Sonntag, 29. Oktober 2023

WINTERHERZ - Angelesen von Ralf Günther

Gestern Abend in Pirna. Der Wahlpirnaer Ralf Günther liest seinen neuen Roman an könnte man sagen, erst vor kurzem kam WINTERHERZ in den Buchhandel. In der Stadtbibliothek Pirna fanden sich eine ganze Menge von interessierten Leserinnen und Lesern ein. 

Schon die Einleitung führte über die historischen Bücher des aus dem Rheinland zugezogenen Wahlsachsen folgerichtig zu WINTERHERZ, erwähnt wurden Goethe (Goethe in Karslbad), eine vielreisende Gräfin Ida von Hahn-Hahn, Carl Gustav Carus (Der Leibarzt), Robert Koch (Arzt der Hoffnung) und einige mehr. WINTERHERZ steht, finde ich, durchaus auch in der „Tradition“ der Weihnachtsbücher, also dem Weihnachtsmarktwunder und den Dresdner Pappen. Moderiert wurde das Gespräch mit dem Autor gekonnt durch Karin Großmann, sie war einst Chefreporterin bei der Sächsischen Zeitung.

WINTERHERZ ist ein ernstes Buch über schwer herzkranke Jugendliche, dessen Handlung ins ein Sanatorium nach Bad Gottleuba führt und das zu Zeiten der DDR. Fast zwangsläufig ergibt sich die Frage (völlig unnötig aus meiner Sicht), nach der „Schreibkompetenz“ des Autoren zu DDR-Themen. Und verblüffend für mich ist die Antwort, Ralf Günther hätte überlegt, die Handlung zu verlegen. Aber er bekam die Geschichte sinngemäß von einer ehemaligen Schwester im Sanatorium erzählt und da er eine Zeitlang da oben im Erzgebirge lebte, ist das wohl Kompetenz genug. Der Rest übrigens ist Recherche. 

Wilhelm ist ein vierzehnjähriger Berliner, daraus der Charité nach Gottleuba überweisen wird. Wie krank er ist, weiss er nicht genau, analysiert aber die Art, wie der Doktor mit der Mutter spricht. Wir erfahren (in derLesung) subtil von Schlägen des Großvaters, der wohl auch vor der eigenen Tochter (?) nicht halt macht. So kommt das Thema auf Gewalt in der Familie und der autor offenbart, dass er solche Vorfälle nicht Juras seiner sozialen Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen kennt. So wird ein doch sehr persönliche Lesung aus der Veranstaltung.

Ralf Günther betont hier, dass er es als eine große Leistung betrachtet, wenn in wenigen Generationen Gewalt als Erziehungsmethode nahezu zum Tabu geworden ist, also abgelehnt wird.

Wilhelm trifft unterdessen erst auf Lehrschwester Ilona und dann auf seine Kameraden für die nächsten Wochen. Ein Vierzehnjähriger verliebt sich in eine achtzehnjährige Betreungsperson, die Zuneigung wird (teilweise?) erwidert. So kommt die Frage auf, ob das andersrum hätte geschrieben werden können, wenn sich eine Vierzehnjährige in ihren erwachsenen Pfleger verliebt… Eher nicht.


© Norbert Kaiser (Wikipedia - Klinikpark im Jahr 2008)

Das Nachtschwester Angelika die Jungs versammelt und eine Nachtgeschichte erzählt, die von der Ergreifung des Räubers Lips Tullían und dessen öffentlicher Hinrichtung in Dresden erzählt, erklärt das Fehlen von x-Fernsehprogrammen und stellt die Frage danach, was man Kindern disbezüglich so zumuten könne. - Kurz, hier bin ich mal der Meinung, 12- und dreizehnjährige hatten auch damals durch Bücher, Abenteuerfilme im Kino und das Fernsehen „genügend“ Gewalterfahrung…

Es war also eine interessante vielfältige Veranstaltung im von Fachwerk durchzogenen oberen Stockwerk der verwinkelten Stadtbibliothek. Wie es aussieht, schreibt sich Ralf Günther so nach und nach in die Gegenwart.  Befragt, wie das so mit den Schreibgewohnheiten wäre (in diesem Fall oft zwischen vier und sechs Uhr in der Frühe) und ob er die Geschichte fertig hat, wenn er beginnt zu schreiben, erklärt der Autor: 

Wenn man schreibt, dann darf man nicht mehr lange nachdenken, sonst verschwindet das Buch!“ 

Ich bin nun sehr gespannt und freue mich auf das Leseerlebnis und auf neue Begegnungen mit Ralf und natürlich mit Josefine. 

Ganz sicher eine empfehlenswerte Veranstaltung, eine empfehlenswertes, ein emotionales und sicher liebenswertes Buch und das sage ich bewusst vor der Rezension.


  • DNB / Rowohlt / Reinbeck bei Hamburg 2023 / ISBN:  978-3-463-00032-9 / 144 S. 
© Der Bücherjunge



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