Donnerstag, 18. September 2025

Günther, Ralf: Ein grenzenloser Sommer

Wer ahnte im Jahre 1988 schon, dass in Kürze bestimmte Beziehungen in deutschen Landen unkompliziert werden sollten, zumindest, was die Überwindung von Grenzen betrifft?

Für Ronni ist die Möglichkeit, zur See zu fahren und andere Länder zu sehen, der Gipfel von Freiheit für einen Sachsen aus Dresden. Ob er aber ohne Onkel „Alex“ auf dem Dampfer hätte anheuern können, spielt letztlich weniger eine Rolle, wohl aber, ob er auf diesem bleiben kann.

Drei Seereisen unternimmt Ronni als Restaurantstewart auf dem Motorschiff ARKONA, welches einst als MS ASTOR und ZDF-Traumschiff über die Meere schipperte. Das über dubiose Wege in den Besitz der DDR gekommene „Urlauberschiff“ wechselt regelmäßig die Reisenden aus, so kommt die DDR zu Devisen und „Westurlauber“ zu billigeren Kreuzfahrten. Auf diese Weise lernt der Dresdner Ronni die Frankfurterin Studentin Sabine und deren Tante Hilde kennen. Die jungen Leute kommen sich näher... Nach der ersten Reise folgt die Trennung. In einem Roman aber gibt es bestimmt ein Wiedersehen....

So eine Beziehung über eine äußerst befestigte Grenze hinweg, einer Beziehung auf wahrlich schwankenden Boden oder besser Wogen, bleibt nicht ohne Beobachtung. Die Mitarbeiter auf diesem Schiff sind nicht nur ausgesucht, gelegentlich eignen sie sich vielleicht zu geheimdienstlicher Erkenntnisgewinnung...

Ralf Günther verknüpft verschiedene Aspekte geschickt miteinander: Auf der einen Seite das Fernweh des jungen Sachsen und auf der anderen Seite die überwundene Drogensucht einer Studentin aus Frankfurt. Die Geschichte dieses fernsehbekannten Schiffes mit politisch-brisanten Ereignissen. Klar, man kann die Geschichte unter einer bekannten Internet-Enzyklopädie nachlesen, hier wird diese verknüpft mit fiktiven Personen und einer tatsächlich beteiligten dubiosen Person.

Ein Liebesroman mit Hintergrund, in dem eine „DevisenBeschaffungsFirma“ namens Kommerzielle Koordinierung im Zusammenhang mit der „Barschel-Affaire“ agierte, eine Geheimdienst- und eine Freiheitsgeschichte mit Spannungsfaktor, die die Leserinnen und Leser durch die Ostsee bis ins Schwarze Meer und zurück zu den Prinzeninseln führt. Ein Roman, der deutsche Geschichte berührt, aber kein Geschichtsbuch ist.

Locker und leicht berührt Günther ernste Themen und würzt dies mit Humor, stellt „West“ und „Ost“ amüsant gegenüber, wenn es um Mineralwasser aus Frankreich oder der Wasserleitung geht, oder wenn einer zwar Pampelmusen, aber keine Grapefruit kennt. Allerdings hatte eine KARO keine Filter, was Ralf Günther humorvoll selbst bei der Lesung in der Bibliothek Dresden-Bülau vorträgt. Er muss sich nicht entschuldigen für die klitzekleinen „Schnitzelchen“, die vorkommen können, wenn man über etwas schreibt, was man als Kind und Jugendlicher nicht erlebte. Gerade Günther ist sicherlich berufen, sich solcher Themen anzunehmen, denn der Kölner lebt seit 30 Jahren in und bei Dresden, auch wenn eine kleine Unterbrechung in Hamburg dabei ist. Der ehemalige „West-Bürger“ erzählt, dass er das Bild des toten Politikers Uwe Barschel in der Badewanne eines Hotelzimmers vor Augen hat, jede Zeit und jedes Land hat seine Bilder, die sich einbrennen. Diese zu spannenden Geschichten zu verknüpfen gelingt den Autoren am besten, die sich offen Unbekanntem zuwenden und immer weiter Gespräche führen und recherchieren. So har Günther seine Kenntnisse zu den Arbeitsbedingungen auf dem Kreuzfahrtschiff aus berufenem Munde erhalten.

Beziehungen zu Bürgern der BRD waren allerdings nicht nach dem DDR-StGB verboten, der Verdacht auf „ungesetzliche Verbindungen“ (§ 99 StGB-DDR) konnte zu Ermittlungen führen. Wenn zudem noch der Verdacht auf Spionage- und Agententätigkeit entstand, konnte es schnell gefährlich werden. Bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe für § 99 waren möglich. Damit ergaben sich auch Möglichkeiten, „betroffene“ Bürger als Informanten zu „gewinnen“. Eine sich anbahnende, unerwünschte Liebesbeziehung zwischen den jungen Hauptfiguren des Romans ist eine solche Gelegenheit. Aber wer kennt schon das (jeweilige) Strafgesetzbuch im Wortlaut?

Der Autor erläutert in einem ausführlichen Nachwort die Hintergründe des Erwerbs dieses Schiffes und lässt dabei "Onkel Alex" sogar zu Wort kommen.

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Ralf Günther sucht sich Themen unterschiedlichster Art. Er schickte bereits Robert Koch wegen der Cholera-Epidemie nach Hamburg, begab sich mit Dresdner Pappen ins Erzgebirge und mit geschnitzten Spielzeug zurück auf den Striezelmarkt, besuchte eine Heilanstalt in Bad Gottleuba und reiste mit einer Theatergräfin in den Orient. Goethe in Karlsbach und Bach in Dresden gehören zu seinen Themen, zuletzt schrieb er Filmgeschichte über Könige von Babelsberg. Einmal verband er den Kölner Dom mit Dresden in einem Sachbuch. Eine Bürgerstochter ging schon mal in Moritzburg baden und  Die Links zu bereits besprochenen Büchern finden sich unten.

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Hier haben wir einen Liebesroman mit Hintergrund, in dem eine „DevisenBeschaffungsFirma“ namens Kommerzielle Koordinierung im Zusammenhang mit der „Barschel-Afaire“ vorkommt, eine Geheimdienst- und eine Freiheitsgeschichte mit Spannungsfaktor, die die Leserinnen und Leser durch die Ostsee bis ins Schwarze Meer und zurück den Prinzeninseln führt. 

Ein Roman, der deutsche Geschichte berührt, aber kein Geschichtsbuch ist. Eine ernste Geschichte, die humorige Episoden nicht auslässt und hoffentlich zu einem guten Ende führt, denn vor den Prinzeninseln kommt Sturm auf.




© Bücherjunge





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