WENN DIE KINDER AUSZIEHEN...
Die namenlose Ich-Erzählerin gewährt hier in vielen kleinen Episoden einen Einblick in ihre derzeitige Lebenssituation. Die Kinder, Zwillinge, wollen nach der Matura ausziehen, sie selbst wird dann als alleinstehende Frau die große Wohnung mitten in Wien nicht mehr halten können.
"Die Kinder werden bald nicht mehr da sein, also nicht in der Wohnung. Sie sind bald fertig mit der Schule, sie sind erwachsen, sie werden ausziehen. (...) Die Wohnung ohne die Kinder ist zu groß für mich und viel zu teuer. Ich muss entweder jemanden finden, der mit einzieht, oder ich werde umziehen müssen. Ich hasse Veränderungen, aber irgendwas muss geschehen."
Groß sind die Bedenken, womöglich in das Empty-Nest-Syndrom zu verfallen, sich nicht entscheiden zu können, wie es weiter geht, die Perspektive zu verlieren. Die Ich-Erzählerin beginnt auszumisten - ihre Sachen, ihre Erinnerungen, ihr Leben. Die Wohungssuche gestaltet sich schwierig, und doch geht es der alleinerziehenden Mutter in diesem Roman nicht wirklich schlecht. Sie hat ein kleines Haus auf dem Land, in dem sie schon seit Jahren viele Wochenenden verbringt, und sie besitzt in Wien zudem eine Einraum-Wohnung, in die sie sich früher zum Schreiben zurückgezogen hat und die nun seit Jahren vermietet ist - wie Doris Knecht selbst ist auch die Ich-Erzählerin des Romans eine Autorin. Überhaupt scheint es im Leben der beiden viele auffällige Parallelen zu geben, insofern kann man den Roman wohl auch als Autofiktion bezeichnen.
Es bleibt wohl nicht aus, dass man an solch einem Scheideweg auch Bilanz zieht. Wo stehe ich im Leben, wie kam ich dahin, wie soll es weitergehen? Was hier womöglich etwas schwermütig klingt, wird jedoch meist recht locker erzählt, Lebenserinnerungen und die aktuelle Situation werden dabei gleichermaßen beleuchtet. So kristallisieren sich Lebensthemen heraus, wie z.B. der dringende Wunsch, sich vom Frauenbild ihrer Elterngeneration abzugrenzen. Auch wenn Erinnerungen zuweilen trügerisch sind und zu den Dingen gehören, die man durchaus verlieren kann, helfen die Rückblenden der Ich-Erzählerin herauszufinden, was sie wirklich will.
Für mein Empfinden gerieten manche Passagen doch sehr selbstmitleidbehaftet, was mich in der Summe zwischendurch durchaus störte. Glücklicherweise lockerte die Autorin das Ganze dann oft durch einen leisen Humor wieder auf. Manches wurde nur angedeutet und angerissen, wodurch nicht alle offenbar bedeutsamen Aspekte in der Tiefe behandelt wurden, die sie wohl verdient hätten. Dennoch gelingt es der Ich-Erzählerin letztlich, sich mit den Veränderungen nicht nur zu arrangieren, sondern mit ihrem Leben auch Frieden zu schließen.
Und das ist etwas, das sich doch wohl jede:r auch für sich selbst erhofft...
Ein Roman, den ich nicht ungern gelesen habe, der aber auf meiner persönlichen Liste der vergessenen Dinge womöglich auch einen Platz findet. Kein Roman also, der sich bei mir nachhaltig ins Gedächtnis gräbt... Dennoch bin ich jetzt neugierig geworden auf weitere Romane von Doris Knecht, denn der locker-saloppe Schreibstil sagt mir durchaus zu...
© Parden
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