Samstag, 25. Mai 2024

Goldammer, Frank: Tod auf der Elbe

Gleich komme ich auf Frank Goldammer und Gustav Heller zurück, doch bei Tod auf der Elbe fällt mir gleich mal ein anderer Autor ein. Uwe Wittenfeld, ein Bochumer, ließ 2014 eine Frau vom Blauen Wunder auf einen nicht namentlich genannten, aber über 125 Jahre alten Raddampfer fallen. Mauerzwillinge heißt das Buch, den Autor lernte ich auf der Dresdner Schriftgut kennen. Das war im Jahr 2016. Ebenfalls auf der Schriftgut lernte ich zwei Jahre vorher diesen Frank Goldammer kennen, damals war von Max Heller, geschweige denn von dessen Großvater Gustav nichts in Sicht.

Nachdem Goldammer sieben Bände zu den Fällen des Max Heller herausbrachte und auch die (unvollständige?) Vorgeschichte erzählte, liegt vor uns ein noch weiter zurückführendes Buch: In Tod auf der Elbe explodiert der Kessel eines Elbedampfers und Kriminalrat Gustav Heller, Rittmeister und Pferdezüchter, befindet sich in der Nähe, der Dampfer strandet an der Pillnitzer Elbinsel. Allerdings schreiben wir das Jahr 1879.

Kleiner Einschub: Aus diesem Jahr existiert noch ein Schiff, das ist die Stadt Wehlen. Mehrfach überholt steht der Dampfer unter Denkmalschutz…



Stadt Wehlen. Quelle: 
Wikipedia



Jedenfalls zieht besagter Kriminalrat, der einst 70/71 in der Armee des sächsischen Kronprinzen gegen Frankreich kämpfte und daher beim nunmehr sächsischen König ein Stein im Brett zu haben scheint, kurz nach dem die Rauchschwaden der Explosion zu sehen waren, einen Mann aus der Elbe und mit diesem beginnen seine Probleme. Auf der Elbe konkurrieren zwei Personen um die Schifffahrtkonzessionen, der eine ein Freiherr der andere ein Kapitalist. Unfall oder Sabotage, das ist hier die Frage. Und dieser Kriminalrat lässt nicht locker, er nimmt weder ein Blatt vor den Mund noch lässt er sich einschüchtern; Fans erkennen natürlich den zukünftigen Enkel bereits im Großvater…

Das ist schon so ein Problem mit den kriminalistischen Ermittlungen. Einerseits sind diverse Mediziner schon ziemlich weit, obwohl sich die Disziplin der Rechtsmedizin erst noch entwickeln muss. Der Kriminalrat Heller gestattet sich ziemlich moderne Überlegungen: er hätte gern Wissenschaftler und Ingenieure, die nur für die Polizei arbeiten, oder Fotografen, die Tatorte ablichten können. Es werden weitere Jahrzehnte vergehen, bis ein Kriminalrat Gennat in Berlin die erste moderne Mordinspektion leitet, die den Wünschen des königlich-sächsischen Ermittlers entsprechen würde. (Wen das jetzt interessiert, der lese bei Volker Kutschers Gereon Rath – Babylon Berlin – nach, der gehört zu dieser Inspektion Mord).

Heller dagegen, der Bürgerliche, hat es schwer inmitten dieser alten oft adeligen Gesellschaft, die ihm ständig in die Ermittlungen grätscht. Nichts gefällt den Vorgesetzten; erst als die Institution der Dresdner Polizei ins Visier gerät, bremst der Polizeipräsident. Muss am Ende doch seine Majestät eingreifen?

Gegenüber den Abgehängten, den Armen, die auch in Dresden am Rand in Bretterbuden leben, hegt Gustav Heller durchaus eine gewisse Art von Mitleid, vor allem den Jüngeren gegenüber. In dieser Geschichte scheinen Kinder entscheidend zu den letztlich ungeahnten Ermittlungsergebnissen beitragen zu können. Kriminalassistent Schrumm klärt Heller darüber auf, dass dieser für einen „Roten“ gehalten wird, für einen Sozialdemokraten.

„Sie trügen viel Rot am Leibe, sagt einer, Sie hätten heute wieder ein besonders rotes Gesicht. Oder konkreter, dass Sie sich zu viel um die Belange niederer Stände kümmerten. Dass die Herkunft Ihrer Frau aus einer sehr liberalen Familie allein schon Zeichen für Ihre politische Einstellung sei.“ 
Schrumm zu Heller auf Seite 108
Während der Zeit der Sozialistengesetze kann dies einen ziemlichen Karriereknick bedeuten. Doch der Rittmeister hat mit denen, die an der Gesellschaftsordnung kratzen, nicht viel am Hut, nur Gerechtigkeit, die sei für alle da. Mit diesem Schrumm hat er schon den Richtigen an seiner Seite, der meint, er hat seine Reputation bereits verloren, als er in Hellers Dienste trat. Und Frau Heller heißt mit Mädchennamen Körner. Dieser Name bedeutet schon etwas im Dresden, damals wie heute.

Langsam erkennen wir, dass dieser Max, der ungeborene Enkel, so manche Eigenschaft vom Großvater geerbt hat. Dieser ist ein Familienmensch, der sich rührend um die ständig kränkelnde Tochter Johanna kümmert, dabei seinen Sohn Albert aber etwas vernachlässigt. Liegt hier schon der Grund dafür, dass Max´ Vater auf den Großvater da in Oberpoyritz nicht zu sprechen kommen will in Zeiten des Verbrechens ?

„Rückwärts lesen“ ist ein wenig eigentümlich. Von 1944-61 sprangen wir in das Jahr 1917 zurück und jetzt in das Jahr 1879. Außerdem hat Frank Goldammer einige Lücken zu füllen. Da wären die Jahre bis zur Geburt des Enkels um die Jahrhundertwende, also die Karriere des Großvaters bis zum Geheimrat und dann die Lücke in der Karriere des Enkels so von 1923 bis 1944. Neun Heller-Bände sind es schon: Der Autor scheint nicht müde zu werden. Und außerdem: Ich bin so von Neugier erfüllt wie zu Beginn. HAUS DER GEISTER heißt der nächste Band, der spielt 1881 und wird im Frühjahr 2025 erscheinen…





© Bücherjung (25.05.2024)




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