Der Roman eines Abends und einer Einladung zum Essen. Voll mit Rezepten für ein gelungenes Leben und einen misslingenden Abend, der immer wieder neu ansetzt, schlau, witzig, heiter, gleichzeitig begleitet von den unterschwelligen oder ganz offen artikulierten Aggressionen der Beteiligten. In ihren Gesprächen verhandeln sie die ganz großen und kleinen Themen, von den ›Foodporn‹-Bildern im Internet über Kochen, Einkaufen und Wohnen als soziale Praktiken. Zunehmend wird der Abend komischer, tragischer, erotischer – dabei werden einzelne ›heutige‹ Begriffe diskutiert, während die Gastgeberin keine besonders talentierte Gastgeberin ist und sich immer wieder ins falsche Jahrhundert versetzt fühlt. Nebenbei wird in Anekdoten eine Geschichte der Waren, Speisen und des Kochens erzählt. (Verlagsbeschreibung)
QUICHE UND CRÉMANT...
Von diesem Roman versprach ich mir eine unterhaltsame Gesellschaftssatire, zumal einige Rezensionen anderer Leser:innen dies durchblicken ließen. Bekommen habe ich - ja, was eigentlich? Feingeschliffene Gegenwartsbeobachtungen definitiv, ein Mosaik verschiedener, sich auch überlagender Themen, oft nur angerissen und nicht vertieft, verschiedene denkbare Szenarien desselben Abends, Gedankenblasen einer gehobenen bildungsbürgerlich-intellektuellen Schicht, Unverbindlichkeiten im Miteinander distanziert bleibender Charaktere - und noch mehr, insgesamt ein Potpourri, das mich am Ende etwas ratlos zurücklässt, weil sich bis zum Schluss nicht fassen ließ, worauf der Roman (die Novelle?) eigentlich hinauswill.
Fünf Personen treffen sich zu einem Abendessen: die Gastgeberin, der Partner der Gastgeberin, die Ehefrau, der Ehemann, der Schweizer. Die Namen bleiben ungenannt, was zu der erwähnten Distanziertheit beiträgt. In verschiedenen Szenarien - der Abend beginnt dadurch stets auf Neue - kommen einzelne oder alle Gäste zu spät zur Einladung. Gemein ist allen Szenarien, dass literweise Crémant durch die Kehlen rinnt, ergänzt durch Rotwein. Der Alkoholpegel steigt dementsprechend, die Hemmungen fallen, es kommt zu Äußerungen, die ansonsten vielleicht nicht gefallen wären. Allerdings entwickelt sich daraus nichts Dramatisches, der Abend plätschert im Grunde vor sich hin, das Spotlight wechselt zwischen den Charakteren, wodurch der Leser / die Leserin einzelne Gedanken und Empfindungen auffängt ohne sich jedoch länger damit befassen zu müssen.
Womit ich persönlich gar nichts anfangen konnte, waren die zahllosen Jazztitel und -Sänger:innen, die mir allesamt nichts sagten, weil ich diese Musikrichtung nicht mag. Wer sich in der Szene auskennt, kann vielleicht die Stimmung des Abends besser nachempfinden. Auch die immer wieder eingestreuten Namen von Designer:innen, Modelabeln und Künstler:innen sagten mir leider nichts, weshalb ich womöglich einigen Anspielungen nicht folgen konnte. Es wird aber deutlich, welch oberflächlichen Werten in dieser gesellschaftlichen Schicht Bedeutung beigemessen wird, auch hinsichtlich der optimierten Präsentation in den sozialen Medien. Dies wird allerdings zwar detailliert geschildert, so dass man gepostete Bilder nahezu vor sich sehen kann, jedoch m.E. nicht wirklich kritisch hinterfragt.
Passend zur Einaldung zum Abendessen - das Herstellen einer Quiche beispielsweise kann ein abendfüllendes Programm sein, wenn die Gastgeberin so wie hier diesbezüglich unerfahren ist, es aber perfekt hinbekommen will - werden hier immer wieder auch Erinnerungen an Essensszenarien aus früheren Zeiten eingestreut. Sei es nun die gutbürgerliche Kost der Großeltern, kulinarische Reiseerlebnisse, oder auch der immerwährende eigene Versuch, einfache Rezepte perfekt zu inszenieren und als Foto zu verewigen. Teilweise endlose Aufzählungen. Aber was soll mir das sagen?
Möchte ich zu den Leuten dieses Abends dazugehören? Nein. Crémant als Weichspüler des Abends? Bitte sehr, wer will, gerne - ich vertrage nicht viel Alkohol. Sind das wirkliche Freund:innen, die hier aufeinandertreffen? Definiere Freundschaft. Für mein Empfinden: nein. Der Roman treibt irgendwie ziellos durch den Abend, zeigt die verlogene Oberflächlichkeit dessen auf, wonach die Charaktere streben und was sie vorgeben zu sein, aber - ja, und? Und der Titel erschließt sich mir leider auch nicht.
Es bleibt: Ratlosigkeit.
© Parden
Teresa Präauer geb. 1979, studierte Germanistik und bildende Kunst. Im Wallstein Verlag erschienen die Romane »Für den Herrscher aus Übersee«, »Johnny und Jean« und »Oh Schimmi« sowie der Großessay »Tier werden«, das Geschichtenbuch »Das Glück ist eine Bohne« und der Erzählband »Mädchen«, dessen theoretischen Unterbau Präauers Ende 2021 gehaltenen Zürcher Poetikvorlesungen bilden. Sie wurde unter anderem mit dem aspekte-Literaturpreis (2012), dem Erich-Fried-Preis (2017) und dem Ben-Witter-Preis (2022) ausgezeichnet. Teresa Präauer lebt in Wien. (Quelle: Wallstein Verlag)
Irgend jemand muss die buchpreisverdächtigen Bücher auswählen. Du offensichtlich nicht. ;)
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