigen Jahren war so etwas wie Frieden in Israel,
ich glaube, dies hatte bestimmten Einfluss auf die Geschichte, denn so
konzentrierte man sich auf den Erfolg eines Staates, der ganz offensichtlich
war. Bis auf die Araber in Abu Yecha kommen kaum Muslime vor.
Der Film illustriert den Roman hervorragend, allerdings
entspricht er nicht voll der Handlung. So sind im Film auf der EXODUS hunderte
von Menschen aller Alterklassen vorhanden, statt Kinder. Im Film endet die
Geschichte mit dem Angriff der Araber nach der Auszählung der UNO.
Trailer (YouTube)
Aber schon die reale Geschichte der EXODUS verläuft anders,
denn das Schiff fuhr von Marseilles nach Palästina mit 4515 jüdischen Flüchtlingen und
der eigentliche Skandal bestand darin, dass die Briten das Schiff vor der Küste
Palästinas aufbrachten, was zu Kämpfen mit einigen Todesopfern führte. Die
Briten luden die Flüchtlinge bis auf die Verletzten um und fuhren nach Europa
zurück. Einige kamen in Frankreich an Land. Ausgerechnet in Hamburg wurden die
Flüchtlinge in Lager gesperrt. Der internationale Protest verursachte, dass
nach vier Wochen die britischen Bewacher dort abzogen, die jüdischen Flüchtlinge schlugen sich wieder bis Palästina durch.[5]
Aus heutiger Sicht mag der Film allerdings weit überholt
sein. Er wird auch als zionistisches Epos beschrieben, was für den dreistündigen Monumentalfilm, aber auch für die Botschaft passt. Der Konflikt, zwischen Arabern und Juden schwelte wohl schon immer, auch
angefacht durch die britische Mandatspolitik nach der ►Balfour – Deklaration 1917.
Der Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al Husseini hatte zwar Kontakte zum
nationalsozialistischem Deutschland, aber der sofort nach der Staatsgründung ► Israels
einsetzende Krieg war nicht alleine durch diesen und durch ehemalige Nazis begonnen
wurden, die umliegenden arabischen Länder, vor allem Transjordanien und auch
Ägypten wollten die Bildung eines jüdischen Staates verhindern.[6]
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Mehr als der Film vermag der Roman Geschichten zu erzählen.
Zum Beispiel die von den Brüdern Rabinowitz, die nach Palästina aus der Ukraine
auswandern. Barack und Akiba nennen sie sich später. Ersterer wird für die
► Jewish Agency aktiv, der andere andere allerdings gründet die ► IRGUN mit und
bekämpft dann die Britten mit terroristischen Mitteln.
Die Geschichte der Karen Clement Hansen wird ebenfalls sehr
ausführlich erzählt und öffnet den Blick für die Verhältnisse in Dänemark nach
der deutschen Besetzung.
Dov Landaus Geschichte im ► Warschauer Getto und im
Konzentrationslager sowie seine Entwicklung zum Offizier in der IDF ist
bezeichnend für den Mythos um die Staatsgründung und die Menschen, die den
neuen Staat verteidigten.
Die Schwierigkeiten zwischen den Arabern und den Juden,
welche ja bereits seit Jahrzehnten das Land urbar machten und Kibbuze und
Moschavs gründeten, werden anhand des Verhältnisses von Abu Yecha und Yat El
erzählt.[7]
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Der Roman ist einer, welcher seine Aktualität natürlich vor
allem wegen des immer weiter schwelenden Konfliktes zwischen Palästinensern und Israelis nicht
verlieren kann. Die Figuren sind auch in ihrer Widersprüchlichkeit sehr
interessant und auch liebenswert. Das Brüderpaar Barack und Akiba, Demokrat der
eine, Terrorist letztlich der andere. Die nach außen zur Schau gestellte Härte
eines Ari Ben Kanaans und sein Einsatz für dieses Land, und die Unschlüssigkeit
der Kitty Freemont in ihrer Haltung zu den Juden allgemein und den ihr
bekannten im besonderen sind handlungsforttreibend, beide sind hierin auch ein
Paar und das nicht nur als Hauptfiguren. Hinzu kommen Karen, die sanfte,
musische und hilfsbereite Teenagerin und der zornige, alle Menschen um ihn herum ablehnende
Dov, sie verkörpern die nachfolgende Generation.
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Die 840 Seiten lasen sich relativ schnell, die Rückblenden zu den Lebenswegen der handelnden Personen waren keineswegs störend, im Gegenteil, durch diese wurde auf eindrucksvolle Weise die Geschichte vor der aktuellen Handlung beleuchtet.
Ein Roman ist ein Roman. Er hatte auf mich eine enorme Wirkung, denn Israel war mir nur im Zusammenhang mit dem ► Nahostkonflikt bekannt, die Geschichte des Landes im 20. Jahrhundert bis zur Staatsgründung war mir bis dato gar nicht geläufig.
Heute sehe ich das wieder differenzierter. Nach einer Studienreise nach Israel und durch die Bücher von Tom Segev (zum Beispiel ► DIE ERSTEN ISRAELIS) sehe ich den Roman inzwischen als ein wenig einseitig an. Romane gehören auch in den Kontext ihrer Zeit. Auch dadurch haben sie uns in späteren Jahrzehnten eine Menge zu geben.
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Leon Uris, geboren 1924 in Baltimore, gestorben 2003 in
Shelter Island war der Sohn einer jüdischen polnischen Immigrantenfamilie. Er
kämpfte im United States Marine Corps im Pazifik. Die Anregungen zu EXODUS
erhielt er wohl als Korrespondent in Israel. Uris schrieb mehrere Palästina-Romane.
843 S.
►Leon Uris in der DNB
►Leon Uris in der DNB
- Mila 18, Roman, der die Geschichte des Aufstands im Warschauer Ghetto schildert (1961)
- QB VII, Gerichtsdrama vor dem Hintergrund des Holocaust (1970) Jerusalem Lied der Lieder (Jerusalem Song Of Songs) Bildband mit Jill Uris (1981)
- HADDSCH (The Haj), Roman, der das Leben in Palästina in der ersten Hälfte des 20 Jh. Beschreibt (1984)
- Mitla Pass, Roman um den israelischen Sinaifeldzug 1956 (1988)
► Palästina - Seite
© Bücherjunge (21.04.2023)
[1] Siehe
SEGEV, TOM: DIE
ERSTEN ISRAELIS und ES WAR EINMAL EIN PALÄSTINA
[2] SABRE:
In Palästina, in Israel geborener Jude, benannt nach einem einheimischen Kaktus
[6] Siehe auch
URIS, Leon: Haddsch,
► DNB
/ Droemer - Knaur / München 1998 / ISBN: 3-426-61025-6 / 574 S.
(Taschenbuch)
[7] Im Film
wird Taha, Muktar von Abu Yecha von Nazis ermordet, im Roman stirbt er im Kampf
gegen die Verteidiger des neu gegründeten Staates. Leon Uris hat das
jüdisch-arabische Verhältnis genauer in seinem Roman HADDSCH
erzählt, wenn auch 35 Jahre später. Die Sicht auf diese Zeit in Palästina ist
in diesem Roman offensichtlich etwas anders und vor allem kritischer.
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Einen schönen Überblick lieferst Du hier, gerade auch im Hinblick auf den Kontext der verschiedenen Zeiten... Da fällt mir ein: das Buch steht noch ungelesen in meinem Regal. Das sollte sich doch wohl mal ändern.
AntwortenLöschenDiese Antwort, also in Bezug auf das noch ungelesene Buch, gibst du ja nicht zum ersten Mal. ;)
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