Betrachte ich mir den Titel dieses Taschenbuches, fallen drei Dinge auf: Eine fröhlich lachende sonnenbebrillte Frau, der deutliche Titel und mehr noch der Untertitel – Meine dramatische Flucht aus der DDR... – und dass das Buch bei Malik / National Geographic herausgekommen ist. Carmen Rohrbach las am 14. September 2025 aus dieser Autobiografie bei Dresden (er)lesen.
Am Stand auf der kleinen feinen Buchmesse hoch über der Elbe im Schloss Albrechtsberg war sehr schnell zu erkennen, was ihr Leben prägte: Eine nicht sofort zu überschauende Zahl von Reisebüchern aus aller Welt lagen aus.
Von Patagonien wird an anderer Stelle noch zu schreiben sein, bleiben wir vorerst bei der Autobiografie.
Im Prolog erläutert die Reiseautorin schon ziemlich ausführlich, was ihr Leben prägte, Leserin und Leser wussten, bereits „vorgewarnt“ nun ganz deutlich, was sie da lesen werden.
Carmen Rohrbach beginnt mit der Anfahrt an die Ostsee, die sie gemeinsam mit einem Gefährten Richtung Dänemark zu überqueren gedenkt. In Neopren gehüllt, ein Schlauchboot schwimmend mit sich führend, darin ein paar persönliche Sachen und Verpflegung. Trainiert waren die beiden, das erfahren wir im Laufe des Buches.
Zwischen Ostseestrand und einer Boje weit draußen in der See blättert Rohrbach ihr Leben vor uns auf. Kindheit, Familie, Schule, Studium. Geboren (1948) in Bischofswerda wächst sie mit Geschwistern in einer Familie auf, der Vater schwört als Kommunist auf den Versuch DDR.
Die kleine Carmen findet sich schnell in die Natur, Flora und Fauna, stromert durch die Wiesen und Wälder; genau das wird sie ihr Leben lang begleiten, unterbrochen durch rund zwei Jahre im Gefängnis. Carmen Rohrbach setzte sich erst spät kritisch im Studium mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten der DDR auseinander. Was sie wollte, war reisen und forschen. Schnell merkte sie dann, dass sich in ihrem Fall anscheinend unüberwindbare Hindernisse vor ihr auftürmten.
Letztlich plant sie ihre Flucht, zwischen deren Etappen schreibt sie mit ihrem Lebenslauf fort.
Ehrlich, über dieses Unterfangen kann ich immer noch mit dem Kopf schütteln und dabei gleichzeitig diesen Mut, den Willen und die Kraft bewundern, wobei letztere irgend wann zu schwinden scheint. Eine Hochseetonne ist der letzte Anke, die Volksmarine nimmt sie auf und außerdem fest.
Der letzte Teil ist dann dem Weg durch Untersuchungshaftanstalten bis Schloss Hoheneck (Stollberg) gewidmet und dem Neubeginn nach der urkundlichen „Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR“. In München wird sie promoviert und tut sofort nach Ankunft in der Bundesrepublik 1976 das, was ihr Leben schon immer von Kindesbeinen an prägt: Reisen und Schreiben.
* * *
Die Komposition des Buches macht es spannend. Am Stand blättert man das Taschenbuch durch und merkt schnell, das ging wohl schief mit der Ostsee und liest dann auch, „die Geschichte einer willensstarken Frau, die für ihren Traum nach Freiheit und fernen Ländern das eigene Leben riskierte.“ (Süddeutsche Zeitung – Buchrücken). Die Verhaftung auf hoher See rettet ihr das Leben.
Republikflucht. Kein unbekannter Begriff für den Jungen, den Lehrling, den Studenten in der DDR, und doch so weit weg; mit Carmen Rohrbach stand ich „erst“ der dritten Person gegenüber, die dies wagte. Ein Klassenkamerad, dies erfuhr ich vor fünfzehn Jahren auf einem Klassentreffen, wurde deswegen in Ungarn verhaftet, ein anderer bekannter Autor beschrieb dies auch in einem eigenen Buch.
Mir wird auch nach diesem eindringlichen Buch fremd bleiben, warum das Verlassen der DDR für doch so viele Menschen Ziel und Antrieb für ein anderes Leben war. Liest man allerdings von den Haftbedingungen, den Verhören, den Gerichtsverhandlungen und vor allem Schloss Hoheneck, dann fängt man an zu verstehen. Eine Klassenkameradin, in der Grundschule Bestschülerin, war nicht zu bewegen, auch nur ein wenig aus ihrer Zeit in einem Jugendwerkhof zu berichten. So stark mochte sie nicht daran erinnert werden. Nur, das Wissen darum kam ja erst mit der Verhaftung. Was trieb Carmen Rohrbach an?
Der Blick auf den den Büchertisch deutete es an, SOLANGE ICH ATME macht es zur Gewissheit: Zweiundzwanzig Bücher listet Büchertreff.de auf (Copilot hat gesagt, schau fort nach). Dieses Buch hier ist auch als graphic novel erschienen. Die reisefreudige Naturforscherin hat von klein auf dies gewollt, der Fluchtversuch und die Haftbedingungen, der Freikauf in die Bundesrepublik sind sicherlich gewaltige Push-Faktoren, die dazu kommen.
Ich danke Carmen Rohrbach für das Rezensionsexemplar. Sie gab es einem, der ihr Patagonienbuch mit auf eine lange Reise nach Südamerika nehmen wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Durch das Kommentieren eines Beitrags auf dieser Seite, werden automatisch über Blogger (Google) personenbezogene Daten, wie E-Mail und IP-Adresse, erhoben. Weitere Informationen findest Du in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google. Mit dem Abschicken eines Kommentars stimmst Du der Datenschutzerklärung zu.
Um die Übertragung der Daten so gering wie möglich zu halten, ist es möglich, auch anonym zu kommentieren.