- Herausgeber : Septime Verlag (18. Januar 2021)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 240 Seiten
- ISBN-10 : 3991200015
- ISBN-13 : 978-3991200017
EIN JAHRESHIGHLIGHT!
Ehrlich gesagt, bekam ich einen kleinen Schrecken als ich merkte, dass Dante gerade jener Charakter aus Salih Jamals erstem Buch war ("Briefe an die grüne Fee"), mit dem ich seinerzeit richtige Schwierigkeiten hatte. Meine Rezension dazu fiel auch entsprechend kritisch aus. Aber Menschen entwickeln sich weiter - auch Autoren und eben Charaktere in Büchern. Zum Glück. Geblieben ist bei Dante eine gewisse Unverbindlichkeit, die Sehnsucht nichts zu verpassen, der Wunsch, sich gesellschaftlichen Zwängen möglichst zu entziehen. Aber er ist weicher geworden, toleranter und für mich als Leserin zugänglicher.
Das war mir wichtig zu erwähnen, aber im Grunde gibt es hier nur kleine Anspielungen auf die 'Briefe an die grüne Fee', und es ist nicht von Bedeutung, diesen Roman zu kennen, bevor man sich an 'Das perfekte Grau' begibt.
Dante fungiert hier als Ich-Erzähler und führt durch die Geschichte, aber die anderen Charaktere haben ebenso alle ihre Bedeutung. Mit ihren so unterschiedlichen Lebensgeschichten wirft Salih Jamal ein ganzes Feuerwerk an Themen in die Runde, und anfangs hatte ich Sorge, dass es ein Zuviel sein könnte. Aber dem Autor gelingt der Balanceakt: viel zum Nachdenken für den Leser, Betroffenheit eingeschlossen, dann aber die gemeinsame Geschichte, die Entwicklung aufzeigt. Flucht als gemeinsames Thema - gleichzeitig aber auch die Sehnsucht, endlich irgendwo anzukommen...
Bislang klingt das Geschriebene hier eher sachlich. Ehrlich gesagt schwirrt mir der Kopf. Lange habe ich mich vor der Rezension gedrückt, immer wieder einen Anfang gesucht und dann doch wieder alles verworfen. Wenn mich ein Roman derart berührt, habe ich das Gefühl, dem auch in meiner Rezension gerecht werden zu müssen. Aber es überfordert mich auch. Denn dieser Roman hat mich auf vielen Ebenen berührt. Manchmal gibt es das Richtige zur rechten Zeit, dann passt einfach alles. Und hier war das so. Mag sein, dass es in einer anderen Lebensphase anders gewesen wäre - und doch gibt es bislang vor allem begeisterte Rezensionen.
Was ist das nun überhaupt für ein Roman? Ein kurzer, definitiv, mit seinen gerade einmal 240 Seiten. Aber gleichzeitig auch ein langer, da hier so vieles in vielen übereinandergeschichteten Ebenen geschieht und angerissen wird. Die Charaktere sind keine Helden, im Gegenteil, sie treffen teilweise grenzwertige Entscheidungen. Und doch sind sie alle auf ihre Art tapfer und stellen sich letztendlich den wichtigen Fragen des Lebens. Und diese betreffen doch auch jeden Menschen, so auch den Leser.
Aus der Notgemeinschaft im Hotel entwickelt sich unerwartet ein Roadtrip, eine ungeplante Reise, bei der immer wieder Unerwartetes geschieht, aber auch der Augenblick gelebt wird, was ungemein schön ist. Überhaupt: schön. Da wäre noch der Schreibstil. Salih Jamal gelingt es, in einer verknappten Sprache auch zwischen den Zeilen so viel zu transportieren, dass einem schwindelig werden kann. Klar und brutal zuweilen, dann wieder zart und angedeutet, oft poetisch.
In der Leserunde zu diesem Roman zeigte sich, dass es vielen so erging, dass sie beeindruckt waren. Unzählige Zitate wurden erwähnt, und ja, auch mein Buch ist voller Eselsohren und Bleistifteinträge. Wie?!, schreit hier vielleicht manch einer auf. Aber im Grunde gleicht dies einem Ritterschlag. Denn dieses Buch ist meins, mit Haut und Haar. Und ist bereits zweimal gelesen worden, das Hörbuch wird folgen.
Ich merke, dass ich trotz aller Bemühungen nicht wirklich beschreiben kann, wie es mir mit diesem Roman erging. Der melancholische Ton der Erzählung hat mich getroffen. Die Schicksale berührt. Die philosophischen Anklänge zum Nachdenken gebracht. Das offene Ende nicht losgelassen. Poetisch und zart, brutal und aufwühlend, humorvoll und berührend. Ein Roman, der an die Seele geht. Und so viele schöne Passagen, dass sie gar nicht alle zitiert werden können.
Ein Jahreshighlight im Januar? Ja, unbedingt! Und ich wünsche dem Buch zahlreiche Leser. Jeder, der sich im Leben Fragen stellt, Wünsche offen hat, Sehnsüchte hegt: hier werden Krusten aufgebrochen.
Das Buch ist gleichzeitig schwer und unglaublich leicht, derb und zart, zum Lachen und zum Weinen und zum Nachdenken sowieso. Lesen!!!
© Parden
Hier zeigt sich wieder, dass man immer offen bleiben muss, auch wenn anfangs Zweifel gehegt wurden. Mir hatte "Briefe an die grüne Fee" gefallen, ein Buch was die Gemüter gespalten hatte. Daher freue ich mich, dass du dem neuen Buch eine Chance gegeben hast. Und deine Rezension wird Salim nicht nur sein Autorenherz erwärmen, sondern sehr stolz machen.
AntwortenLöschenSchön, dass wir wieder ein gemeinsames Buch gefunden haben, wovon wir beide begeistert sind.
Vielleicht magst du irgendwann auch "Orpheus" von ihm lesen. Würde dir mein Buch gerne zur Verfügung stellen.
Liebe Grüße von Regina
Ich freue mich auch, Regina! ♥ Und wenn ich Sehnsucht nach 'Orpheus' verspüre, lasse ich es dich wissen... ☺
LöschenEs gibt sie, Bücher die mich echt berühren, liebe Anne, aber sie sind selten. Wobei diese intensive Wirkung meine, die hier wohl verspürtest.
AntwortenLöschenDas passiert mir eben auch nicht oft. Um so schöner, wieder einmal auf solch ein Buch gestoßen zu sein!
LöschenDas ist ein starker Klappentext...
AntwortenLöschenNicht nur der Klappentext...
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