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Im Panorama
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Vor einigen Tagen erreichte mich eine Einladung an einen geschichtsträchtigen Ort: An der Kreuzung Mauerstraße - Friedrichstraße, am
Checkpoint Charlie, findet sich das große Panorama
DIE MAUER von
Yadegar Asisi.
Yadegar Asisis Panoramen sind immer einen Besuch wert. Allein Dresden hat er schon zweimal bedacht, einmal als Barockstadt und einmal 1945. Es gab auch schon brasilianischen Regenwald, Rom im 4. Jahrhundert und die Leipziger Völkerschlacht.
Der Künstler, der 1955 in Wien geboren wurde, in Dresden und Leipzig studierte und in den 80ger Jahren nach Berlin Kreuzberg zog, bekam dort einen Blick vor die Augen, der nicht nur deutsche Politik und Geschichte 28 Jahre lang und darüber hinaus beeinflusste.
Es war der Blick über die Berliner Mauer, die Grenzsicherungsanlagen der DDR, in Richtung Ostberlin. Es ist alles deutlich zu erkennen, der Berliner Fernsehturm lässt auch für Menschen, die diese Sicht nicht aus eigenem Erleben erkennen, sofort wissen, was sie vor sich haben. Zehn Jahre steht das Panorama an diesem Platz, nun soll es vermutlich doch abgebaut werden. Ich finde dies irgendwie unverantwortlich, denn diese Präsentation, welche mit Textauszügen von Oberbürgermeister Reuter bis Walter Ulbricht, mit Licht, Schatten und Musik untermalt ist, toppt jedes Grenzmuseum, das es gibt. Ich weiß, wovon ich gerade schreibe...
Die Ausstellung erzählt aber auch, und das war mir bisher nicht bewusst, von den Wirkungen auf den Stadtbezirk Kreuzberg, auf die Niedergang und die multikulturelle Neubelebung, weil es dort plötzlich für Studies und Gastarbeiter bezahlbaren Wohnraum gab. Von der Bevölkerung und diesen Erzählungen lebt Kreuzberg noch heute.
Wahrheit und Fiktion in einem solchen Bild? Christina Bacher bezog sich in der die Lesungen anschließenden Podiumsdiskussion auf dieses Bild, wenn sie davon sprach, wies sich Wahrheit und Fiktion beim Romane schreiben treffen: Das Bild ist klar, die Botschaft auch, es sah genauso aus wie auf dem Bild, nur die Menschen, die über die Mauer schauen, das Auto an der Tankstelle, die zwei Männer, die an einem weiteren Auto schrauben, die Wohnwagen..., das ist Fiktion. Yadegar Asisi bestätigte dies in einem kurzen Gespräch während der Pause in Bezug auf die Spiegelungen auf der regennassen Straße, denn die sind gemalt.
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Panorama - Ausschnitte |
Der Künstler, der die einführenden Worte für die dreistündige Abendveranstaltung sprach, schaffte den Übergang gekonnt und so übernahm Willi Hetze aus Dresden die Moderation für die Lesung von Christina Bacher mit Hinkels Mord, Patricia Holland-Moritz mit Kaßbergen und Alexander "Sascha" Asisi, dem Neffen von Y. Asisi mit Blutpanzer.
Christana Bacher, Journalistin, stellte uns mit Hinkels Mord eine Caspar Hauser - ähnliche Geschichte vor, in der es um die Aufklärung eines Mordes geht. Allerdings ist hierbei nicht die Suche nach dem Mörder vorherrschend, sondern die nach dem Opfer. Da der Mord an einer jungen schwangeren Frau bereits 1861 geschah, haben wir hier eine Art historischen Roman. Der Mörder ist in Marburg immer bekannt gewesen, mit diesem Buch hat die Autorin an das Opfer erinnern wollen, das kennt da nämlich keiner. Die Geschichte geht in einer Rahmenhandlung davon aus, dass eine Journalistikstudentin noch eine Reportage zur Prüfung einreichen muss, die wird dann den "Fall" zum Gegenstand haben.
Christine Bacher kannte ich noch nicht, das kurze Gespräch mit ihr während der obligatorischen Widmung ging dann auch um Recherche und meine Überzeugung, dass Journalistik keine schlechte Grundlage für Autorinnen und Autoren historischer Romane ist.
Die zweite Leserin,
Patricia Holland Moritz kannte ich schon, musste aber schnell recherchieren, dass meine Rezension zu
Kältetod schon einige Zeit zurück lag, es war die
Schriftgut 2016, auf der ich ihrer Lesung folgte. Nun aber las die Autorin eine Stelle aus einem Familienroman mit autobiografischen Bezügen vor, es ging im Chemnitzer Stadtteil
Kaßbergen um die Zeit der beginnenden Deportation der ansässigen jüdischen Familien. Sie sagte mir, dass sie diese Stelle noch nie bei einer Lesung verwendete, aber wegen des Themas des Abends fand sie es passend und ich diese überaus eindrucksvoll und auch erschütternd. Daher fand das Buch, wie die anderen beiden übrigens auch, den Weg in meine Hand.
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Buchlesungen |
Der dritte im Bunde, Alexander "Sascha" Asisi stellte mit BLUTPANZER den zweiten Teil um Kriminalrat Klemmer und dessen Sohn, Kriminalkommissar Heinrich Klemmer vor. Die ermitteln zur Zeit der Luftbrücke, als 1948 in Berlin, wobei der junge Kriminalist überaus leichtsinnig und eigensinnig auch im Ostteil der Stadt ermittelt. Auch hier war natürlich in der Podiumsdiskussion von den Fiktionen die Rede. Die Beschreibungen der durchweg am Himmel brummenden Rosinenbomber im Jahrhundertnebel in dieser Zeit, die Erfindung der dazugehörigen Szenen und die Recherchen machten es mir leicht, auch dieses Buch zu erwerben, wahrscheinlich wird dann der erste Band, DIE DRESDNERIN auch noch zu mir finden müssen, jedoch muss dieses erst einmal gelesen werden. Zumal das Buch am Ende eine Szene enthalten soll, die ich mit einem anderem Buch mal vergleichen möchte.
Mit Willi Hetze, dessen Moderation als sehr locker und frei zu beschreiben wäre, sprach ich noch über die Bloggerei und über die Art und Weise wie man Rezensionen schreiben sollte (also meine Art und Weise 😉 ) und dass ich
DIE SCHWÄRMER noch einmal aus dem Regal zog, als ich vor kurzem über Orwells
1984 schrieb.
Das war eine gelungene Veranstaltung, die ich mit einem Besuch bei Freunden koppeln konnte und einem langen Spaziergang Unter den Linden.
Wann die Bücher nun unmittelbar "dran" sind, ist etwas fraglich, sehe ich den Stapel ungelesener Bücher an, denn die Buchmesse Leipzig liegt ja noch nicht weit zurück. Gehen wir es an.
© Der Bücherjunge
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