Sonntag, 17. Januar 2021

Fühmann, Franz: Prometheus - Titanenschlacht

"Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft
An Eichen dich und Bergeshöhen!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehen
Und meine Hütte die du nicht gebaut..."


Schulstoff. Johann Wolfgang von Goethe. Eine Abrechnung mit den Göttern, der alten Götter und der Neuen... 

Einige Zeit zuvor nahm mich mein Vater einmal mit an die Hochschule, an der er studierte, da war ich so um die 12 Jahre alt. Ich bekam ein Bett im Zimmer der zwei befreundeten Kommilitonen und zum Zeitvertreib ein Buch. Die beiden Männer begaben sich an den Ort, den man auf einem Campus eben aufsucht und ließen mich mit Prometheus allein. 

Seit dem weis ich, dass dieser Titan der Sohn von Themis und Iapetos war und einen Bruder namens Epimetheus hatte. Neugierig war er und ließ sich von der Großmutter Gaia die Hundertarmigen tief unter der Erde zeigen. Dies erzürnte Kronos, der sich zum Herrscher über die Titanen aufgeschwungen hatte. Der zornige Herrscher, der nie Kinder haben wollte, verbannt seinen ersten Sohn in die Dunkelheit, den Hades ist der, der im Dunkeln wohnt.

Und so kommen sie dazu: Hestia, Poseidon, Demeter und Hera. Alle verschluckt der grausige Vater, denn dort sind die Unsterblichen am unschädlichsten. Als aber Rhea, die Schwester des Kronos ihrem Bruder und Herrscher den Zeus gebiert, überreicht sie dem Herrscher einen eingewickelten Stein und versteckt den Sohn. 

Mit Zeus wird Prometheus später ein Bündnis schließen – ohne ihn erränge Zeus die Herrschaft über die Götter nicht. Doch genau dies macht sie Schluss endlich zu Feinden...

Und der Titan?

„Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!“

Doch als er seinen Geschöpfen das Feuer bringt,  wird Zeus erst richtig zornig: Dafür wird er bekommen, wie ihn die Menschen in tausenden Jahren sehen und malen werden: Er wird im Kaukasus an einen Felsen gekettet. Ein Adler frisst täglich an der unsterblichen Leber. Ein Mensch muss ihn retten: Herakles...

Doch dies die Geschichte des nicht erschienenen Folgebandes...

* * *

Das Buch. Im Kinderbuch ist das Werk heraus gekommen und lese ich es heute, finde ich, dass es eigentlich kein Kinderbuch ist. Soviel Hass und Geschrei und Verrat und Gewalt... „Für Kinder von 11 Jahren an“ steht in der Ausgabe von 1974. auch die Bilder waren für den 12jährigen Leser gewöhnungsbedürftig, und sind es noch. Auch wenn sie der 57jährige inzwischen passend findet.




Sprachgewaltig erzählt Fühmann diese mythologische Geschichte

„Er hatte die Hundertarmigen erblickt.
Es waren drei Riesen, größer als die Titanen, und jeder von ihnen hatte hundert Arme und hundert Beine und fünfzig Rümpfe und fünfzig Köpfe, und jedes der dreihundert Beine war vom andern verschieden, und jeder Arm vom andern, und jeder Rumpf vom andern, und erst recht jeder Kopf! Der eine Kopf war ein einziges lippenloses Maul mit riesigen schwarzen Zähnen, die unentwegt aufeinanderkrachten und die Luft zerbissen; der zweite war eine schlappernde gelbe Zunge, die über den Boden glitt und nach Flüssigem lechzte; der dritte war nur ein Auge mit einer roten Pupille, der vierte ein einziges gieriges Ohr, der fünfte eine viellöchrige schnüffelnde Nase, der sechste ein heulender Schlund, der siebte vielhundert plappernde Lippen, der achte eine gewölbte, von tiefen Furchen durchschnittene Stirn, der neunte ein Doppelstrom von Tränen aus zwei stachelwimprigen schlaffen Lidern, der zehnte ein zottiger Klumpen schneeweißes Haar, der elfte ein einziger Quader Kinn, der zwölfte ein Knäuel dünner gespaltener Zungen in einem Strahl aus zischendem Dampf. Dies waren die Köpfe, die Prometheus erblicken konnte; die andern im Hintergrund wurden von den vorderen verdeckt, doch manchmal schossen aus ihnen Funken empor oder schnellten Nattern zur Höhe oder schwollen und schrumpften graue, von roten Netzen durchzogene Wolken oder wehten Haare wie brennendes Gras. So vielgestaltig grauenvoll wie die Kopfe waren aber auch die Arme und daran die Hände...“ (Seite 20)

Aber dunkel erinnere ich mich, dass es mir die Interpretation von Goethes Gedicht im Literaturunterricht erleichterte, denn ich hatte ja gelesen, wie das war mit dem Menschen aus Lehm und Erde und Amaltheas Atem, die sie zum Leben erweckten. Und dass der Erschaffer vom Unterstützer zum Widersacher der Götter wurde, die so allmächtig nicht sind...

Perfekte Aufklärung durch den jungen Goethe, perfekt für den Literaturunterricht in Sachsen der siebziger Jahre. Vermutlich bestärkte mich Goethes Gedicht auch etwas in der Ablehnung von Religion. 

Eins blieb: Die Freude an den mythologischen Geschichten dieser Welt.


Das Hölzerne Pferd


Schon etwas eher las ich von Franz Fühmann die Nacherzählung der Ilias und der Odysseus des Homer im Buch Das hölzerne Pferd (1970). Da war mir etwas später die „Vorgeschichte“ sehr recht...

Franz Fühmann (1922 - 1984) war  (Nach-)Erzähler, Essayist, Lyriker und Kinderbuchautor. (Erst letztens kam mir Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen vor die Augen, eines der allerersten selbst gelesenen Kinderbücher, sehr schön verfilmt schon 1964)


Franz Fühmann*

  • DNB / Kinderbuchverlag Berlin / 2. Aufl. 1974 / 299 S.

© Bücherjunge

* Von Bundesarchiv, Bild 183-M0323-0300 / Katscherowski (verehel. Stark), / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5435112


2 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Was mich jetzt nicht wundert. Aber ganz ohne griechische Mythologie kommt man ja im Lit(t)eraturbereich nicht aus, oder?

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