Als ein junger deutscher Historiker in der Nähe von Warschau tot aufgefunden wird, glaubt seine Schwester Carla nicht an den kolportierten Selbstmord. Sie fängt an, Fragen zu stellen – und gerät damit selbst ins Visier der Verschwörung. (Verlagsbeschreibung)
HEKTISCHE SPANNUNG...
Eigentlich hat man ja immer den Eindruck, dass Doktorarbeiten eine Pflichtübung sind und sowieso von niemandem gelesen werden. Aber man sollte sich da eben nicht zu sicher sein - Wiebke Janssen jedenfalls musste die Erfahrung machen: eben doch. Dumm nur, dass dadurch ein Plagiatsvorwurf aufkommt, der offenbar auch nicht von der Hand zu weisen ist. Dumm auch, dass Wiebke Janssen die Kanzlerkandidatin ist, die sich bei der nächsten Bundestagswahl gegen ihre Konkurrenten durchsetzen soll. Zumindest nach Willen ihrer Unterstützer, einer mysteriösen Organisation mit ganz eigenen Interessen, die nun auch mit allen Mitteln verhindern will, dass dieser Plagiatsvorwurf an die Öffentlichkeit dringt. Denn dann wären die Siegchancen für Wiebke Janssen definitiv verloren.
Carla gerät durch Zufall in diesen Strudel an Geschehnissen. Sie hat gerade per Freeclimbing einen schwer zu erkletternden Berg in den USA bezwungen, als sie eine Flut an Nachrichten ereilt. Alle von ihrem Bruder, kryptisch gehalten und offenbar voller Angst. Er reagiert nicht auf Carlas Anrufe, und als sie München wieder erreicht, erfährt sie, dass Darian tot ist. Angeblich ein Suizid. Doch das hält Carla für ausgeschlossen. Sie beginnt auf eigene Faust zu ermitteln, doch stößt sie allerorten auf eine Mauer des Schweigens. Und mehr noch: die Situation wird zunehmend bedrohlich. Mächtige Gegner im Hintergrund wollen um jeden Preis verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt - aber Carla will sich damit nicht zufrieden geben...
Im Zentrum der Ereignisse steht Carla, die junge Frau, die seit dem Unfalltod ihrer Eltern vor einigen Jahren eine innige Bindung zu ihrem Bruder hatte. Um so härter trifft sie nun die Nachricht von Darians Tod. Carla betreibt alleine eine eigene IT-Firma und arbeitet selbständig, was ihr auch Zeit für ihr Hobby, das Extremklettern, lässt. Dies benötigt sie als Ausgleich für den alltäglichen Stress, und auch da agiert sie autonom. Ihr Bruder Darian war Historiker, doch woran er zuletzt gearbeitet hat, muss Carla erst noch herausfinden. Womöglich hängt dieser Auftrag auch mit seinem unerwarteten Tod zusammen.
Der Thriller befasst sich jedoch nicht nur mit Carla und ihren Versuchen, die Wahrheit über den Tod ihres Bruders herauszufinden, sondern bietet zahllose Perspektivwechsel zu den verschiedensten Personen. Dadurch weiß man bald schon mehr als Carla selbst, was die Brisanz ihrer Situation deutlich macht. Aber auch wenn Carls erst allmählich die Hintergründe zu durchschauen beginnt, empfand ich sie angesichts der Tücken des Internets (Stichwort: gläserner Mensch) doch als recht naiv - immerhin betreibt sie eine eigene IT-Firma und sollte diese Fakten eigentlich kennen. Es ist heutzutage kaum noch möglich unsichtbar zu bleiben, überall hinterlässt man digitale Spuren. Und die können eben auch gefährliche Gegner lesen. Carla benötigt hier doch recht viel Zeit, um die brisante Lage zu erkennen...
Nicht nur die Perspektivwechsel halten das Tempo hoch, auch zahllose Ortswechsel quer durch Europa bis hin nach Israel sowie eine Vielzahl an Themen (2. Weltkrieg und Verbrechen an den Juden, Freeclimbing, künstliche Intelligenz, Abschaffung der Demokratie, Tierquälerei, Situation im Kibbuz, Solidarität und Verrat, Politik und Wirtschaft u.v.m.) lassen den Kopf beim Lesen nur so schwirren. Dadurch entsteht eine hektische Spannung, was ich angesichts von Carlas Situation als gelungen empfand, auch wenn man aufpassen muss, wirklich alles mitzubekommen. Zudem weiß Carla nie, wem sie wirklich trauen kann, zumal Druck und Folter probate Mittel sind, um jemanden gefügig zu machen und zum Sprechen zu bringen. Mit Gewalt und Toten wird hier jedenfalls nicht gespart, und einige detaillierte Beschreibungen von Gewaltszenen können einen schon auch schlucken lassen.
Die Spannung zieht gegen Ende erwartungsgemäß noch einmal an, was mir gut gefallen hat. Durch den hektischen Verlauf blieben mir manche Themen allerdings zu sehr an der Oberfläche, da hätte ich gerne noch mehr Hintergründe erfahren. Die Charakterzeichnungen sind für mein Empfinden zudem doch teilweise recht klischeehaft geraten (z.B. der böse Russe mit dem Hang zum Wodka), und viele der aufgeführten Personen blieben bloße Statisten mit nur unbedeutenden und / oder kurzen Rollen. Carla empfand ich insgesamt als tough angesichts der Situation, aber ihre bereits erwähnte anfängliche Naivität sowie einige unglaubwürdige Superwoman-Qualitäten wirkten da auf mich nicht so wirklich authentisch.
Alles in allem ein durchaus spannender Thriller mit interessanten Denkanstößen, der mich jedoch nicht vollständig überzeugen konnte.
© Parden
Allzu weit weg voneinander schreiben wir also nicht... Grüße aus NZ.
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