Paris. Sie und er. Elle und Lui. Sie begegnen sich in einem Café. Lui
ist Fluglotse. Er wechselt die Städte und Flughäfen immer dann, wenn ihm
das Leben zu eng wird. Sie ist die Frau eines Unternehmers, der in die
Politik drängt und sie zu oft über lange Zeit allein zurücklässt. In
einer obsessiven Affäre flüchten sie in Tagträume und halten sich
gegenseitig in ihrer abgründigen Verlorenheit. Um etwas zu fühlen,
suchen sie den Schmerz. Lui, indem er nach Nähe strebt, um dann vor ihr
zu flüchten, und Elle in ihrer masochistischen Neigung, die ihr Mann an
ihr ausnutzt. Beide ahnen, dass es für sie kein glückliches Ende geben
wird, bis ihnen die Realität eine Entscheidung abverlangt. (Klappentext)
Salih Jamal - seinen ersten Roman "Briefe an die grüne Fee" stellte ich hier im Blog 2017 vor. Und rechnete mit ihm ab, denn das ambitionierte Debüt hatte mich eher verärgert denn begeistert. Im vergangenen Jahr griff ich dann trotz einiger Vorbehalte erneut zu einem Buch des Düsseldorfer Autors, und "Das perfekte Grau" war ein Glücksgriff, ein Jahreshighlight. Als ich nun den Klappentext zu "Blinder Spiegel" las, war ich anfangs zurückhaltend, denn die Thematik sagte mir eher weniger zu. Aber schließlich siegte die Neugierde. Ob diese sich ausgezahlt hat? Lest selbst:
EINE POESIE DER GEWALT...
Es ist nun bereits etwa zwei Wochen her, seit ich diesen Kurzroman
beendet habe (mit gerade einmal 120 Seiten kann man das Buch wohl als
solchen bezeichnen, denke ich). Und noch immer fällt es mir schwer, die
richtigen Worte für eine Rezension zu finden. So viel auf jeden Fall
vorweg: meine Erwartungen waren immens hoch, denn im vergangen Jahr
gehörte "Das perfekte Grau" von Salih Jamal zu meinen absoluten
Highlights.
Nach dem Grau des vorherigen Titels wechselt der Autor diesmal zum
Schwarz. Denn die Lektüre des schmalen Bandes mutet an wie ein Film Noir
- düster und abgründig schildert er die zum Scheitern verurteilte Liebe
zweier Verlorener. Angesiedelt ist die Erzählung in Paris, was die
Noir-Stimmung noch atmosphärisch unterstreicht.
Namenlos bleiben sie, die beiden Getriebenen, die sich bei ihrer
ersten Begegnung im tiefsten Inneren erkennen. Elle und Lui, sie und er,
füreinander bestimmt. Erzählt wird die Geschichte in einer Art
Rückblende von Lui, aufgeschrieben im Gefängnis, in dem Lui sitzt,
weil... Ja, weil. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass ein Happy End
wenig wahrscheinlich ist, die Gliederung der Erzählung in fünf Akte
lässt das Drama erahnen.
Lui, ein rastloser Charakter, der jedesmal seine Zelte abbricht, wenn
ihm etwas oder jemand zu nahe kommt und der seine Freiheit über alles
stellt, begegnet zufällig in einem Pariser Café besagter Elle, einer von
ihrem politisch ambitionierten Mann viel zu häufig allein gelassenen
Frau. Ihrer beiderseitigen Sehnsüchte und Ängste treiben die zwei
zueinander hin und gleichzeitig auseinander, hoffnungslos verstrickt und
dabei tragisch.
Für mich blieben die Charaktere ein wenig schemenhaft und auf
Distanz, was vom Autor sicherlich so gewollt war. Neben einzelnen
zärtlichen und durchaus auch poetischen Passagen sorgen gewalttätige
Episoden für eine gehörigen Kontrapunkt. Eine Poesie der Gewalt - diese
muss nicht zwangsläufig auf Gefallen stoßen. Gleichzeitig wirkt die
Erzählung aber auch schonungslos ehrlich. Melancholisch und verstörend.
Für mich persönlich nicht ganz das erhoffte Highlight, aber auch in
diesem Roman zeigt Salih Jamal sein Können, tiefe und oftmals
verzweifelte Gefühle in Sätze zu formen und erlebbar zu machen. Danke
dafür!
Salih Jamalhat seine Wurzeln in Palästina. Er lebt und arbeitet in Düsseldorf. 2021 erschien sein Roman Das perfekte Grau. Der vielbeachtete Roman kam auf die Hotlist 2021 und zählte zu den 10 besten Büchern Deutschlands aus unabhängigen Verlagen.
Schon sein Debüt Briefe an die grüne Fee – Über die Langeweile, das Begehren, die Liebe und den Teufel
wurde 2018 auf der Frankfurter Buchmesse mit dem »SKOUTZ Award« für das
beste Buch in der Kategorie »Zeitgenössische Literatur« gewürdigt.
Blinder Spiegel (2022) ist sein zweiter Roman, der bei Septime erscheint. (Quelle: Septime Verlag)
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